(hebr. Jarden, jetzt von den Arabern
EschScheria, »Tränkplatz«, genannt), der einzige große und fast der einzige
stets fließende
StromPalästinas, dessen eine Hauptverwerfungsspalte einnehmendes Flußbett eine eigentümliche Einsenkung
unter die Meeresfläche bildet. Seine Quellgegend liegt an dem noch im
September mit Schneemassen bedeckten
Hermon (2860 m).
Der östliche Quellfluß, der in einer Felsengrotte bei dem Dorf Banias (dem alten
Cäsarea Paneas) in 370 m
Höhe entspringt, fließt 6 km südwestwärts durch eine fruchtbare
Landschaft bis zur Vereinigung mit dem mittlern Quellarm,
dem stärksten von allen, welcher bei
Tell elKadi (dem alten
Dan) aus einem großen
Becken herausfließt.
Beide zusammen fallen bald darauf in den westlichen Quellarm, den
Nahr Hasbani, der am Westabhang des
Hermon in 520 m
Höhe
entspringt. Der vereinigte
Strom verfolgt südliche
Richtung, durchfließt zunächst das Sumpfthal Ard el Huleh und den kleinen
Schilfsee
Bahr el Huleh (fälschlich Meromsee genannt), der in 2 mHöhe liegt, sodann mit starkem
Fall
in zahllosen
Kaskaden ein nur 17 km langes enges und steiniges
Thal,
[* 3] um sich in den ehemals
See von
Genezareth und Tiberiassee,
jetzt
Bahr Taharijeh genannten
See zu ergießen, der bereits 208 m unter dem
Spiegel
[* 4] des
Mittelmeers
[* 5] liegt.
Etwa 3 km unterhalb seinesAustritts aus dem Hulehsee, wo er etwa 25 m breit ist, führt über ihn die 45
Schritt
lange
»Brücke
[* 6] der Töchter
Jakobs« (Dschisr
Benât Yakub) mit drei
Spitzbogen, deren Erbauungszeit unbekannt ist. Den
SeeGenezareth
am Südwestende verlassend, tritt der
Fluß dann in die El
Ghor (s. d.) genannte, auf beidenUfern von steil
abfallenden Tafelländern eingefaßte
Ebene, die sich, 7-16 km breit, 110 km weit bis zum
TotenMeer (und noch weiter) erstreckt.
Er macht hier so starke und zahlreiche Windungen, daß er auf der 105 km langen
Strecke den dreifachen Weg zurücklegt. 10 km
unterhalb des
SeesGenezareth führt die zweite
Brücke, Dschisr Medschamia, aus arabischer Zeit stammend,
über den
Fluß.
Schilfröhricht und Tamarisken bedecken seine
Ufer. In der
Nähe von
Jericho zeigt man die
Stelle, wo
Jesus von
Johannes die
Taufe
empfing, und die dicht bewaldeten
Ufer sind namentlich um
Ostern von Pilgerscharen bedeckt, die sich hier baden. Seit führt
hier eine 35 m lange, 3 m breite und 3½ m hohe Gitterbrücke über den
Fluß.
Endlich mündet der
Fluß in zwei seichten
Armen
auf der Nordseite in das 394 m unter dem
Mittelmeer gelegene
Tote Meer
(Bahr Lut). Der J. fällt vom
Fuß desHermon
bis zum Huleh schnell 518, von da bis zum
SeeGenezareth 210, weiter bis zum
TotenMeer 186 m, zusammen 914 m; seine
Länge beträgt 215 km,
mit Einrechnung der außerordentlich zahlreichen
Krümmungen aber das
Drei- bis Vierfache. Die wichtigsten Nebenflüsse des
Jordans sind rechts der Zerka oder
Jabbok und der
Scheriat el Menadhire, welcher vom Haurangebirge kommt.
S.
Karte
»Palästina«.
[* 7]
1) (spr. schordang)Camille, franz.
Politiker, geb. 1771 zu
Lyon,
[* 8] nahm 1793 an der
ErhebungLyons gegen das Schreckensregiment
teil, hielt sich bis 1794 im
Ausland auf, ward 1796 in den
Rat der Fünfhundert gewählt und machte sich
als liberaler
Politiker durch ein ausgezeichnetes
Referat über die Kultusfreiheit bekannt. Nach dem
Staatsstreich vom 18.
Fructidor
geächtet, kehrte er erst 1800 nach
Frankreich zurück und hielt sich, bloß mit litterarischen und politischen
Studien beschäftigt,
unter dem Kaiserreich von der
Politik fern. 1816 ward er in die Deputiertenkammer gewählt und bald darauf
in den
Staatsrat berufen, aber 1819 wegen seiner liberalen
Gesinnungen aus demselben wieder ausgeschlossen. Er gehörte fortan
zur
Opposition in der
Kammer und vertrat eine gemäßigte freiheitliche
Richtung. Er starb 1821 in
Paris.
[* 9] Er schrieb mehrere
bedeutende Tagesschriften, wie: »Histoire de la conversion d'une dame parisienne« (Par. 1792, eine
Satire auf die konstitutionelle
Kirche),
»Vrai sens du vote national sur le consulat à vie« (1802) u. a.,
und übersetzte mehrere Werke
Klopstocks und
Schillers. Seine vortrefflichen
»Discours politiques« erschienen 1826.
Von der konservativenPartei als
Revolutionär verdächtigt, erhielt er beim Wiederzusammentritt der
Stände
Anfang 1833 keinen
Urlaub. Als die
Stände diesen
Schritt als verfassungswidrig bezeichneten, erfolgte 18. März ihre
Auflösung.
J. verzichtete nun selbst auf seine
Wahl und lebte in Zurückgezogenheit seinem wissenschaftlichen
Beruf, als auf die
Denunziation
eines Apothekers,
Döring, zu
Marburg, der sich in sein Vertrauen eingeschlichen und die Zusicherung eines
Straferlasses von den (wegen
Totschlags erhaltenen) sechs
JahrenFestungshaft bekommen hatte, im Juni 1839 eine Untersuchung
gegen ihn eingeleitet, er selbst vom
Amt suspendiert und zwei
Monate später in
Haft genommen wurde.
Erst im
August 1840 wurde die
Voruntersuchung geschlossen und vom Kriminalsenat des kurfürstlichen
Obergerichts die Hauptuntersuchung verfügt. Am erfolgte endlich die
Publikation des Urteilsspruchs: J. ward wegen
Nichtverhinderung eines
Komplotts zu fünfjähriger
Festungsstrafe, wobei die erlittene vierjährige
Untersuchungshaft nur mit
sechs
Monaten in Abzug zu bringen sein sollte, und zur Bezahlung des auf ihn fallenden Teils der Prozeßkosten
verurteilt. Da nach ärztlichem
ZeugnisJordans Gesundheitszustand seine Einkerkerung verbot, so wurde er zunächst in seinem
Haus durch eine Gendarmenwache von sechs Mann bewacht und, als er eine
Beschwerde über administrative
Willkür einreichte, 2. Aug. wieder
ins Gefängnis gebracht. Abermals verflossen zwei Jahre, ehe das
Oberappellationsgericht zu
Kassel sein
Endurteil abgab das J. völlig freisprach, ihn unter
Niederschlagung der
Kosten aus der Untersuchung entließ und
ihn nur wegen unziemlicher Schreibart in einer
Stelle seiner
¶
Vgl. außer
seiner »Selbstverteidigung« (2. Aufl., Mannh.
1845) Trinks und Julius, JordansLeben und Leiden
[* 18] (Frankf. 1845).
3) Rudolf, Maler, geb. zu Berlin,
[* 19] begann daselbst seine künstlerische Ausbildung unter Wach, verließ
denselben jedoch schon 1830 und machte in Rügen Naturstudien, auf Grund deren sein erstes Genrebild: die Fischerfamilie, entstand. 1833 wandte
er sich nach Düsseldorf
[* 20] und arbeitete in der dortigen Akademie bei Schadow und K. Sohn. Dort begründete er 1834 seinen Ruf durch
den Heiratsantrag auf Helgoland
[* 21] (Nationalgalerie zu Berlin), der durch Nachbildungen sehr beliebt wurde.
Von da ab widmete er sich ausschließlich der Schilderung des Fischer- und Schifferlebens, wozu er sich die Stoffe auf häufigen
Reisen nach Holland, Belgien
[* 22] und Frankreich holte. Er stellt mit gleichem Geschick humoristische wie ernste, selbst tragische
Szenen dar. Seine Auffassung ist gesund, mitunter wahrhaft poetisch, die Zeichnung scharf individualisierend.
Seine Färbung war anfangs kräftig und ist erst zuletzt etwas flauer geworden. Seine spätern Hauptwerke sind: die vergessenen
Stiefel (1835), zurückkehrende Lotsen (1836, Berliner
[* 23] Nationalgalerie), das Lotsenexamen (1842), die Lotsensturmglocke, Szene
in den Dünen nach dem Sturm (1844), Rettung aus dem Schiffbruch (1848), betende Weiber mit ihrem Geistlichen
in Sturmesnot (1852), die Krankensuppe (in der Kunsthalle zu Düsseldorf), Suppentag im Kloster (Museum zu Köln),
[* 24] das Altmännerhaus
an der holländischen Küste (1864, Nationalgalerie in Berlin), Strandwache, eine Hochzeit auf der InselMarken, das Frauenhaus
zu Amsterdam,
[* 25] gestrandete Passagiere, der Witwe Trost (1866, Nationalgalerie zu Berlin), das Begräbnis des
alten Seemanns (1874), nach durchwachter Nacht, Schiffbruch an der Küste der Normandie (1880), Rückkehr vom Heringsfang (1881),
holländische Strandkneipe (1884) und eine große Zahl größerer und kleinerer Familienszenen.
Minder glücklich sind seine Darstellungen aus dem italienischen Volksleben. Viele von Jordans Gemälden sind durch Stich,
Lithographie etc. weit verbreitet. Auch als Aquarellmaler, Illustrator und Radierer hat
er sich vorteilhaft bekannt gemacht. Er starb als königlicher Professor und im Besitz der großen goldenen Medaille
der BerlinerAusstellung.
Unter allen diesen Werken sind »Die Witwe des Agis« und »Demiurgos« als bisherige Hauptwerke
zu bezeichnen, letzteres eine philosophische Dichtung in episch-dramatischer Form, eine Art Faustiade, rücksichtlich der
Gedanken nicht ohne Verdienst, aber breit und ohne Handlung. 1865 begann J. als wandernder Rhapsode mit dem
Vortrag einer Wiederherstellung der Nibelungensage: »Nibelunge«, welche (in Stabreimen abgefaßt) in zwei getrennten Teilen:
»Sigfriedsage« (Frankf. 1869, 12. Aufl. 1885)
und »Hildebrants Heimkehr« (7. Aufl., das.
1885),
erschien, an den verschiedensten Orten mit Beifall aufzutreten und hat seine Reisen bis nach Amerika
[* 37] ausgedehnt. Seine
Anschauung über die mögliche Wiederbelebung des altdeutschen Epos legte J. in den Schriften: »Das Kunstgesetz
Homers und die Rhapsodik« (Frankf. 1869),
»Der epische Vers und der Stabreim« (das. 1868) und »EpischeBriefe« (das. 1876) dar.
Bei glänzenden Stellen und echt epischen Vorzügen im einzelnen, welche in seinem mündlichen Vortrag lichtvoll heraustreten,
machen die »Nibelunge« doch mehr den Eindruck eines interessanten poetischen Experiments als einer unmittelbaren
und darum ganz lebendigen Schöpfung. Immerhin aber fand das große, konzentrierte Werk Interesse und Teilnahme und half Verständnis
und Sinn für unsre germanische Vorzeit
¶
mehr
beleben. Außer den »Nibelunge« publizierte J. in den letzten Jahren: »Durchs Ohr«,
[* 39] Lustspiel (Frankf. 1871, 5. Aufl. 1885);
6) Henri, namhafter Philolog, geb. zu Berlin, studierte 1852-56 in Bonn
[* 40] und Berlin, wirkte als Schulamtskandidat am
Friedrichswerderschen Gymnasium zu Berlin, habilitierte sich Ostern 1861 daselbst, war Studien halber im
Herbst 1861 bis Ostern 1863 in Italien
[* 41] und wurde 1867 ordentlicher Professor der klassischen Philologie in Königsberg, wo er starb.
Seine Hauptwerke sind: »M. Catonis praeter librum de re rustica quae extant« (Leipz. 1860);
7) Max, Kunstschriftsteller, geb. zu Dresden,
[* 46] besuchte von 1856 an die UniversitätenJena,
[* 47] Berlin, Bonn und Leipzig
und veröffentlichte, anfangs dem Geschichtsstudium zugewandt, eine Monographie über GeorgPodiebrad, den
Böhmenkönig. Eine längere Reise 1861 nach Italien bestimmte ihn jedoch, zur Kunstgeschichte überzugehen. Er wurde 1870 Direktor
des städtischen Museums in Leipzig und habilitierte sich 1872 mit »Untersuchungen über das MalerbuchdesL. da Vinci« (Leipz. 1873) daselbst als Dozent an der Universität. Er gab in dieser Zeit und später
Werke von Genelli, Schnorr von Carolsfeld und andern Meistern der neuern deutschen Kunst heraus, deren Popularisierung er eifrig
zu fördern suchte. 1874 wurde J. Direktor der königlichen Nationalgalerie zu Berlin, 1879 Mitglied des Senats der königlichen
Akademie der bildenden Künste, 1880 vortragender und GeheimerRegierungsrat im preußischen Kultusministerium.
Er lieferte eine deutsche Ausgabe der »History of painting in Italy« und der »History
of painting in North Italy« von Crowe und Cavalcaselle (Leipz. 1869-74, 6 Bde.)
sowie des »Life of Titian« derselben Verfasser (das.
1877) und gab außer dem Katalog das »Album der Nationalgalerie« heraus.