Titel
Jörg
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1) Johann Christian Gottfried, Mediziner, geb. zu Prödel bei Zeitz, [* 3] studierte in Leipzig [* 4] und habilitierte sich 1805 daselbst als Privatdozent sowie praktischer Arzt und Geburtshelfer. Später ward er ordentlicher Professor der Geburtshilfe und Direktor der Entbindungsanstalt zu Leipzig und starb daselbst. Er gehörte zu den namhaftesten Geburtshelfern dieses Jahrhunderts und machte sich besonders dadurch verdient, daß er die vielfach üblich gewordenen unnützen Eingriffe bei gesundheitsgemäßen Geburten, wie z. B. mechanische Erweiterung des Muttermundes etc., zu beseitigen und der Naturthätigkeit im Geburtsakt ihr Recht zu wahren suchte.
Von ihm ging die von Ritgen weiter ausgebildete Idee einer neuen Methode des Kaiserschnittes, der sogen. Bauchscheidenschnitt, aus (1806). Er schrieb: »Lehrbuch der Hebammenkunst« (Leipz. 1814, 5. Aufl. 1855);
»Handbuch der Geburtshilfe« (das. 1807, 3. Aufl. 1833);
»Handbuch der Krankheiten des Weibes« (das. 1809, 3. Aufl. 1831);
»Handbuch zum Erkennen und Heilen der Kinderkrankheiten« (das. 1826, 2. Aufl. 1836);
»Die Zurechnungsfähigkeit der Schwangern und Gebärenden« (das. 1837).
2) Joseph Edmund, ultramontaner Politiker, geb. zu Immenstadt, studierte Theologie, wandte sich aber unter Döllingers Anleitung der Geschichte zu, trat 1852 in den Archivdienst und ward Vorstand des königlichen Archivs auf Schloß Trausnitz bei Landshut. [* 5] Von eingehendem Quellenstudium zeugt seine »Geschichte des großen Bauernkriegs« (Freib. i. Br. 1850). Seitdem er 1852 nach Guido Görres' Tode die Redaktion der ultramontanen »Historisch-politischen Blätter« übernommen, für die er viele Artikel schrieb, wandte er sich mehr der Zeitgeschichte zu. So erschienen von ihm eine »Geschichte des Protestantismus in seiner neuesten Entwickelung« (Freib. i. Br. 1857, 2 Bde.) und eine »Geschichte der sozialpolitischen Parteien in Deutschland« [* 6] (das. 1867). 1865 ward er in den bayrischen Landtag gewählt, 1867 auch in das Zollparlament; doch trat er erst im Januar 1870 als Referent der ultramontanen Majorität des Landtags in der Debatte über die von ihm verfaßte und gegen Hohenlohe gerichtete Adresse hervor.
Während er hier seinen Zweck, den Sturz Hohenlohes, erreichte, verfehlte er ihn im Juli 1870, als er als Referent bewaffnete Neutralität Bayerns verlangte, und im Januar 1871, als er Ablehnung der Verträge mit dem Norddeutschen Bund und des Anschlusses an das Deutsche Reich [* 7] beantragte. Dem deutschen Reichstag gehörte er seit 1871 an, machte sich aber auch hier erst durch seine bissige Rede gegen Bismarcks auswärtige Politik bemerklich. Als Haupt der bayrischen Patriotenpartei leitete er im Sommer 1875 die Neuwahlen für den Landtag und beantragte bei dessen Zusammentritt im Oktober 1875 eine wieder von ihm verfaßte scharfe Adresse an den König, welche rundheraus Entlassung des Ministeriums forderte.
Sie ward von der Kammer zwar angenommen; indes hatte sie nicht die gewünschte Wirkung, den Sturz der verhaßten Minister, namentlich Lutz', und die Ernennung eines ultramontanen Ministeriums herbeizuführen, indem der König die Adresse in schroffer Weise ablehnte. J. nahm nun im bayrischen Landtag eine versöhnliche Haltung ein, ward aber deswegen von den Extremen seiner eignen Partei in so heftiger Weise angegriffen, daß er sich unter entschiedener Verurteilung der Politik seiner Parteigenossen im Landtag 1880 ganz vom politischen Leben zurückzog.