Titel
Iwan
(russ., s. v. w. Johann), Name mehrerer russ. Großfürsten und Zaren, von denen die namhaftesten sind:
1) I. I., Danilowitsch, auch Kalita (der »Almosenspender«, wörtlich »die Tasche«, »der Geldsack«, also vielleicht im Sinn von »der Sparsame« zu verstehen) genannt, war erst Fürst von Wladimir, Nishnij Nowgorod und Moskau [* 2] und ward 1328 durch die Tataren, nach der Absetzung Alexanders II., zum Großfürsten von Moskau erhoben. Er starb 1341.
2) I. II., Sohn des vorigen, geb. folgte seinem ältern Bruder, Semen (Simeon), 1353 in der Regierung, verlor bedeutende Länderstrecken am Dnjepr an die Litauer und starb
3) I. III., Wasiljewitsch, Sohn Wasilijs des Blinden, Großfürsten von Moskau, geb. bestieg den Thron [* 3] und fügte dem moskowitischen Großfürstentum Twer, Moshaisk, Wologda und andre Gebiete hinzu. Er vermählte sich 1472 mit Sophie, Tochter des Thomas Paläologos, Bruders des letzten byzantinischen Kaisers, wodurch der doppelköpfige byzantinische Adler [* 4] in das russische Wappen [* 5] kam. 1478 unterjochte er das blühende Nowgorod, und 1480 machte er sich von der Abhängigkeit von den Tataren frei. Er war der erste, welcher den Titel Zar von Großrußland führte und die Einheit und Unteilbarkeit des russischen Reichs proklamierte; er starb
4) I. IV., Wasiljewitsch, mit dem Beinamen der Schreckliche, geb. Sohn Wasilijs IV., Enkel des vorigen, regierte, anfangs unter Vormundschaft seiner Mutter, 1534-84. Am zum Zaren gekrönt, unterwarf er 1552 Kasan [* 6] und 1554 Astrachan. Seine Gelüste auf das in den Händen der Deutschen Ritter befindliche Livland [* 7] vereinigten aber Schweden, [* 8] Polen und Dänemark [* 9] zu einem Bündnis gegen ihn. Während seiner Regierung begann die Eroberung Sibiriens. Durch Stephan Báthori in die Enge getrieben, suchte er um Hilfe bei dem deutschen Kaiser Rudolf II. und dem Papst Gregor XIII. nach und trat in dem durch den päpstlichen Nunzius 1582 zu stande gebrachten Waffenstillstand zu Zápolya seine Ansprüche auf Livland ab. Nowgorod ließ er seine Unabhängigkeitsgelüste 1570 mit dem Tod von 60,000 Einwohnern büßen.
Auch
Twer,
Moskau u. a. O. erfuhren seine Grausamkeit.
Schon während der
Minderjährigkeit Iwans
war das
Volk durch Parteihader
der
Großen,
Willkür und Grausamkeit schwer heimgesucht worden.
Später veranlaßte der
Kampf des
Zaren mit
den
Bojaren, insbesondere vom Jahr 1564 ab, eine
Reihe terroristischer Maßregeln, von denen nicht bloß der
Adel, sondern auch
die andern
Stände betroffen wurden. Dagegen hat sich I. auch
Verdienste um die
Zivilisation seines
Volkes erworben, hat deutsche
Gelehrte,
Künstler und
Handwerker nach Rußland gezogen und, nachdem die
Engländer im J. 1553 den Seeweg
nach
Archangel aufgefunden hatten, durch einen
Vertrag mit
England den russischen
Handel begründet. Auch die Militärverfassung
der
Strelitzen ist auf ihn zurückzuführen. Im Jähzorn tötete I. seinen ältesten Sohn, Iwan.
Er starb
5) I. V., Alexejewitsch, zweiter Sohn des
Zaren
Alexei und
Halbbruder des nachmaligen
Kaisers
Peter I., geb.
wegen seiner körperlichen und geistigen
Schwäche nach dem
Tod seines
Bruders, des
Zaren
Feodor, 1682, anfangs bei der
Entscheidung
der
Frage von der
Thronfolge übergangen, wurde, nachdem sein jüngerer
Bruder,
Peter, etwa einen
Monat hindurch allein
Zar gewesen
war, von den
Strelitzen auf Veranlassung seiner
Schwester
Sophie zum
Zaren ausgerufen. Während der Zweiherrschaft
Iwans
und
Peters herrschte deren
Schwester
Sophie bis zum Jahr 1689. Auch später beteiligte sich I. thatsächlich nicht an der
Regierung. Er starb
6) I. VI., Sohn des
Herzogs
Anton
Ulrich von
Braunschweig-Bevern und der russischen Großfürstin
Anna Leopoldowna,
geb. wurde gleich nach seiner
Geburt von der
Kaiserin
Anna Iwanowna
als Sohn angenommen und von derselben bei ihrem
Ableben in demselben Jahr zu ihrem Nachfolger unter der
Vormundschaft
Birons ernannt. Am wurde dem jungen
Kaiser
gehuldigt.
Kurz darauf aber stürzte seine
Mutter
Biron und nahm die
Zügel der
Regierung selbst in die
Hand.
[* 10] Infolge der Thronumwälzung zu gunsten
Elisabeths, der Tochter
Peters I., verlor er
Krone und
Freiheit, wurde mit
seinen Eltern und seiner
Schwester nach
Riga
[* 11] gebracht, dann in
Dünamünde und in Renenburg gefangen gehalten.
Im J. 1744 wurde er von seinen
Angehörigen getrennt und nach
Cholmogory gebracht.
Die Besorgnis, daß
Friedrich d. Gr. einen
Versuch zur
Befreiung Iwans
unternehmen werde, veranlaßte im Jahr 1756 seine Überführung
nach
Schlüsselburg, wo er mit Ausnahme eines kurzen Aufenthalts in
Petersburg
[* 12] 1757 und einer
Reise nach
Kexholm 1762 in strengem
Gewahrsam verblieb. Der
Versuch einer Rebellion zu gunsten Iwans
, welchen ein
Offizier, Mirowitsch, machte, veranlaßte in
dem
Augenblick, als der Verschwörer mit einer Anzahl
Soldaten dem Kerker nahte, um den ehemaligen
Kaiser zu befreien, dessen
Ermordung durch zwei
Offiziere, deren Obhut er anvertraut war, und die in dem gegebenen
Fall einer
Instruktion
entsprechend handelten. Die lange
Haft hatte den
¶
mehr
unglücklichen Jüngling blödsinnig gemacht; auch stotterte er sehr arg. Seine Katastrophe gab Veranlassung zu allerlei Gerüchten von einer Mitschuld Katharinas II., welche den Befreiungsversuch angezettelt haben sollte, um sich bei dieser Gelegenheit des Prätendenten zu entledigen. Nach dem gegenwärtigen Stande der historischen Forschung erscheinen diese Gerüchte als völlig grundlos.
Vgl. Brückner, Die Familie Braunschweig [* 14] in Rußland im 18. Jahrhundert (St. Petersb. 1876).