Titel
Irving
,
1) Washington, [* 2] nordamerikan. Schriftsteller, geb. zu New York, wo sich sein aus Schottland stammender Vater als Kaufmann niedergelassen hatte, begann 1800 auf dem Columbia College [* 3] daselbst das Studium der Rechte, gab es aber aus Gesundheitsrücksichten wieder auf und bereiste zwei Jahre lang das westliche Europa. [* 4] Nach seiner Rückkehr nahm er seine Studien wieder auf; aber weder sie noch das kaufmännische Geschäft, welches er später in Verbindung mit seinen Brüdern betrieb, sagten ihm zu. Als 1812 der Krieg mit England ausbrach, übernahm er daher unter dem amerikanischen General Tompkins die Stelle eines Adjutanten.
Nach dem Eintritt der Waffenruhe ging er wieder an sein Handelsgeschäft, büßte aber durch dasselbe sein ganzes Vermögen ein. Nun warf er sich auf das Feld der Litteratur und verarbeitete den 1815 auf einer Handelsreise nach England gesammelten Stoff in seinem »Sketchbook of Geoffrey Crayon« (Lond. u. New York 1820, 2 Bde.). Schon früher war er der Leserwelt durch die »Letters of Jonathan Oldstyle« (enthalten in der von seinem ältern Bruder zu New York herausgegebenen Zeitschrift »Morning Chronicle«, später gesammelt und von Spiker, Berl. 1824, ins Deutsche [* 5] übersetzt),
durch die Herausgabe des humoristischen Blattes »Salmagundî« (zum Teil abgedruckt unter dem Titel: »Salmagundî; or the whimwams and opinions of Lancelot Longstaff and others«, Lond. 1823, 2 Bde.) und durch die »Humorous history of New York by Dietrich Knickerbocker« bekannt geworden. Er besuchte Europa abermals und schrieb in Paris [* 6] die »Bracebride-Hall, or the humorists« (Lond. 1823, 2 Bde.). Den Sommer 1822 brachte er in den Rheingegenden zu, hielt sich sodann längere Zeit in Prag [* 7] und Dresden [* 8] auf und ging 1824 nach England, wo er seine »Tales of a traveller« (Lond. 1824, 2 Bde.; deutsch, Berl. 1825) veröffentlichte.
Nach einer kurzen Reise in Südfrankreich begab er sich 1825 nach Spanien, [* 9] wo er im Escorial die auf die Entdeckung Amerikas bezüglichen Handschriften und Bücher durchforschte und sich während eines vierjährigen Aufenthalts eine genaue Kenntnis der spanischen Sitten und Gebräuche erwarb. Die Früchte dieses Studiums sind sowohl die historischen. Arbeiten: »History of the life and Voyages of Christopher Columbus« (Lond. 1828-30, 4 Bde.),
die »Voyages and discoveries of the companions of Columbus« (das. 1831) und die aus Handschriften des Antonio Agapida und spanischen Chroniken zusammengetragene Schrift »Chronicle of the conquest of Granada« [* 10] (das. 1829, 2 Bde.),
als auch die später aus Enthusiasmus für die Glanzperiode der Araber in Spanien, für ihre Sitten und ¶
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Märchen geschriebene »Alhambra« (das. 1832, 2 Bde.). Letzteres Werk verfaßte er als Sekretär [* 12] der amerikanischen Gesandtschaft zu London, [* 13] wohin er von Spanien aus gegangen war. Von 1832 an lebte I. wieder in Washington, von wo er wiederholt Reisen nach dem noch unkultivierten Westen unternahm, bis er 1841 zum Gesandten der Vereinigten Staaten [* 14] am spanischen Hof [* 15] ernannt wurde. Nachdem er durch Testament eines ihm unbekannten Mannes 1843 ein beträchtliches Vermögen geerbt, legte er 1846 seinen Gesandtschaftsposten nieder und zog sich auf seinen Landsitz Sunnyside in der Nähe von New York zurück, wo er starb.
Seine spätern Schriften sind: »Miscellanies« (Lond. 1835-36),
enthaltend: »A tour on the prairies«, »Abbotsford and Newstead-Abbey« und »Legends of the conquest of Spain«;
ferner »Astoria, or the enterprise beyond the Rocky Mountains« (das. 1836, 3 Bde.);
»Adventures of Captain Bonneville« (das. 1837, 3 Bde.);
»History of Mahomet and his successors« (das. 1849-50, 2 Bde.; deutsch, Leipz. 1850),
ein Werk, welches sich weniger durch Tiefe der Forschung als durch eleganten Stil und lichtvolle Darstellung auszeichnet;
»Oliver Goldsmith« (Lond. 1849; deutsch, Berl. 1858),
eine der anmutigsten Biographien, die je geschrieben worden, und »Life of George Washington« (New York 1855-59, 5. Bde.; deutsch, Leipz. 1855-59).
Gesamtausgaben seiner Werke erschienen New York 1848-50, 15 Bde.;
London 1851, 10 Bde.;
New York 1882, 27 Bde. (Jubiläumsausgabe, zur 100jährigen Geburtstagsfeier des Dichters veranstaltet), und New York 1886, 9 Bde. Deutsch erschienen die »Sämtlichen Werke, übersetzt von Mehreren« (Frankf. 1826-37, 74 Bde.);
in Auswahl von Adrian (2. Aufl., das. 1847, 4 Tle.);
eine andre Auswahl (Leipz. 1856), illustriert von Ritter und Camphausen.
Irvings
Leistungen zeichnen sich durch ansprechende Darstellung, Frische und Gewandtheit
der Schreibweise aus. Er ist kein schöpferisches Talent; wohl aber weiß er Dargebotenes geschickt zu verarbeiten und hat
aus allen Ländern, welche er besuchte, sich etwas angeeignet. Tiefe Blicke in die menschliche Seele sind
nicht in Irvings
Schriften zu finden, wohl aber interessante psychologische Bemerkungen; ebenso werden wohl die verkehrten
Neigungen belächelt, nie aber die starken Leidenschaften von ihm heraufbeschworen.
Vgl. Pierre Irving
, Life and letters of
Washington I. (Lond. 1862-64, 4 Bde.;
neue Ausg. 1883, 3 Bde.);
Laun, Washington I., ein Lebens- und Charakterbild (Berl. 1870, 2 Bde.);
Hill, Washington I. (New York 1879);
Warner, Bryant und Putnam, Studies of I. (das. 1880);
Warner, W. I. (Boston [* 16] 1881).
2) Henry, berühmter engl. Schauspieler, geb. zu Keinton bei Glastonbury, wurde in einer Londoner Schule erzogen; betrat 1856 zuerst die Bretter und spielte zunächst in kürzern Engagements in Edinburg [* 17] und auf größern Bühnen in Glasgow, [* 18] Manchester [* 19] und London. 1866 spielte er auf Veranlassung des Dichters zuerst die Rolle des Spielers Rawdon Scudamore in Boucicaults »Hunted down« und betrat damit sein eigentliches Gebiet, auf dem er seitdem sich auszeichnet, das der Darstellung von Bösewichtern und diabolischen Charakteren. Er nahm zunächst ein Engagement am St. James-Theater an, dann spielte er am Queenstheater, 1870 im Vaudevilletheater, wo er in 300 Wiederholungen von Alberys »Two roses« auftrat, und stellte 1871 seine Kräfte dauernd in den Dienst des Lyceumtheaters, das hierdurch zum wichtigsten Theater [* 20] Londons erhoben ward. An diesem Theater, in welchem er zunächst einige hundert Male durch die Darstellung eines Mörders in dem Volksstück »The Bells« Sensation erregte, kreierte er die Rollen [* 21] des Hamlet (1874), des Macbeth (1875), des Othello (1876) und Richards III. (1877) und erwarb sich durch seine Leistungen als Darsteller Shakespearescher Charaktere den Ruf des ersten englischen Tragöden der Gegenwart.
Vgl. Archer, Henry I., actor and manager (Lond. 1885).
3) Edward, engl. Geistlicher, Begründer der nach ihm benannten Sekte, s. Irvingianer.