Irisches
System, s. Gefängniswesen, S. 1000.
Irisches System
17 Wörter, 117 Zeichen
Irisches
System, s. Gefängniswesen, S. 1000.
der Inbegriff aller auf die Freiheitsentziehung bezüglichen staatlichen Anstalten und Einrichtungen. Die Hauptgestaltungen desselben ergeben sich daher in Gemäßheit der Gründe, aus welchen von Staats wegen die Freiheit eines Menschen aufgehoben werden kann. Die wichtigsten unter diesen Gründen sind:
1) Die Verhinderung des Feindes an der fernern Teilnahme am Krieg, so daß man auch ¶
diejenigen Veranstaltungen, welche zur Festhaltung von Kriegsgefangenen getroffen werden, im weitesten Sinn zu den Gefängnisanstalten rechnen kann. Obwohl ursprünglich der Name eines Gefangenen gerade aus der Thatsache der kriegerischen Gewalt entnommen ist, so denkt man bei der Seltenheit der Kriege gegenwärtig nicht mehr an diese gelegentliche und vorübergehende Zweckbestimmung; wohl aber waren noch im Mittelalter, zusammenhängend mit dem Fehdewesen, weitaus die meisten Burgkerker und Burgverliese als Gefängnisse gegen den entwaffneten Feind eingerichtet.
2) Zum Zweck des Zwanges gegen widerwillige oder unvermögende Schuldner dienten die Schuldgefängnisse. Dieselben haben jedoch überall, wo die persönliche Schuldhaft als Exekutionsmittel beseitigt worden ist (Frankreich 1867, Deutschland [* 4] 1868, bez. 1871, Österreich [* 5] 1868, England 1869, Belgien [* 6] 1871), ihre Bedeutung eingebüßt.
3) Zum Zweck der vorläufigen Haftnahme verdächtiger Personen dienen die nur für vorübergehende Einsperrung bestimmten sogen. Polizeigefängnisse oder Arresthäuser.
4) Zum Zweck der Sicherstellung des Strafverfahrens gegen den Angeschuldigten, Verdächtigen oder Angeklagten dienen die Untersuchungsgefängnisse, welche regelmäßig als ein Zubehör der Kriminalgerichte erscheinen. Da nach dem Grundzweck des Kriminalverfahrens die persönliche Freiheit nicht verurteilter Personen nur für kürzere Zeit, und soweit dies unumgänglich nötig ist, beschränkt werden darf, sind die Untersuchungsgefängnisse gleichfalls nicht für längern Verbleib der Inhaftierten eingerichtet.
Als Grundsatz gilt, daß Untersuchungsgefangene niemals mit Strafgefangenen in denselben Räumen verwahrt werden sollen, und daß ihre Freiheit nur so weit einzuschränken ist, als dieses der Zweck der Voruntersuchung notwendig macht. So darf ihnen z. B. Selbstbeköstigung und Lektüre nicht entzogen, der Gefangene darf ohne Not nicht gefesselt werden, es ist ihm der Verkehr mit seinem Verteidiger zu gestatten etc. Die Untersuchungshaft kann in Deutschland vom Richter bei Erkennung der Freiheitsstrafe ganz oder teilweise in Anrechnung gebracht werden.
5) Zum Zweck der Bestrafung rechtskräftig verurteilter Personen dienen die Strafgefängnisse oder Strafanstalten.
Weitaus die größte Zahl der Gefängnisse sind heute Strafgefängnisse. Sie sind verhältnismäßig modernen Ursprungs und stehen im geschichtlichen Zusammenhang mit dem Aufkommen der Freiheitsstrafe als des seitdem Ende des vorigen Jahrhunderts üblich gewordenen Hauptstrafmittels. Dem Altertum waren zwar Untersuchung- und Schuldgefängnisse, keineswegs aber Strafgefängnisanstalten bekannt, welche mit den heutigen Einrichtungen irgendwie verglichen werden könnten.
Bis in das 16. Jahrh. hinein findet sich überall nur eine gelegentliche Erwähnung von Freiheits- und Gefängnisstrafen außerhalb der dem römischen Recht bereits bekannten Zwangsarbeits- und Verbannungsstrafe. Für geringe Verstöße gegen die gesetzliche Ordnung blieb nichts übrig als die Anwendung von Geldbußen oder körperlicher Züchtigung. Doch paßte die erstere nicht für Zahlungsunfähige, letztere blieb erfahrungsmäßig meist wirkungslos.
Schon aus dem Mittelalter war eine Klasse von Missethätern auf die nachfolgenden Jahrhunderte vererbt worden: fahrende Leute als Bettler, Landstreicher, Gauner. Gerade gegen diese Klasse war man eines bessern Schutzes bedürftig. So entstanden mit Erstarkung der Polizeigewalt seit dem Ende des 16. Jahrh. die Zuchthäuser oder Besserungsanstalten. In Deutschland ließ, da von Reichs wegen nichts geschehen konnte, die Landeshoheit sich die Einrichtung der Zuchthäuser angelegen sein.
Lübeck [* 7] (1613) und Hamburg [* 8] (1618) scheinen zuerst das in Amsterdam [* 9] gegebene Beispiel (1595) nachgeahmt zu haben. Von den Hansestädten aus verbreiteten sich die Zuchthäuser über Mittel- und Süddeutschland, nachdem der Dreißigjährige Krieg die Zahl der Landstreicher gewaltig vermehrt hatte. Neben den Zuchthäusern, welche nur auf die minder schweren, polizeilich zu behandelnden Gesetzwidrigkeiten Anwendung finden sollten, bildeten sich allmählich, aus der Nachahmung der südländischen Galeerenstrafe hervorgegangen und auf bauliche Zwecke berechnet, die Ketten- und Karrenstrafe und dann die Festungsstrafe.
In der Mitte des vorigen Jahrhunderts waren Strafanstalten unter mannigfachen Bezeichnungen bereits über Europa [* 10] verbreitet. Über ihren überaus mangelhaften Zustand berichtete die Schrift des Engländers Howard: »Über den Zustand der Gefängnisse in England und Wales, mit einleitenden Bemerkungen und einem Bericht von einigen fremden Gefängnissen« (1777; deutsch von Köster, 1780), welche durch ihre herzergreifende Schilderung des jammervollen Gefängnislebens großes Aufsehen erregte und auch zur Reform des Gefängniswesens Anlaß gab.
Seit dieser Zeit ist die Bedeutung des Gefängniswesens dadurch gewachsen, daß gänzlich veränderte Begriffe von der Aufgabe der Strafrechtspflege in der Gesetzgebung zur Geltung gelangten, zahlreiche früher üblich gewesene Strafmittel abgeschafft wurden, insbesondere aber die Todesstrafe entweder gänzlich aufhörte, oder doch auf eine geringere Zahl von Missethaten Anwendung fand. Die Freiheitsstrafen sind gegenwärtig überall zur Hauptstrafe des Kriminalrechts geworden. Außerdem lernte man seit Howard begreifen, daß eine fehlerhafte Einrichtung der Gefängnisse gleichsam eine Selbstbestrafung der Gesellschaft zur Folge hat. Die Verwaltung der Strafanstalten wurde vereinfacht, die Zahl der verschiedenen Freiheitsstrafarten vermindert und die Gefängnisse den heutigen Gesellschaftszuständen mehr angepaßt.
Vor 1870 bestanden in Deutschland vier Hauptgattungen von Strafanstalten:
1) Zuchthäuser, die aus polizeilichen Besserungsanstalten nach und nach zu Strafhäusern für die schwersten Verbrecher umgewandelt worden waren;
2) Arbeitshäuser zur Vollstreckung der in einzelnen deutschen Staaten ehemals gesetzlich verordneten Arbeitshausstrafen;
3) Festungshaft und 4) Gefängnisse im engern Sinn. Die gegenwärtige Einrichtung des Gefängniswesens ist folgende. Die Anstalten, in denen Freiheitsstrafen vollzogen werden, unterscheiden sich: Mit Rücksicht auf die gesetzliche Abstufung der Freiheitsstrafen. Das deutsche Reichsstrafgesetzbuch unterscheidet:
1) Zuchthausstrafe, welche teils lebenslänglich, teils zeitig (mindestens 1 Jahr, höchstens 15) erkannt werden kann. Mit gewissen Ehrenfolgen (z. B. Unfähigkeit zum Heerdienst) verbunden, fordert die Zuchthausstrafe notwendig den Arbeitszwang; die Verurteilten werden zu den in der Strafanstalt eingeführten Arbeiten innerhalb wie außerhalb derselben angehalten.
2) Gefängnisstrafe, welche, von Ausnahmen abgesehen, für den Zeitraum von 1 Tag bis zu 5 Jahren erkannt werden kann. Die Verurteilten können nach dem Ermessen der vollstreckenden Behörde (außerhalb der Anstalt jedoch nur mit ihrer Zustimmung) und müssen auf ihr Verlangen auf eine ihren Fähigkeiten entsprechende Weise beschäftigt werden.
3) Festungshaft (lebenslänglich oder zeitig, von 1 Tag bis zu 15 Jahren), bestehend in ¶
Freiheitsentziehung mit Beaufsichtigung der Beschäftigung und Lebensweise der Verurteilten. Die Vollstreckung erfolgt entweder in Festungen oder in andern dazu bestimmten Räumen.
4) Haft, für eine Zeitfrist von höchstens sechs Wochen und mindestens einem Tag, bestehend in einfacher Freiheitsentziehung. Die Bezeichnungen für diejenigen Anstalten, in denen die Gefängnisstrafe oder die Haft vollstreckt wird, sind in den einzelnen deutschen Ländern verschieden. Außer den für die Vollstreckung einer richterlich erkannten Strafe bestimmten Anstalten bestehen:
5) Untersuchungsgefängnisse und 6) Polizeiliche Korrektionsanstalten (vgl. Arbeitshäuser), in welchen auf Grund des § 362 gewisse Personen nach verbüßter Strafe durch die Landespolizeibehörde untergebracht werden können (Bettler, Landstreicher, Prostituierte). Verschiedene Strafarten, z. B. Gefängnis und Haft, können in verschiedenen Abteilungen und Räumlichkeiten eines und desselben Gebäudes vollstreckt werden. II. Mit Rücksicht auf die bürgerliche Stellung der Verurteilten.
Hiernach sind die Anstalten für militärische Personen (Arrest etc.) gesondert von denjenigen für nicht militärische Verbrecher. Das Strafgesetzbuch für das deutsche Heer enthält die nähern Bestimmungen. III. Mit Rücksicht auf das Geschlecht der Verurteilten. Weiber und Männer sind überall getrennt zu halten, wobei es der Verwaltung überlassen bleibt, entweder eigne Gefängnisse für Weiber zu bestimmen, oder für die räumliche Trennung der Geschlechter innerhalb eines und desselben Gebäudes Sorge zu tragen.
IV. Mit Rücksicht auf das Lebensalter der Verurteilten. Das Gesetz verbietet ausdrücklich die Gemeinschaft jugendlicher Personen im Alter unter 18 Jahren mit ältern Delinquenten und erlaubt außerdem, daß jugendliche Verbrecher, wenn sie wegen mangelnder Einsicht freigesprochen sind, durch den Richter einer Erziehungs- und Besserungsanstalt überwiesen werden dürfen, um dort nach dem Ermessen der vorgesetzten Verwaltungsbehörde, jedoch nicht über das vollendete 20. Lebensjahr hinaus, zu verbleiben.
Vorausgesetzt ist dabei, daß derartige Besserungsanstalten in der Hauptsache von Privaten oder von mildthätigen Vereinen unterhalten
werden, was bis jetzt nur in sehr unzureichender Weise der Fall ist, so daß Deutschland in dieser Hinsicht hinter andern Ländern
(England, Holland, Belgien, Frankreich, Schweiz
[* 12] und Nordamerika)
[* 13] weit zurücksteht. V. Der Hauptunterschied
in der Gestaltung der in Deutschland gesetzlich vorgezeichneten Strafanstalten ergibt sich aus der Beschaffenheit des Systems,
nach welchem die Freiheitsstrafe vollstreckt wird. Ehe eine Beschreibung der sogen. Haftsysteme
gegeben werden kann, ist auf
diejenigen Einrichtungen einzugehen, welche allen Strafanstalten gemeinsam sind.
Über den Grundgedanken, welcher in der Vollstreckung der Strafe leitend sein soll, hat das Strafgesetz sich nicht ausgesprochen. Nur das eine ist gewiß, daß jede Anstalt der Anforderung der Sicherheit so weit genügen muß, daß das Entweichen der Gefangenen durch bauliche Einrichtung und geeignete Überwachung wirksam verhindert wird. Abgesehen hiervon, bleibt es ungewiß, ob bei dem Vollzug der Freiheitsstrafen zu allererst dem Zweck der Abschreckung, der vergeltenden Gerechtigkeit oder der Sühne Genüge geschehen soll.
Der Persönlichkeit der leitenden Beamten ist in dieser Hinsicht alles überlassen. Ein Gesetz über die Einrichtung des Gefängniswesens fehlt in Deutschland, obwohl der Reichstag ein solches als notwendige Ergänzung der Strafrechtseinheit bezeichnet hat. Zwar ist ein Strafvollstreckungsgesetz von einer Sachverständigenkommission zu Berlin [* 14] infolge dieser Anregungen ausgearbeitet worden, der Entwurf ist jedoch bisher noch nicht an den Reichstag gelangt.
Einzelne Staaten, wie Baden, [* 15] Bayern [* 16] u. a., haben eigne Strafvollzugsgesetze, andre, wie Preußen, [* 17] haben alles den Verwaltungsbehörden überlassen, so daß hier außer dem Namen der Freiheitsstrafe schlechthin alles gesetzlich unbestimmt geblieben ist. Im großen und ganzen überwiegen jedoch in den deutschen Strafanstalten zwei Anschauungen: einmal, daß durch die Gerechtigkeit eine thunlichst gleiche Behandlung aller derselben Strafanstalt zugewiesenen Verbrecher gefordert wird, und sodann, daß die Rücksicht auf die Sicherheit der staatlichen Ordnung gebietet, neben der Empfindlichkeit des Strafübels auch dafür zu sorgen, daß der bestrafte Verbrecher gegen Rückfälligkeit durch bessernde Behandlung sittlich gekräftigt werde.
Das mindeste, was der Staat zu leisten hat, ist die Vorsorge, daß der Bestrafte nicht etwa moralisch verschlechtert werde. Daraus ergibt sich:
1) Vorsorge für die leibliche Gesundheit der Gefangenen durch richtige Auswahl der örtlichen Lage der Strafanstalt, durch Beschaffung guten Trinkwassers, der notwendigen Einrichtungen für Ventilation, Heizung, [* 18] körperliche Reinlichkeit, Bewegung im Freien, Krankenpflege etc. Die Technik des Gefängnisbaues hat zwar große Fortschritte gemacht; doch bestehen in Deutschland noch viele ältere, gesundheitsschädliche Gefängnisse. Die Statistik der Todesfälle und Erkrankungen weist erhebliche Verschiedenheiten in den einzelnen Anstalten auf.
2) Die Vorsorge für die Aufrechthaltung der äußern Ordnung und Disziplin in den Strafanstalten. Der Gefangene muß fühlen, daß er einer Zwangsgewalt unterworfen ist und sich einer in allen Einzelheiten bestimmten Hausordnung fügen muß. Zur Aufrechthaltung der Ordnung hat jede Strafanstalt auch die Befugnis zur disziplinaren Bestrafung Widersetzlicher und Ungehorsamer. Verwerflich ist nach der in Deutschland herrschend gewordenen Anschauung die beschimpfende Prügelstrafe, obwohl sich gelegentlich noch Verteidiger dafür finden und Zuchthausgefangene in einzelnen deutschen Staaten (Preußen, Hamburg etc.) disziplinarisch der körperlichen Züchtigung unterliegen. Am häufigsten werden, je nach der Schwere des Falles, angewendet: Isolierung, Dunkelarrest, Hungerkost, Entziehung erlaubter Genüsse. Je geringer und seltener die Anwendung von Gewaltmitteln erforderlich wird, desto höher ist die Leistungsfähigkeit der Strafanstaltsdirektionen. Am weitesten ist man überall da gekommen, wo man die eigne bessere Einsicht der Gefangenen, ihr Ehrgefühl und die Aussicht auf Besserung ihrer Lage bei gutem Verhalten zur Grundlage der Gefängnisdisziplin genommen hat, womit die nötige Strenge sehr wohl vereinbart werden kann.
3) Die Vorsorge für Beschäftigung und Arbeit der Strafgefangenen. Bei kurz dauernden Freiheitsstrafen ist Beschäftigung der Gefangenen meistenteils unwirksam oder unthunlich. Bei längerer Haft aber ist sie geboten sowohl im Interesse der Sittlichkeit und Erziehung als auch aus verwaltungstechnischen und finanziellen Gründen. Hinsichtlich der Art der für Strafgefangene passenden Arbeitsleistungen kommen hauptsächlich in Betracht: Vorbildung, Gesundheit und Körperkraft der Gefangenen, voraussichtliche Nutzbarkeit des Erwerbszweigs nach der spätern Entlassung, Verwertbarkeit der ¶