Titel
Ionische
Inseln, eine Gruppe von sieben größern und mehreren kleinern Inseln im Mittelmeer (hier Ionisches Meer genannt), an der Westküste Albaniens und Griechenlands (s. Karte »Griechenland«), [* 2]
welche bis in die Neuzeit einen unter der
Oberhoheit
Englands stehenden
Freistaat bildeten, seit aber zum
Königreich
Griechenland gehören. Sie zerfallen
in drei
Gruppen, von denen die nördliche die
Inseln
Korfu
[* 3]
(Kerkyra) und
Paxo im Ionischen
Meer, die mittlere die
Inseln
Santa Maura
(Levkas),
Thiaki oder
Ithaka,
Kephalonia und
Zante
(Zakynthos), ebenfalls im Ionischen
Meer,
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vor dem Busen von Patras, umfaßt, während zur südlichen Gruppe die im Ägeischen Meer an der Südspitze des Peloponnes gelegene
Insel Kythera (Cerigo) nebst mehreren kleinen Eilanden (Cerigotto, Dragonera, Pori u. a.) gehört. Administrativ bilden gegenwärtig
die Ionischen Inseln
(von Cerigo abgesehen, welches jetzt zu Argolis gehört) die drei Nomen:
Offiziell | Nach Strelbitsky | Einwohner | |
---|---|---|---|
Q.-Kilometer | Q.-Kilometer | (1879) | |
Kerkyra | 1107 | 1092 | 106109 |
Kephalonia | 783 | 815 | 80957 |
Zakynthos | 719 | 438 | 44522 |
Zusammen: | 2609 | 2345 | 231588 |
In Bezug auf mineralische Produkte wie auf die der Pflanzen- und der Tierwelt stimmen die Inseln im allgemeinen mit dem übrigen Griechenland überein. Sie sind arm an Wald und Wasser, aber ziemlich gebirgig. Als höchste Punkte sind der Pantokratoras (945 m) auf Korfu und der Monte Nero (1620 m) auf Kephalonia namhaft zu machen. Von Mineralien [* 5] finden sich Salz, [* 6] Schwefel, Steinkohlen, Erdpech, Marmor. Das Klima [* 7] ist im allgemeinen heiß, aber keineswegs ungesund. Die Zahl der jährlichen Regentage beträgt 100, der Winter ist zugleich die Zeit der Gewitter, Orkane und Erdbeben [* 8] kommen nicht selten vor, doch befinden sich keine Vulkane [* 9] auf den Inseln.
Die Bewohner sind der Mehrzahl nach Griechen; 1879 zählte man 3661 Fremde, darunter 1458 Engländer, 1020 Italiener und 863 Ottomanen.
Die herrschende Religion ist die griechisch-nichtunierte; außerdem zählte man 1879: 3142 Christen andrer
Konfession und 2940 Nichtchristen. Die griechische Geistlichkeit, an deren Spitze auf jeder der Hauptinseln
ein Bischof steht,
ist dem Patriarchen von Konstantinopel
[* 10] untergeordnet; die Römisch-Katholischen haben einen Bischof in Korfu.
Die geistige Kultur der Inseln hat sich unter dem Protektorat Englands wesentlich gehoben; Elementarschulen finden sich in jedem Dorf, ein Lyceum auf jeder Insel. In sozialer Hinsicht zerfallen die Einwohner in den grundbesitzenden Adel und in Bürger und Bauern, die meist Pachter sind. Eigentlicher Landbau wird nicht viel betrieben, in desto höherm Grad Weinbau, Oliven- und Baumwollkultur. In Bezug auf Viehzucht [* 11] ist nur die Schaf- und Ziegenzucht bemerkenswert; daneben blüht die Bienen-, Tauben- und Seidenwürmerzucht.
Hauptbeschäftigung aber bilden Fischfang und Seefahrt. Genaueres s. die einzelnen Inseln. Die Verfassungsurkunde der frühern Republik datierte vom Die britische Regierung hatte das Recht, sich auf den Inseln durch einen Lord-Oberkommissar repräsentieren zu lassen, der allen Beschlüssen des Landes erst gesetzliche Kraft [* 12] gab, sowie das Recht, Besatzungen in die Festungen zu legen und die Militärmacht ihren Befehlshabern unterzuordnen. Sitz der Zentralregierung war Korfu.
Die ausübende Gewalt hatte ein Senat, dessen Präsidenten die englische Krone auf fünf Jahre ernannte; er zählte außerdem
fünf Mitglieder und einen Staatssekretär. Die gesetzgebende Gewalt hatte die Versammlung der Volksvertreter
(Parlament), bestehend aus 42 Abgeordneten; dieselben wurden frei gewählt und traten alle zwei Jahre in Korfu zusammen. Jede
Insel hatte außerdem ihren vom Volk gewählten Munizipalrat sowie ein Zivil-, Kriminal- und Handelstribunal nebst einem Appellationsgericht.
Zu Korfu befand sich der oberste Appellhof. Das ionische
Wappen
[* 13] war ein gehender geflügelter, goldener
Löwe in blauem Feld, an der rechten Vorderpranke einen Bund von sieben Pfeilen mit einem Kreuz,
[* 14] in der
linken ein Evangelienbuch
haltend. Hauptfestung war Korfu (jetzt geschleift).
[Geschichte.]
Durch Homers Gesänge und Odysseus' Irrfahrt im Andenken der spätesten Nachwelt erhalten, blühten die sieben Eilande in älter Zeit unter Hellas' Schutz als besondere kleine Staaten, doch ohne hervorragende politische Bedeutung. Nur auf dem heutigen Korfu, dem Scheria der Sage, dem Lande der Phäaken, das im Altertum Korkyra (Corcyra) hieß, legte im 8. Jahrh. v. Chr. Korinth [* 15] eine Kolonie an; dieselbe wetteiferte bald an Macht und Schifffahrt mit der Mutterstadt.
Später, als Griechenland unter Roms Herrschaft gekommen war, verloren die Ionischen Inseln
ihre Selbständigkeit und unter
Vespasian ihre Freiheit. Bei der Teilung des römischen Reichs fielen sie an das byzantinische Kaisertum. 466 n. Chr. ward Korfu
von den Vandalen unter Geiserich und 550 von Ostgoten und slawischen Scharen verheerend heimgesucht; 1147 eroberte
es der Normanne Roger von Sizilien,
[* 16] und seitdem gehorchte es den Königen von Neapel.
[* 17] Unter solchen Wechseln war das Schicksal der
immer mannigfaltiger gemischten Bevölkerung
[* 18] ein außerordentlich verschiedenes: Perioden roher Unterdrückung wurden durch
Zwischenpausen gänzlicher Vernachlässigung unterbrochen, in welchen die Einwohner den Folgen anarchischer
Willkür unterlagen. 1401 erkaufte die Republik Venedig
[* 19] den Besitz Korfus um 30,000 Dukaten von Neapel, um die Stadt Korfu als eine
Vormauer gegen die Türken zu befestigen, und bemächtigte sich sodann auch der übrigen Ionischen
Inseln, die sie durch Provveditoren
regieren ließ.
Die Ionischen
Inseln bildeten damals, nebst den venezianischen Besitzungen auf dem festen Land (in Albanien),
die Provinz Levante Veneto. Die vier Jahrhunderte der venezianischen Herrschaft waren für die Inseln nichts weniger als glückliche,
da es ihren Schutzherren nur auf Ausbeutung aller im Bereich ihrer Macht liegenden Mittel für eigne Zwecke ankam. Die Beamten
waren ausschließlich geborne Venezianer, welche ihre Stellen nach Möglichkeit zu ihrer Bereicherung benutzten
und der Bestechung zugänglich waren.
Die Sprache [* 20] sank unter dem Überhandnehmen italienischer Formeln und Wendungen zu einem Mischdialekt herab. Nach der Teilung der Republik Venedig 1797 kamen die Inseln an Frankreich; aber schon 1799 bemächtigten sich ihrer die verbündeten Türken und Russen, worauf der Kaiser Paul die alte Freiheit scheinbar wiederherstellte, indem er durch den Vertrag mit der Pforte vom den Freistaat der sieben vereinigten Inseln gründete, der, von den Vornehmen des Landes regiert, unter der Hoheit der Pforte stehen und dieser tributär sein sollte.
Indes dieser Freistaat, von innern Unruhen und Verfassungskämpfen zerrissen, bestand nicht lange, und nach
dem Frieden zu Tilsit
[* 21] (1807) kamen die Inseln wieder an Frankreich; die Ionischen
Inseln wurden ein Bestandteil der illyrischen
Provinzen. Am erschien jedoch eine Abteilung der englischen Flotte vor Zante und verdrängte in kurzem
die französische Garnison von sämtlichen Inseln, Korfu ausgenommen. Der erste Pariser Friede von 1814 bestimmte die Abtretung
der Republik der Ionischen
Inseln an die Alliierten, und diese entschieden zu Paris
[* 22] dahin, daß die sogen. Sieben
Inseln als Vereinigte Staaten der Ionischen
Inseln einen unabhängigen Staat bilden und unter das Protektorat
Großbritanniens gestellt werden sollten. Dieses sollte einen Lord Kommissar ernennen mit der Vollmacht, eine Gesetzgebende Versammlung
des ionischen
Inselstaats zu
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berufen, damit dieselbe einen Verfassungsentwurf ausarbeite, ferner das Besatzungsrecht in den Festungen der Inseln haben, und die Streitkräfte der Republik sollten dem Oberbefehlshaber der britischen Truppen untergeordnet sein.
Die englische Krone ernannte zunächst Sir Thomas Maitland zum Lord-Oberkommissar der Vereinigten Staaten [* 24] der Ionischen Inseln. Dieser bearbeitete nun mit einem im Januar 1817 aus den »edlen Herren« berufenen Primärrat von elf Ioniern den Verfassungsentwurf, welcher, der britischen Verfassung nachgebildet, den Rechten aller Klassen Rechnung zu tragen suchte, und ließ denselben von der durch eben jenen Primärrat berufenen Gesetzgebenden Versammlung prüfen.
Nachdem der König von England die neue Konstitution genehmigt, trat sie in Kraft. Nach derselben sollte die griechische Sprache fortan die offizielle sein. Auch durch Gründung von Unterrichtsanstalten und Verbesserung der Gesetzgebung, welche aus einem Gemisch teils venezianischer, teils griechischer Verordnungen bestand, erwarb sich Maitland Verdienste. Gleichwohl vermochte er so wenig wie einer seiner Nachfolger die englische Herrschaft populär zu machen, obwohl unter derselben in Korfu eine Universität gegründet, ein Freihafen daselbst angelegt, Straßen gebaut und sonstige Vorkehrungen für die Hebung [* 25] des geistigen und materiellen Wohls getroffen wurden.
Die Ionier neigten sich mehr und mehr Griechenlands Interessen zu, und das Parlament ließ sogar den Wunsch nach Vereinigung mit Griechenland laut werden, weswegen es wiederholt aufgelöst oder vertagt werden mußte. 1849 legte der Lord-Oberkommissar Seaton dem Parlament weitgehende Reformvorschläge vor. Die Hauptpunkte waren: völlige Freiheit der Presse; [* 26]
Erweiterung des Wahlrechts auf die vierfache Zahl der bisherigen Wähler;
Einführung des Ballotierens bei den Wahlen;
Abschaffung des Primärrats;
besoldete Distriktsratskollegien für jede einzelne Insel;
endlich freie Wahl der Munizipalbeamten.
Trotzdem brach unter Seatons Nachfolger Sir Henry Ward (Mai 1849) in Kephalonia ein Aufstand aus, und nur mit Mühe gelang es ihm, denselben mit Waffengewalt niederzuwerfen. Zahlreiche Verhaftungen und Hinrichtungen folgten. Im März 1850 trat das neue Parlament zusammen, das erste auf Grundlage der Seatonschen Verfassungsreform gewählte, welches, aus Advokaten, Journalisten und Abenteurern bestehend, so heftige Klagen über den Druck der fremden Regierung erhob und so laut die Vereinigung mit Griechenland forderte, daß es zweimal vertagt und im Dezember 1851 aufgelöst wurde.
Indes auch die drei folgenden, 1852, 1854 und 1857 gewählten Parlamente ergriffen jede Gelegenheit, den Wunsch nach Vereinigung mit Griechenland laut werden zu lassen. Als sich im Juni 1858 selbst der Lord-Oberkommissar Young für die Abtretung der südlichen Inseln an Griechenland aussprach, sandte die englische Regierung einen außerordentlichen Oberkommissar, Gladstone, nach den Ionischen Inseln, der die Beschwerden jener Inseln prüfen sollte. Derselbe ward als Philhellene allenthalben mit Vertrauen empfangen, vermochte jedoch dem ihm von allen Seiten entgegentönenden Geschrei nach Vereinigung mit Griechenland nur die Antwort zu erteilen, daß seine Regierung entschlossen sei, das europäische Staatsrecht aufrecht zu erhalten. Im Januar 1859 übernahm er auf kurze Zeit das Amt eines Oberkommissars der Ionischen Inseln und eröffnete 25. Jan. zu Korfu das Parlament.
Dieses richtete eine Adresse an die Königin, worin dieselbe ersucht ward, bei den Mächten eine Abänderung der Verträge von 1815 bezüglich der Ionischen Inseln zu beantragen. Die Antwort lautete zwar ablehnend, stellte dagegen verschiedene Maßregeln zum Besten der Republik in Aussicht. Die hierauf von Gladstone dem Parlament vorgelegten 17 Reformvorschläge wurden aber von diesem zurückgewiesen. Vergeblich versuchte sein Nachfolger Storcks die Gemüter durch Einsetzung einer Kommission für Einführung von Verwaltungsreformen zu versöhnen.
Kaum hatte die englische Regierung im Oktober 1860 die geschehene Umwälzung im Kirchenstaat, in Neapel und in Sizilien anerkannt, als das Parlament mit Anwendung der in der betreffenden Depesche ausgesprochenen Grundsätze auf die Ionischen Inseln und ihr Verhältnis zu Großbritannien [* 27] einer- und zu Griechenland anderseits von neuem, diesmal in noch entschiedenerer Sprache, die Forderung der Entlassung der sieben Inseln aus dem englischen Protektorat an das englische Kabinett stellte.
Dieses antwortete hierauf einfach damit, daß es schon in den letzten Tagen des Novembers 1860 großartige Anstalten treffen ließ, Korfu zu befestigen, das Bassin zur Aufnahme großer Kriegsschiffe zu vervollkommnen und Docks anzulegen. Indes verstummten die Beschwerden und Forderungen des Parlaments darum nicht, und es schritt 1862 zu einer Anklage des Lord-Oberkommissars wegen Verfassungsverletzung und zu einem Protest an die Königin. Schon aber erklärte die englische Regierung, durch den Sturz des griechischen Königs Otto und den Beschluß der Nationalversammlung von Athen, [* 28] einen neuen König zu wählen, bestimmt, der provisorischen Regierung daselbst, daß es, falls Griechenland einen der Königin von England genehmen König wähle, geneigt sei, in die Vereinigung der Ionischen Inseln mit dem Königreich Griechenland zu willigen, »um letzteres zu stärken«. Am legte denn auch der Lord-Oberkommissar dem neu einberufenen ionischen Parlament die Bedingungen vor, unter welchen jene Vereinigung erfolgen solle.
Bereits 5. Okt. erklärte jenes seine Zustimmung, nur die als Bedingung mit aufgenommene Schleifung der Festung [* 29] Korfu wies es zurück; worauf es bis April 1864 vertagt wurde. Am unterschrieben die Vertreter sämtlicher fünf Großmächte zu London [* 30] das Protokoll, durch welches England der Schirmherrschaft über die Ionischen Inseln entsagte und dieselben an Griechenland abtrat. Die Festungswerke von Korfu wurden nach dieser Konvention geschleift und die sämtlichen Inseln für neutral erklärt.
Auf Vorstellungen der griechischen Regierung wurde jedoch in einer neuen Konferenz der Großmächte zu London im Januar 1864 die Neutralität auf Korfu und Paxo beschränkt, der neue Vertrag 29. März abgeschlossen und 8. April von Griechenland genehmigt. Am 30. Mai übergab der Lord-Oberkommissar die Staatsarchive dem Bevollmächtigten des Königs Georg, General Zaimis, der darauf das ionische Parlament für aufgelöst erklärte. Am 21. Mai verließ der Lord-Oberkommissar mit sämtlichen englischen Truppen und Kriegsschiffen Korfu, wo 6. Juni der König Georg seinen Einzug hielt. Am 31. Juli traten die Deputierten der Ionischen Inseln ins griechische Parlament ein.
Vgl. Liebetrut, Reise nach den Ionischen Inseln (Hamb. 1850);
Davy, The Ionian islands under British protection (Lond. 1851);
Ansted, The Ionian islands (das. 1863);
Kirkwall, Four years in the Ionian islands (das. 1864, 2 Bde.);
v. Warsberg, Odysseeische Landschaften (Wien [* 31] 1878-79, 3 Bde.);
Riemann, ¶
Im Brockhaus` Konversationslexikon, 1902-1910
Ionische
Inseln, die im Ionischen Meere, an der Westküste von Albanien und Griechenland gelegenen, seit 1864 dem griech. Königreiche einverleibten sieben Inseln mit einem Gesamtflächenraum von 2296, nach Strelbitskij 2349 qkm;
davon kommen auf Zakynthos (Zante) 427, auf Kephallenia 664, auf Ithaka 97, auf Leukas (Santa Maura) 285, auf Korfu 712, auf Paxos 19 qkm;
dazu gerechnet wird auch das vor der Südspitze des Peloponnes gelegene Kythera (Cerigo) mit 277 qkm. Die Inseln sind mit Gebirgen erfüllt, welche aus Kalken und Schiefern der Kreideformation [* 32] (auf Korfu auch Jura) bestehen und meist die Streichrichtung von Nordnordwest nach Südsüdost besitzen;
daran lagern sich Hügelländer tertiärer Schichten und kleine Schwemmlandebenen.
Die höchste Erhebung ist der Elatovuni auf Kephallenia (1620 m). Erdbeben sind besonders auf den mittlern Inseln häufig. Im allgemeinen sind sie fruchtbar, ihr Klima mild, doch leiden sie an Dürre und Wassermangel. Wälder giebt es außer prächtigen Olivenhainen nur noch auf den Bergen [* 33] Kephallenias. Die hauptsächlichsten Produkte sind: Korinthen (außer auf Korfu und Cerigo), Wein, Öl und Südfrüchte. Der Getreidebau genügt dem Bedarf nicht, die Viehzucht beschränkt sich auf Schafe [* 34] und Ziegen, Industrie ist kaum vorhanden.
Dagegen blühen Handel, Schiffahrt und Fischerei [* 35] in hervorragendem Maße. Infolge der langen Ruhe unter der venet. Herrschaft und der fürsorglichen Verwaltung der Engländer übertreffen die I. I. an Wohlstand, Gesittung und Bevölkerungsdichte alle andern Teile des Königreichs; mit Fahrstraßen sind sie wohl versehen. Mit dem Festland und dem Ausland sowie unter sich stehen sie durch österr., ital. und griech. Dampferlinien in Verbindung. Die Inseln bilden die drei Nomen (Kreise): [* 36] Korfu, Kephallenia und Zante mit zusammen (1889) 238783 E.;
Cerigo gehört zum Nomos Argolis und Korinthia.
Die griech. Gesetze gelten auch hier, mit Ausnahme der privatrechtlichen, für welche ein eigener Civilcodex rechtskräftig geblieben ist. –
Vgl. Unger, Wissenschaftliche Ergebnisse einer Reise in Griechenland und in den I. I. (Wien 1862), und Partsch in Petermanns «Ergänzungsheften», Nr. 88, 95 u. 98. ¶
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Die älteste Geschichte der I. I. fällt mit der des übrigen Griechenland zusammen, dessen Schicksale die Inseln teilten; schon im frühesten Altertum waren sie von Griechen bewohnt und von einheimischen Stammesfürsten regiert; Ithaka ist speciell bekannt als das Vaterland des Odysseus, Leukas aus der Geschichte Sapphos.
Korfu (Kerkyra), seit dem 8. Jahrh. v. Chr. korinthische Kolonie, aber in steter Rivalität mit der Mutterstadt, gab den letzten Anstoß zum Peloponnesischen Kriege. Unter röm. Herrschaft gehörten die Inseln zu der Provinz Achaia; bei der Teilung des Römischen Reichs fielen sie dem byzant. Kaisertume zu und bildeten vor 887 wechselweise einen Teil des Thema Longobardia oder desjenigen von Peloponnesos, seitdem aber das Thema Kephallenien. Infolge eines Krieges mit den sicil. Normannen gingen sie seit 1186 den Byzantinern definitiv verloren; 1205 kamen sie an Venedig, 1215 teilweise an das Despotat Epirus, später an die Dynastie Anjou von Neapel. 1386 erwarb Venedig Korfu, die übrigen Inseln erst um den Ausgang des 15. Jahrh. Es ließ sie durch Proveditoren regieren, die sie zum Teil über alles Maß ausbeuteten, aber gegen die Angriffe der Türken siegreich behaupteten. Nach dem Untergange der Republik Venedig 1797 kamen sie an Frankreich, das sie in drei Präfekturen einteilte; aber schon 1799 wurden sie von den verbündeten Russen und Türken erobert, worauf sie der russ. Kaiser Paul durch den Vertrag mit der Pforte vom ohne Zuziehung der Ionier in eine Republik der Sieben vereinigten Inseln verwandelte, die zuerst unter der Hoheit der Pforte, dann dem Schutze Rußlands stand. Die neue Republik, die alle drei Jahre einen Tribut von 75000 Piastern nach Stambul senden mußte, bestand unter heftigen innern Parteiungen nur bis 1807, wo Rußland im Frieden von Tilsit sie an Napoleon Ⅰ. überließ. Auch die Franzosen vermochten sich nicht im Besitze zu erhalten; 1809 und 1810 wurden die Inseln von den Engländern besetzt, mit Ausnahme von Korfu, das sich erst nach dem Ersten Pariser Frieden im Juli 1811 ergab. Durch den in Paris zwischen England, Österreich, [* 38] Preußen [* 39] und Rußland abgeschlossenen Vertrag wurden die Inseln sodann unter dem Titel Vereinigter Staat der sieben Ionischen Inseln zu einem freien, besondern Staate unter dem Protektorat der brit. Krone konstituiert. Nach diesem Vertrage hatte letztere das Besatzungsrecht samt dem Oberbefehl und übte ihre Schutzrechte durch einen Lord-Oberkommissar aus, der die innere Verwaltung sowie die Verhältnisse zur Schutzmacht durch einen von der Nationalversammlung beratenen Ausschuß regeln sollte. Die Verfassung vom die seit dem unter Sir Thomas Maitland in Wirksamkeit trat, verlieh der Schutzmacht eine fast unumschränkte Gewalt. Dauernde Unzufriedenheit, geheime Umtriebe, selbst offener Aufruhr begleiteten von Anfang an das engl. Regiment trotz vieler durch dasselbe erzielten materiellen Verbesserungen, namentlich zur Zeit des griech. Freiheitskampfes, als die Ionier mit den übrigen Griechen vereinigt zu werden strebten. Die heftigste Opposition erweckten später gewaltsame Maßregeln des Lord-Oberkommissars Howard Douglas 1839, 1841 und 1842, und seitdem besonders trat immer entschiedener das Streben der Bevölkerung nach Vereinigung mit dem Königreich Griechenland hervor. In einer Petition vom verlangte man Preßfreiheit, unmittelbare Wahlen der Volksvertreter, Bildung eines ion. Heers u. s. w. Da die brit. Regierung nichts gewährte, brach 26. Sept. ein Aufstand auf Kephallenia aus, der sich bald über die andern Inseln ausbreitete, aber mit Gewalt unterdrückt wurde. Auch ein 30. und auf Kephallenia ausgebrochener neuer greuelvoller Aufstand, der von einer Partei ausging, die als «Jung-Ionien» und «Rhizospasten» radikale Zwecke, besonders aber den der Vereinigung mit Griechenland verfolgte, wurde durch brit. Truppen niedergeschlagen. Das eröffnete Parlament brachte wenig mehr als eine Erweiterung des Wahlrechts; jedoch gelangten dadurch mehrere nationalgesinnte Männer in die Kammer, und die nächsten Parlamente wurden wegen ihrer feindseligen Haltung bald aufgelöst. Da die nationale Bewegung sich immer mehr steigerte und der engl. Oberkommissar Young selbst die Vereinigung der I. I. mit Griechenland bei seiner Regierung befürwortete, wurde der als Philhellene bekannte Gladstone nach den I. I. gesandt, der dem Jan. 1859 berufenen Ⅺ. Parlament nicht unwichtige Reformen vorschlug, während dieses einstimmig die Vereinigung der Inseln mit Griechenland verlangte. Erst nach dem Sturze des Königs Otto von Griechenland (Okt. 1862) änderte sich die Politik der brit. Regierung gegen die Inseln. Als durch die Wahl der griech. Nationalversammlung und das Londoner Protokoll vom der dän. Prinz Georg König der Hellenen geworden war, erklärte England, das Protektorat aufgeben und die Vereinigung der Inseln mit Griechenland genehmigen zu wollen. Am wurde hierauf die Einverleibung in Griechenland vom Parlament zu Korfu feierlich erklärt und durch den Londoner Vertrag vom 14. Nov., der die Inseln an Griechenland abtrat, auch von den Schutzmächten des Pariser Vertrags vom unter der Bedingung der dauernden Neutralisierung Korfus genehmigt. Am wurden durch den Lord-Oberkommissar Sir Henry Storks die Inseln dem griech. Kommissar Thr. Zaïmis in aller Form übergeben.
Vgl. Bory de St. Vincent, Histoire et description des îles Ioniennes (Par. 1823);
Davy, The Ionian Islands under British protection (Lond. 1851);
Lunzi, Della condizione politica delle isole Ionie sotto il dominio veneto (Vened. 1858);
Davy, Storia delle isole Ionie sotto il reggimento dei repubblicano francesi (Lond. 1860);
Fr. Lenormant, Le [* 40] gouvernement des îles Ioniennes.
Lettre à Lord John Russell (Par. 1861);
Lunzi, Della repubblica settinsulare (Bologna 1863);
Pauthier, Les îles Ioniennes pendant l’occupation française et le protectorat anglais (Vened. 1863);
Ansted, The Ionian Islands (Lond. 1863);
Berykios, Ἀπομνημονεύματα περὶ τῆς Ἰονίου πολιτείας (Kephallenia 1870);
Lombardos, Ἀπομνημονεύματα πρὸς καταρτισμὸν τῆς περὶ ἀπελευθερώσεως τῆς Ἑπτανήσου ἱστοριας (Zante 1870);
Chiotis, Ἱστορία τοῦ Ἰονίου κράτους 1815–64 (3 Bde., ebd. 1874–87);
A. Freiherr von Warsberg, Odysseische Landschaften (3 Bde., Wien 1878–79);
Riemann, Recherches archéologiques sur les îles Ioniennes (3 Bde., Par. 1879–80);
von Reumont, Kleine histor.
Schriften (Gotha [* 41] 1882);
P. Lambros, Μετάλλια καὶ νομίσματα τῆς Ἑπτανήσου πολιτείας (Athen 1884);
Phrangopulos, Ἡ ἐν ταῖς Ἰονίοις νήσοις ἀστικὴ νομοθεσία ¶
mehr
(ebd. 1886);
Hidromenos, Ὁ ὑπέρ τῆς ἐθνικῆς ἀποκαταστάσεως ἀγὼν τῶν Ἑπτανησίων 1815‒64 (Korfu 1889);
Maurojannis, Ἱστορία τῶν Ἰονίων νήσων 1797–1815 (2 Bde., ebd. 1889).