Interesse
(lat.), der
Anteil, welchen man an etwas nimmt; der Wert und die Bedeutung, welche einer
Sache beigelegt werden,
oder die sie für uns hat. Man nimmt
I., man »interessiert« sich für eine
Person, eine
Sache, eine
Handlung, welche uns nicht
gleichgültig sind, und das I. ist je nach dem
Grade des
Anteils, welchen wir an dem fraglichen Gegenstand
nehmen, ein mehr oder minder großes oder hervorragendes. Je nach dem Bildungsgrad des einzelnen, nach seiner individuellen
Anschauungsweise und Veranlagung ist der Interessen
kreis der
Menschen ein verschiedener.
Eine
Sache ist für den einen von I. (interessant), die es für den andern durchaus nicht ist. Mit Rücksicht
auf die Verschiedenartigkeit der Gegenstände, welchen sich das I. zuwendet, unterscheidet man ferner zwischen höhern und
niedern
Interessen, spricht man von wissenschaftlichem, künstlerischem, sittlichem, religiösem I. etc.,
unterscheidet man zwischen geistigen und materiellen
Interessen, stellt man dem Gesamtinteresse
die Sonderinteressen
, dem
allgemeinen
I. das
Standes- und das Geschäftsinteresse
, dem öffentlichen das Privatinteresse gegenüber.
Je höher die sittliche und intellektuelle
Bildung eines einzelnen ist, desto mehr wird derselbe von geistigen
Interessen erfüllt
sein. Überwuchern die materiellen
Interessen die letztern, herrscht das
Geschäfts- und namentlich das Erwerbsinteresse
in
einseitiger
Weise vor, so bezeichnet man den Betreffenden als interessiert. - In der
Rechtswissenschaft
versteht man unter I. »id, quod interest« (dasjenige, was einem daran gelegen
ist), d. h. den pekuniären Wert, welchen eine Leistung für uns hat, den Vermögenswert einer
Sache oder einer
Handlung, welcher namentlich dann in Betracht kommt, wenn die
Sache nicht rechtzeitig, nicht vertragsmäßig,
nicht vollständig oder gar nicht geliefert, die Leistung nicht oder nicht gehörig verrichtet wurde.
Die Rechtsgrundsätze über das I. sind daher namentlich für die
Lehre
[* 2] vom
Schadenersatz (s. d.) von Wichtigkeit. Dabei ist
aber zu beachten, daß bei der Feststellung des Gesamtinteresses
(omne id, quod interest) das sogen.
Affektionsinteresse
, d. h. der individuelle Wert, welchen etwas für mich
hat, nicht mit in Betracht kommt. Zerbricht mir jemand ein
Glas,
[* 3] welches mir ein wertes Andenken ist, so kann ich nur den
gemeinen Wert desselben, den Taxwert, welchen es für jedermann hat, als
Ersatz beanspruchen.
Auf der andern Seite wird mir nicht nur der unmittelbar erlittene Nachteil ersetzt, sondern auch der entgangene Gewinn, nicht nur der positive Schade (damnum emergens), sondern auch dasjenige, was mir infolge der schuldhaften Handlung an Gewinn entgeht (lucrum cessans). Erforderlich ist endlich, daß die betreffende Leistung, wenn anders eine rechtliche Verpflichtung (Obligation) überhaupt vorhanden und klagbar sein soll, irgendwie ein juristisches, also ein vermögensrechtliches I. hat.
Ein solches I. kann allerdings auch künstlich dadurch begründet werden, daß man für den Fall der Nichterfüllung oder der nicht rechtzeitigen Erfüllung eine Konventionalstrafe festsetzt. Hat mir z. B. ein Freund versprochen, daß er zur Förderung seiner Gesundheit jeden Morgen einen Spaziergang machen wolle, so wird dadurch für mich ein Klagerecht auf Erfüllung dieses Versprechens nicht begründet, weil es für mich an einem pekuniären I. an der Vornahme dieser Handlung fehlen wird. Dagegen würde mir ein ¶
mehr
solches Klagerecht zustehen, wenn mir mein Freund für jeden Tag, an welchem er den Spaziergang unterläßt, die Zahlung von 10 Mk. Konventionalstrafe versprochen hat.
Vgl. außer den Lehrbüchern des Privatrechts und des Handelsrechts: Fr. Mommsen, Zur Lehre vom I. (2. Abt. der »Beiträge zum Obligationenrecht«, Braunschw. 1853 ff.). -
Über I. in der Politik s. Interessenpolitik etc.