Inspiration
(lat.), die Einatmung, im Gegensatz zur Exspiration, Ausatmung. (S. Atmung.) - In der theologischen Sprache [* 2] bezeichnet I. eine übernatürliche Einwirkung des göttlichen Geistes, wodurch der Mensch göttlicher Kundgebungen, Belehrungen u. s. w. teilhaftig wird. Es war eine Vorstellung des ganzen heidn. und jüd. Altertums, daß nicht bloß Priester und Priesterinnen, sondern auch Weise, Künstler, Dichter solche göttliche Eingebungen empfingen. (S. Offenbarung.) Daher haben alle Religionsstifter beansprucht, in diesem Sinne «inspiriert» zu sein; so auch die hebr. Propheten, und das spätere Judentum betrachtete auch das Gesetz und sämtliche heiligen Schriften als von Gott eingegeben; die neutestamentlichen Schriftsteller teilten diese Vorstellung, und später wurde dieselbe vom Alten Testament auch auf das Neue übertragen.
Alsbald sollten die biblischen Schriftsteller nicht bloß übernatürliche Mitteilungen und den
Auftrag, sie niederzuschreiben,
von Gott empfangen haben, sondern auch die niedergeschriebenen Worte sollten vom göttlichen
Geiste eingegeben
sein. Doch lehnte man seit Ende des 2. Jahrh. die ältere
Ansicht ab, daß die
Propheten und
Apostel unbewußte und willenlose
Werkzeuge
[* 3] des
Heiligen
Geistes gewesen seien. Die mittelalterliche
Theologie hat nur diese Inspiratio
nslehre übernommen.
Eine neue Form erlangte sie erst im ältern
Protestantismus, indem dieser der absoluten
Unfehlbarkeit der
päpstl.
Kirche (s. Infallibilität) die nicht minder absolute
Unfehlbarkeit des Bibelbuchstabens gegenüberstellte,
da man
beiderseits in Sachen des
Glaubens eine unantastbare äußere
Autorität verlangte, der
Protestantismus diese aber nicht in der
«Kirche», sondern nur in
«Gottes Wort» erkennen zu dürfen glaubte. Infolgedessen wurde die Inspiratio
nslehre
zu ihren äußersten Konsequenzen ausgebildet, während die röm.
Kirche bei den ältern schwankenden Bestimmungen darüber
verharrte. Allerdings finden sich bei den
Reformatoren, namentlich bei
Luther und
Zwingli, noch sehr freisinnige Äußerungen
über die
Schrift und über den Wert einzelner
Bücher derselben, ja die luth.
Theologie nahm sogar einen
Anlauf
[* 4] zur Erneuerung der historisch-dogmatischen Bibelkritik. Aber wie schon
Luther im Kampfe gegen
Rom,
[* 5]
Zwingli und die «Schwarmgeister»
wieder
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