Titel
Innsbruck.
[* 2]
1) Bezirkshauptmannschaft (ohne die Stadt I.) in Tirol, [* 3] hat 2088,34 qkm, (1890) 58847 (29210 männl., 29637 weibl.) deutsche kath. E., 8009 Häuser und 11883 Wohnparteien in 77 Gemeinden mit 106 Ortschaften und umfaßt die Gerichtsbezirke Hall, [* 4] I. (Umgebung), Mieders, Steinach und Telfs. – 2) Stadt mit eigenem Statut und Hauptstadt von Tirol, am Inn, unweit von dessen Vereinigung mit der Sill, an den Linien Kufstein-Ala der Österr. Südbahn und Salzburg-I.-Bregenz der Österr.
Staatsbahnen
[* 5] und an der
Lokalbahn I.-Hall, liegt in 579 m Höhe in der Mitte eines breiten
Thals, das im N. von den zerrissenen
Kalksteinwänden des Solsteins (2641 m), Brandjoch (2579 m), Frauhitt (2377 m) und der Sattelspitze (2287 m) überragt, im
S. von dem bewaldeten Mittelgebirge
(Berg Isel, s. d., 748 m) begrenzt wird, über den die drei einzelnen
Bergriesen, der Patscherkofel (2214 m), die Nockspitze (Saile 2402 m) und die Waldrasterspitze (2715 m) aufsteigen, ist Sitz
des
Statthalters und des Oberlandesgerichts für das Kronland
Tirol
und
Vorarlberg, des Landtags und Landesausschusses für
Tirol, der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck
-Umgebung, eines
Landes- und eines Bezirksgerichts (400,11 qkm, 20 Gemeinden, 23 Ortschaften, 20657 E.),
einer Post- und
Telegraphen-, der
Finanz-,
Landes-, der Eisenbahn-Betriebsdirektion, einer
Handels- und Gewerbekammer und einer
Genie-Direktion, des 14. Korpskommandos, des Kommandos der 8.
Infanterietruppendivision, 15. Infanteriebrigade und eines Platzkommandos
und hat (1890) 23320 (11583 männl., 11737 weibl.) deutsche kath.
E., 842 Häuser, 4070 Wohnparteien, in Garnison (1977 Mann) 2
Bataillone des 14. Infanterieregiments «Ernst
Ludwig,
Großherzog
von Hessen»,
[* 6] das 3. und 4. Feldbataillon des
Tiroler Jägerregiments
«Kaiser
Franz
Joseph» und eine
Batterie der Gebirgsbatteriedivision,
Post und
Telegraph,
[* 7] ferner ein Artilleriezeugdepot und Garnisonsspital.
Anlage. I. ist die schönste Stadt Tirols, eine der schönsten der deutschen Alpen, [* 8] und hat den Vorzug eines milden, im Winter durch heftigen Föhn charakterisierten Klimas (mittlere Jahrestemperatur 8,25° C.). Die eigentliche Stadt auf dem rechten Ufer des Flusses ist durch drei eiserne Brücken mit den Vorstädten Mariahilf und St. Nikolaus verbunden und hat schöne breite Straßen und ansehnliche Gebäude.
Kirchen. Die Stadt hat 11 Kirchen, 5 Klöster und ein Jesuitenkollegium. Von den Kirchen ist die hervorragendste die Franziskaner- oder Hofkirche, 1553‒63 im Renaissancestil von Kaiser Ferdinand Ⅰ. erbaut, nach dem letzten Willen Kaiser Maximilians Ⅰ., dessen prächtiges, erst 1583 vollendetes Grabmal die Mitte des Hauptschiffs einnimmt (sein Körper ruht zu Wiener-Neustadt). Auf einem gewaltigen Marmorsarkophag ist der Kaiser kniend in Bronze [* 9] dargestellt, umgeben von 28 Bronzestandbildern seiner Vorfahren und Zeitgenossen.
Von den 24 Marmorreliefs an den Seiten des Sarkophags sind 20 meisterhafte Arbeiten von Alexander Colins aus Mecheln, [* 10] denen die vier übrigen von den Brüdern Bernhard und Arnold Abel aus Köln [* 11] weit nachstehen. Ferner befinden sich in der Kirche noch die Silberne Kapelle, so genannt wegen eines silbernen Standbildes der Jungfrau Maria auf einem Ebenholzaltar, das prächtige Grabmal des Erzherzogs Ferdinand Ⅱ. und der Philippine Welser, beide von Colins, das Denkmal Andreas Hofers von Schaller, daneben die Grabstätten Speckbachers und Haspingers und ein Denkmal für die 1796‒1809 gefallenen Tiroler Landesverteidiger. In dieser Kirche trat die Königin Christine von Schweden [* 12] zum Katholicismus über. Die Universitäts- oder Jesuitenkirche, 1627‒40 im Barockstil erbaut, hat eine stattliche, 60 m hohe Kuppel; die Pfarrkirche zu St. Jakob, 1438 erbaut, 1717 neu aufgeführt, enthält am Hochaltar ein Marienbild von Lukas Cranach, dann das von H. Reinhart nach Kaspar Gras’ Modell gegossene Grabmal Erzherzog Maximilians des Deutschmeisters. Das Kapuzinerkloster, 1598 begonnen, war das erste dieses Ordens in Deutschland. [* 13]
Weltliche Bauten und Denkmäler. Erwähnenswert sind die kaiserl. Hofburg, an Stelle der von Maximilian Ⅰ. aufgeführten Burg 1766‒70 im Zopfstil erbaut; sie enthält die Wohnung des
[* 1]
^[Abb. Wappen
[* 14] von Innsbruck]
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Statthalters, das kaiserl. Absteigequartier und einen Riesensaal mit schönen Fresken; die 1425 erbaute Fürstenburg auf dem Stadtplatze mit einem reichen spätgot. marmornen Erker und vergoldetem Kupferdach, das berühmte Goldene Dach [* 16] (Goldene Dachl), angeblich von Friedrich Ⅳ. mit der leeren Tasche für 30000 Dukaten erbaut; das Landhaus, das Palais Taxis, jetzt Post, die jetzt im Privatbesitz befindliche Ottoburg (1234), das Stadttheater (1846), die Triumphpforte am Ende der Maria-Theresienstraße (Neustadt), [* 17] 1765 anläßlich der in I. gefeierten Vermählung des Großherzogs, spätern Kaisers Leopold Ⅱ. mit der Infantin Maria Ludovika errichtet, die große Infanteriekaserne neben dem Hofgarten, die prächtigen neuen Stadtsäle (1889), das Waisenhaus, von I. von Sieberer mit einem Stiftungskapitale von 550000 Fl. 1889 gegründet; in der Universitätstraße das Theresianum, früher Ritterakademie, jetzt Gymnasium, in der Museumstraße der stattliche Renaissancebau des Ferdinandeums oder Tiroler Landesmuseums, nach seinem ersten Protektor Kaiser Ferdinand Ⅰ. benannt, 1842 begonnen, 1884‒86 erhöht; an der Façade 22 Büsten hervorragender Künstler und Gelehrten des Landes (s. unten), die neue Landes-Geburtsklinik und die Universitätsinstitute.
Auf dem Margaretenplatz erinnert der 1863‒77 erbaute Rudolfsbrunnen mit dem 3 m hohen Standbild des Herzogs Rudolf Ⅳ. an die 500jährige Vereinigung Tirols mit Österreich; [* 18] die Annasäule wurde 1706 zum Gedächtnis der Räumung Tirols durch die bayr. und franz. Truppen (1703) errichtet. Im neuen Stadtpark befindet sich ein in Zinkguß ausgeführtes Denkmal Walters von der Vogelweide. Der neue Friedhof, 1857 eröffnet, enthält schöne Monumente von Knabl, J. Gasser, J. Müller, A. Grissemann u. a. Hierher wurde auch das früher auf dem alten, am Stadtspital gelegenen, jetzt abgetragenen Friedhof befindliche Grabmal Colins, von ihm selbst gearbeitet, übertragen.
Unterrichts- und Bildungswesen. Die Leopold-Franzens-Universität, 1677 durch Kaiser Leopold Ⅰ. gestiftet, von Kaiser Joseph Ⅱ. 1782 in ein Lyceum verwandelt, 1792 von Leopold Ⅱ. wiederhergestellt, 1810 von der bayr. Regierung gänzlich aufgehoben, wurde 1826 von der österr. Regierung mit der jurist. und philos. Fakultät wieder eröffnet, 1857 durch die theol. und 1869 durch die mediz. Fakultät vervollständigt. Die Zahl der Professoren und Lehrer beträgt (1893) 88, die der Studierenden 960, darunter etwa 250 Theologen, meist Ausländer.
Die Universitätsbibliothek ist aus der 1745 von Maria Theresia gegründeten Hauptbibliothek entstanden, welcher die Bücher der aufgelösten Jesuitenkollegien zu I. 1776, Hall 1780 und Brixen einverleibt wurden. Sie enthält 100000 Bände und 1027 Handschriften. Das Archiv der Statthalterei ist eins der bedeutendsten Österreichs. Ferner bestehen ein Staatsgymnasium, 1562 von Kaiser Ferdinand Ⅰ. errichtet, eine Staatsrealschule (1853), Lehrer- und Lehrerinnenbildungsanstalt, Staatsgewerbeschule mit Filiale in Hall, eine Infanterie-Kadettenschule (130 Zöglinge) und eine Handelsakademie.
Das Ferdinandeum enthält röm., mittelalterliche und neuere Stein- und Bronzedenkmäler, darunter der sog. Altar [* 19] der Diana aus Meran, [* 20] zoolog. und geognost.-paläontologische Sammlungen, Proben sämtlicher Tiroler Mineralien, [* 21] ferner Gipsabgüsse, rhätische, röm. und german. Altertümer, Waffen, [* 22] Karten, patriotische Erinnerungen (z. B. an Hofer), eine Gemäldegalerie, eine Bibliothek (40000 Bände) meist Tiroler Werke u. a. Am linken Ufer des Inn steht die schöne und große, neuerbaute Landes-Schießstätte.
Industrie. Unter den Fabriken sind die für Baumwoll- und Schafwollindustrie sowie für Kaffeesurrogat hervorzuheben, dann die Glasmalereianstalt mit eigener Kathedralenglashütte, sowie eine Mosaikwerkstätte. Die große Baumwollspinnerei ist mit einer Maschinenfabrik verbunden.
Umgebung. Eine schöne Kettenbrücke führt unterhalb der Stadt nach dem Dorfe Mühlau. Südlich an I. stößt das Dorf Wilten (6515 E.) mit stattlicher Prämonstratenserabtei; oberhalb desselben der Berg Isel (s. d.); südöstlich von demselben die Lanser Köpfe (929 m), der Lanser See (841 m), und die Sommerfrische Igls (884 m). 3 km östlich das berühmte Lustschloß Ambras (s. d.).
Geschichtliches. I. hieß im Altertum Ad Oenum, Oeni pons oder Oenipontum, d. h. Brücke [* 23] über den Inn, und wurde 1234 von dem Herzog Otto Ⅰ. von Meran zur Stadt erhoben. Nach der Besitznahme Tirols durch Österreich (1363) war es fast ununterbrochen der Sitz der Tiroler Landesfürsten bis 1665. In dem Französisch-Österreichischen Krieg von 1809 (s. d.) wurde I. mehrmals von beiden Parteien genommen und wieder verloren, wodurch es viel litt.
Litteratur. Zoller, Geschichte und Denkwürdigkeiten der Stadt I. (2 Tle., Innsbr. 1816‒25);
B. Weber, I. und seine Umgebungen (ebd. 1838);
Probst, Geschichte der Universität zu I. (ebd. 1869);
Erler, Innsbruck
(3. Aufl., ebd. 1880);
Gwercher, I. und dessen nächste Umgebung (ebd. 1880).