Infamie
(lat. Infamia
,
»Schande, Schimpf«),
im gewöhnlichen Sprachgebrauch Bezeichnung für ein ehrloses Handeln, Ehrlosigkeit; im juristischen Sinn die Schmälerung der bürgerlichen Ehre einer Person. Wie nämlich das römische Recht eine vollständige ¶
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Aufhebung der bürgerlichen Ehre und Rechtsfähigkeit infolge der sogen. Capitis deminutio (s. d.) kannte, so war nach demselben
auch eine Minderung der Rechtsfähigkeit auf Grund gesetzlicher Bestimmung möglich. Diese I., sogen. Infamia
juris, ließ
das römische Recht infolge gewisser Handlungen eintreten und zwar entweder als unmittelbare Folge der Handlung selbst (infamia
immediata) oder erst infolge des Richterspruchs, welcher den Betreffenden einer solchen Handlung für schuldig erklärte (infamia
mediata).
Ersteres war z. B. der Fall bei Verletzung des für die Witwe geordneten Trauerjahrs, letzteres bei einer Verurteilung im öffentlichen Volksgericht oder infolge gewisser Privatdelikte und Privatklagen. Die Unfähigkeit zu Staats- und Gemeindeämtern, zur prozessualischen Vertretung andrer vor Gericht und zum vollgültigen gerichtlichen Zeugnis waren die hauptsächlichsten Folgen dieser I. Aber auch das allgemeine sittliche Urteil der Mitbürger über einen Menschen muß im Rechtsleben eine gewisse Berücksichtigung finden.
Wer sich durch ein gemeines und unsittliches Benehmen die Achtung seiner Mitbürger verscherzt hat, kann einer
Zurücksetzung überall da nicht entgehen, wo das richterliche Ermessen die Individualität besonders zu berücksichtigen
hat. Es ist dies die sogen. Verächtlichkeit, Ignominia, Turpitudo vitae, Levis notae macula, auch Infamia
facti genannt.
Die Grundsätze über letztere sind heutzutage noch von praktischer Bedeutung, wenn auch infolge einer Veränderung der Volksanschauung
mit der Zeit manches in Wegfall gekommen ist, z. B. die frühere sogen.
Anrüchigkeit (s. d.) der unehelichen Kinder und des Abdeckers. Dagegen können die römisch-rechtlichen Grundsätze über I.
(infamia
juris) ebensowenig wie die ehemaligen Satzungen des deutschen Rechts über Verlust und Schmälerung der bürgerlichen
Ehre Geltung beanspruchen, wenn auch das moderne Strafrecht einen gänzlichen oder zeitweiligen Verlust
aller oder einzelner politischer Ehrenrechte (s. d.) kennt. - Cum infamia, mit Schimpf und Schande (nämlich relegiert), s.
Relegation.