Industries
chulen,
Name für sich bestehender oder mit der gewöhnlichen Schule verbundener Unterrichtsanstalten, in welchen Mädchen oder auch Kinder beiderlei Geschlechts in Handarbeiten (Stricken, Nähen, Flechten [* 2] etc.) unterwiesen werden. Hier und da waren derartige Beschäftigungen schon früher mit dem Schulunterricht verbunden, so im Halleschen Waisenhaus von Francke und in den unter seinem Einfluß zu Halle, [* 3] Berlin [* 4] etc. in der ersten Hälfte des 18. Jahrh. entstandenen Realschulen. In systematischer Weise verband zuerst der Dekan Ferdinand Kindermann, nachher von Maria Theresia als Ritter von Schulstein (s. d.) geadelt, zu Kaplitz in Böhmen [* 5] Industrieklassen mit der »Lehrschule« (1773). Sein Beispiel fand in der für Reform des Unterrichtswesens begeisterten Zeit vielfach Nachahmung. So versuchte nach einem großartigen Plan, aber mit geringem Erfolg Pestalozzi zu Neuhof im Aargau, Handarbeit und Unterricht zu verbinden (1775). Im nördlichen und evangelischen Deutschland [* 6] wurde die Neuerung besonders durch den Pfarrer Wagemann zu Göttingen [* 7] bekannt.
Dieser errichtete in
Göttingen 1784 eine Industries
chule, welche bald zahlreiche Nachfolgerinnen im nördlichen
Deutschland, auch in
England,
Frankreich etc. fand. Besonders ist unter diesen die sogen.
»Erwerbschule« in
Berlin (1793 gegründet) zu nennen. In enge gesetzliche
Verbindung mit der
Volksschule suchte die I. seit 1796 der
Herzog
Peter von
Holstein und
Oldenburg
[* 8] zu bringen.
Größere Verbreitung haben sie in den ersten beiden Dritteln
unsers
Jahrhunderts in
Belgien,
[* 9]
Württemberg,
[* 10]
Sachsen
[* 11]
(Erzgebirge: Stick- und Klöppelschulen) etc. gefunden. In ausgedehntem
Maß aber findet der Industrieunterricht die passendste Verwendung in den
Rettungshäusern, Taubstummen-,
Blindenanstalten (s. d.)
für
Knaben und Mädchen.
In den Volksschulen ist man von der Heranziehung der Knaben zu diesem Unterricht zurückgekommen, je mehr der Turnunterricht an Ausdehnung [* 12] gewonnen hat. Nur wo besondere örtliche Verhältnisse es verlangen, pflegt sie noch stattzufinden. Doch ist die Bewegung für den Unterricht der männlichen Jugend in der Handfertigkeit unter andern Formen neuerdings wieder aufgenommen worden. Dagegen ist für die Mädchen der Unterricht in weiblichen Handarbeiten als obligatorisch jetzt in den meisten Staaten Deutschlands [* 13] vorgeschrieben, so in Preußen [* 14] durch die allgemeinen Bestimmungen vom - Die verbreitetste Methode für diesen Unterricht ist heutzutage die Schallenfeldsche, nach der die Lehrerin ganze Klassen oder Abteilungen gleichzeitig zu belehren und zu beschäftigen hat.
Vgl. Rosalie Schallenfeld, Der Handarbeitsunterricht in Schulen (7. Aufl., Frankf. a. M. 1885);
Georgens, Schulen der weiblichen Handarbeit (Leipz. 1877, 12 Tle.).
S. auch Arbeitsschulen und Handarbeiten.