Industriebahn
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s. Nebenbahnen.
Industriebahn
3 Wörter, 31 Zeichen
Industriebahn,
s. Nebenbahnen.
(Sekundärbahnen, Vizinalbahnen, Lokalbahnen, Zweigbahnen), Eisenbahnlinien, welche mit einfachern Bau- und Betriebseinrichtungen als die Haupt- oder Vollbahnen versehen sind und die seitlich der Hauptbahnen belegenen Landesteile dem Eisenbahnverkehr erschließen. Bei der Anlage der Bau- u. Betriebseinrichtungen der Nebenbahnen muß die größte Einfachheit beobachtet werden. Es können daher an die Nebenbahnen weder in Bezug auf Bequemlichkeit noch auf Geschwindigkeit dieselben Ansprüche gemacht werden wie bei den Hauptbahnen. Da dem Verkehrsbedürfnis durch leichte Züge Genüge geschehen kann, so lassen sich durch leichtern Unterbau und durch Vermeidung kostspieliger Hochbauten und Aufschüttungen erhebliche Summen bei der Bauausführung ersparen.
Oft werden sogar die vorhandenen Chausseen mit geringen Nachhilfen zum Legen der Schienengeleise benutzt. Wenn nicht überwiegende Interessen damit verbunden sind, das rollende Betriebsmaterial der Hauptbahn auf die anschließende Nebenbahn übergehen zu lassen, läßt sich die Bahn durch Anwendung einer schmälern als der normalen Spurweite (1,435 m) noch billiger herstellen. Man unterscheidet hiernach Nebenbahnen mit normaler Spurweite und Schmalspurbahnen. Weitere Ersparnisse werden durch erleichterte Abänderungen der betriebsreglementarischen und bahnpolizeilichen Bestimmungen herbeigeführt. Es kommen hierbei namentlich die Vorschriften über Absperrungen, Signalvorrichtungen, Bahnhofseinrichtungen, Einstellung von Schutzwagen und manche andre Bestimmungen für die Betriebssicherheit in Betracht, welche für Nebenbahnen nicht in gleichem Umfang im Bedürfnis liegen.
Auch in den Vorschriften über den Eisenbahnbetrieb, namentlich in Bezug auf die Verpflichtungen gegen andre Staatsverwaltungen, die Erteilung des Expropriationsrechts etc., pflegt die Befreiung von allen lästigen Verpflichtungen einzutreten. Endlich ist das Entstehen eines größern Lokalbahnnetzes auch von dem Verlassen des bisherigen Systems der Beschaffung der erforderlichen Baumittel abhängig. Die zur Verzinsung des Anlagekapitals erforderlichen Summen sind möglichst dadurch zu verringern, daß ein Teil des Anlagekapitals für Zinsen und Amortisation gar nicht (à fonds perdu) oder mit einer geringern als der marktgängigen Quote oder erst dann in Betracht kommt, nachdem der Verzinsungs- und Amortisationsbetrag für das eigentliche Grundkapital vollständig abgeführt ist. Zu solchen Subventionen werden in erster Linie diejenigen Personen und Verbände herangezogen, welche an dem Zustandekommen der Bahn ein besonderes Interesse haben, sodann die Stadtgemeinden, Kreise [* 3] und Provinzen. Sind von dieser Seite ernste und erfolgreiche Anstrengungen gemacht worden, dann tritt auch für den Staat die Verpflichtung heran, das Zustandekommen des Baues zu sichern.
In Deutschland [* 4] ist auf denjenigen Gebieten des Eisenbahnwesens, auf welche sich die unmittelbare Einwirkung des Reichs bis jetzt im wesentlichen erstreckt, eine generelle Regelung des Nebenbahnwesens eingetreten. Eine unterm erlassene »Sicherheitsordnung für normalspurige Eisenbahnen untergeordneter Bedeutung« setzte eine Anzahl erleichternder Bestimmungen fest. Ferner sind durch die vom Bundesrat beschlossene »Bahnordnung für deutsche Eisenbahnen untergeordneter Bedeutung« vom allgemeine Bestimmungen getroffen, welche für normal- und schmalspurige Bahnen untergeordneter Bedeutung beim Innehalten einer Fahrgeschwindigkeit von 30 km pro Stunde wichtige Erleichterungen zulassen und außerdem noch weitere Erleichterungen für den Fall gewähren, daß die Maximal-Geschwindigkeit auf 15 km pro Stunde ermäßigt wird.
Für besondere Fälle ist die Gestattung weiterer Abweichungen dem gemeinsamen Ermessen der Landesaufsichtsbehörden und des Reichseisenbahnamtes vorbehalten. Die unmittelbare Fürsorge für die Förderung des Lokalbahnbaues durch Aufstellung der Baupläne und Konzessionierung oder staatsseitige Ausführung der Linien steht bei der im Reich bestehenden Abgrenzung der staatsrechtlichen Befugnisse den Einzelstaaten zu. Während in einzelnen Staaten eine generelle gesetzliche Regelung des Sekundärbahnwesens und der zur Entwickelung desselben staatsseitig zu gewährenden Hilfe als zweckmäßig erachtet ist (Bayern) [* 5] und andre Länder (Mecklenburg) [* 6] gewisse allgemeine Normen für die Gewährung staatlicher Beihilfen festgesetzt haben, sind die meisten übrigen deutschen Staaten dahin vorgegangen, von Fall zu Fall eine fördernde Einwirkung des Staats auf die Entwickelung des ¶
Nebenbahnwesens eintreten zu lassen. In Preußen [* 8] ist das Maß der den Privatbahnen [* 9] für den Bau der Nebenbahnen zu gewährenden Erleichterungen durch »Normalkonzessionsbedingungen« (zum Teil durch Gesetz) festgestellt worden. Mit dem Ausbau der Nebenbahnen ist in Deutschland Mitte der 70er Jahre begonnen worden; seitdem hat derselbe einen beträchtlichen Aufschwung genommen. Seit 1880 ist die Länge der im Betrieb befindlichen Hauptbahnen nahezu unverändert geblieben, und die inzwischen eingetretene Zunahme des Bahnnetzes fällt wesentlich auf Rechnung der Nebenbahnen. Während die Nebenbahnen 1881 nur 10 Proz. des gesamten Netzes ausmachten, war die Länge 1886 schon auf 22 Proz. gestiegen.
Sie betrug im mittlern Durchschnitt des genannten Jahrs rund 6660 km normalspurige und etwa 350 km schmalspurige Nebenbahnen. Die Gesamtzunahme hatte 1881-86 nur 36 km bei den Hauptbahnen, dagegen 2982 km bei den Nebenbahnen betragen. Während die Baukosten der Hauptbahnen sich etwa auf 260,000 Mk. durchschnittlich für das Kilometer Betriebslänge stellten, betrug das Anlagekapital für das Kilometer der vollspurigen Nebenbahnen nur etwa 85,000 Mk. und dasjenige der schmalspurigen Nebenbahnen sogar nur 53,000 Mk. für das Kilometer. Das geringste Anlagekapital hatten unter den vollspurigen Nebenbahnen die Parchim-Ludwigsluster Eisenbahn mit 26,500 Mk. und unter den schmalspurigen Nebenbahnen die Brohlthalbahn mit nur rund 18,000 Mk. für das Kilometer.
Was das Ausland betrifft, so ist in Österreich [* 10] durch ein Gesetz vom die Regierung ermächtigt worden, bei Konzessionierung neuer Lokalbahnen in Bezug auf die Vorarbeiten, den Bau und die Ausrüstung alle thunlichen Erleichterungen zu gewähren und auch in Bezug auf den Betrieb, die Tarife etc. von den für Vollbahnen bestehenden Bestimmungen Beschränkungen eintreten zu lassen. Die Wirksamkeit dieses Gesetzes, dessen Dauer ursprünglich nur bis Ende 1884 bestimmt war, wurde 1885 verlängert. 1887 fanden Verhandlungen zum Erlaß eines neuen Gesetzes statt. Die Regelung des ungarischen Lokalbahnwesens gründet sich auf ein Gesetz vom Mai 1880.
In Frankreich ist die Gesetzgebung für den Bau der Nebenbahnen zuerst durch ein Gesetz vom thätig gewesen, welches 1880 durch ein neues Gesetz ersetzt wurde. Das neue Gesetz (vom behält die Ausführung aller Lokalbahnen unter Bedingung eines vom Staatsrat festgesetzten »Normalbedingnishefts« der Genehmigung durch die gesetzgebenden Körper vor, nachdem die Tracen, die Art der Bauausführung und die sonstigen Spezialien zuvor von den Departements und Generalräten (beziehungsweise bei Bahnen im Bezirk einer und derselben Gesellschaft von den Gemeinderäten) festgestellt sind.
Die Bahnen können zu jeder Zeit von dem departementalen oder kommunalen Besitz losgetrennt und mit dem Staatseigentum durch Gesetz vereinigt werden, in welchem Fall der Staat in alle Rechte und Pflichten der Departements und Gemeinden eintritt. Bei Anlage einer Lokalbahn kann in dem Fall, daß die Roheinnahmen zur Deckung der Betriebsausgaben und zur Bezahlung von 5 Proz. des Anlagekapitals nicht ausreichen, der Staat sich verpflichten, die Mindererträge zum Teil durch Subvention und unter der Bedingung zu decken, daß mindestens gleich hohe Summen seitens der Departements oder Gemeinden (mit oder ohne Beihilfe der Interessenten) gezahlt werden. Die Betriebsergebnisse der französischen Nebenbahnen waren bisher nicht sehr günstig, da die Anlage- und Betriebskosten ungewöhnlich hoch und die Einnahmen verhältnismäßig niedrig waren, wie sich aus nachstehender, dem Stande des Jahrs 1885 entsprechender Übersicht der Betriebsergebnisse ergibt. Es betrugen:
für das Kilom. das Anlagekapital | die Betriebseinnahme | Betriebsausgabe in Proz. d. Einnahme | |
---|---|---|---|
in Frankreich | 128935 Mk. | 6123 Mk. | 81 |
in Deutschland | 84200 " | 9406 " | 66 |
In Italien [* 11] wurde die Regierung durch ein Gesetz vom über den Bau neuer Bahnen zur Vervollständigung des italienischen Bahnnetzes verpflichtet, bis Ende 1900 mit einem Gesamtaufwand des Staats von 1260 Mill. Lire, welchem ein Beitrag der bei dem Bau der einzelnen Bahnen beteiligten Provinzen von 169 Mill. Lire hinzutritt, 6020 km neue Eisenbahnen zu bauen. Unter diesen 6020 km neuen Bahnen befinden sich 1153 km Hauptlandesbahnen und 1267,3 km interprovinziale Linien, ferner 2069,7 km Lokalbahnen von größerm allgemeinen Interesse und 1530 km Bahnen von rein lokalem Interesse. Besondere Bedeutung haben in Italien die Dampfstraßenbahnen (tramvie a vapore) erlangt, von denen 1886 bereits 1800 km im Betrieb waren.