Titel
Indische
Sprachen nennt man im weitern
Sinne die ganze beträchtliche Anzahl der in
Vorderindien einheimischen
Sprachen,
welche in folgende vier Sprachen
gruppen zerfallen:
1) die dravidische
Sprache
[* 2] im
Süden, 2) die kolarische, meist in Centralindien (s.
Dekanische Sprachen), 3) die
tibetische und 4) die arische oder indogermanische in den Himalajaländern. - Im engern
Sinne versteht die Wissenschaft unter
I. S. nur die der arischen Gruppe angehörigen Idiome. Hierzu gehören das Sanskrit (s. d.),
Prākrit (s. d.), Pāli (s. d.),
sämtlich mit sehr reicher Litteratur (s.
Indische Litteratur). Aus dem 3. Jahrh.
v. Chr. sind in den Felsen-
und Säuleninschriften des Königs
Açoka (s. d.) die ersten
Denkmäler mehrerer Volkssprachen
erhalten. Erst vom 12. Jahrh.
n. Chr. an treten die neuindischen
Sprachen in der Litteratur hervor. Sie sind im Gegensatz zu den alten in ihrem ganzen
Bau
analytisch. Die
Casus und die
Beziehungen des Ortes, der Zeit und der Art und
Weise werden durch lose angehängte
Suffixe bezeichnet. Die Konjugation hat fast nur
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mehr
noch zusammengesetzte Formen, wie «ich bin gehend» für «ich gehe». Den Wortschatz der neuind. Sprachen teilen die einheimischen Grammatiker in drei Klassen: die tatsamās, d. i. die identisch mit dem Sanskrit sind, die tadbhavās, d. h. die ihren Ursprung im Sanskrit haben, und die deçyās oder deçajās, d. h. die Provinzialworte, die zwar fast alle auch arischen Ursprungs sind, aber sich nicht von einer Sanskritwurzel ableiten lassen oder vom Sanskrit abweichende Bedeutungen oder Suffixe haben. Naturgemäß ist die zweite Klasse, welche die Masse des prakritischen Elements darstellt, bei weitem die zahlreichste. - Man pflegt sieben Sprachen auszusondern, welche sich aus dem Prākrit in ganz analoger Weise wie die roman. Sprachen aus dem Vulgärlatein gebildet haben:
1) Pandschabi (s. d.) im Nordwesten, 2) Sindhi (s. d.) am untern Indus, 3) Gudschrati (s. d.), die Sprache der Halbinsel Gudschrat und der Parsen, 4) Mahrati (s. d.), von der Küste von Bombay [* 4] bis nach Radschputana, 5) Hindi (s. d.) in Radschputana und dem ganzen Gebiet zwischen Himalaja, Windhja, dem Satladsch und dem Gangesdelta, in zwei Gruppen, dem eigentlichen Hindi bis etwa Benares, von da an Bihari, 6) Bangali (s. Bengalische Sprache und Litteratur), die Sprache Bengalens und 7) Uria (s. d.), die Sprache Orissas. - Das Hindustani (s. d.), die verbreitetste Sprache des heutigen Indiens, ist ein Hindidialekt mit starken pers.-arab. Beimischungen. Auch die Sprache der Zigeuner (s. d.) ist als ein neuind. Idiom zu betrachten. - Außer diesen sind namentlich noch zu nennen: im Nordosten Asami und die nördl. Gruppe: Nepali, Kamarni, Garhvali, Dogri, Kaschmiri und die Sprachen der Dardu und Kahirs, mit denen die Sprache der Zigeuner am nächsten verwandt ist. Zu den arischen Sprachen gehören auch die meisten Sprachen des Hindukusch.
Vgl. Beames, A comparative grammar of the modern Aryan languages of India (3 Bde., Lond. 1872-79);
Leitner, The languages and races of Dardistan (2. Aufl., Lahore 1877): Cust, A sketch of the modern languages of the East Indies (Lond. 1878);
Hörnle, A comparative grammar of the Gandian languages (ebd. 1880);
Biddulph, Tribes of the Hindoo Koosh (Kalkutta [* 5] 1880);
Leitner, The Hunza and Nagyr Handbook (2. Aufl., Woking 1893).