Illgraben
oder Hœllengraben (Kt. Wallis, Bez. Leuk). 2724-850 m. Mächtiger Erosionszirkus, am N.-Hang des Illhorns (2724 m) und links vom Rhonethal, 6 km osö. Siders. 2,5 km breit und 3 km lang. Elisée Reclus nennt ihn eines der schlagendsten Beispiele für die langsame aber grossartige Arbeit der Abtragung der Alpen und vergleicht ihn mit den Krateren der grössten Vulkane. Der nach N. abfliessende Wildbach (Illbach) hat durch rückwärtsschreitende Erosion die Berghänge gegen W. immer weiter und tiefer angefressen und so bis heute einen riesigen Fächer aus ihnen herausgearbeitet.
Die sehr leicht verwitterbaren triasischen Dolomitkalke sind hier bis auf den unterliegenden Gips des
Corbetschgrates abgetragen,
der nun eine hohe
Wand bildet, längs welcher der
Wildbach mit allen seinen Schuttmassen nach NO. seinen Ausgang sucht.
Die den
Illgraben
umfassenden Felswände sind im Mittel nicht weniger als 1500 m hoch. Nach oben greift der Zirkus
immer weiter auf die obern Gehänge der im
Eifischthal liegenden Gemeinde
Chandolin über, während der Bach unten im
Rhonethal
gegenüber
Leuk einen mächtigen Schuttkegel aufgeschüttet und die
Rhone auf eine Länge von mehr als 5 km an den gegenüberliegenden
Gebirgsfuss gedrückt hat.
Dieser im Maximum bis etwa um 200 m über die mittlere Höhe der Thalsohle sich erhebende Schuttkegel kann in 3 Abschnitte geteilt werden: den mit Aeckern und Wiesen bedeckten O.-Abschnitt, den W.-Abschnitt, der den obern Teil des vorzugsweise aus Föhren bestehenden Pfinwaldes (Bois de Finges) trägt und endlich den untern Abschnitt mit seinen von der Rhone z. T. weggeschwemmten und bis gegen Siders hin verschleppten Fels-, Kies- und Sandmassen. Dieses ganz mit Felsblöcken übersäte Thalstück, durch welches der Fluss in zahlreichen Schlingen und Verzweigungen seinen Weg sucht, zeugt deutlich von dem langen Kampf zwischen dem Thalstrom und dem ihm in die Seite fallenden gefährlichen Wildbach.
Der gewöhnlich unansehnliche Illbach verwandelt sich beim kleinsten Regenfall in eine einzige gelbe Schlammmasse, die ihr
Bett hier vertieft und dort auffüllt, die Brücken mit sich reisst, mächtige Felsblöcke von oben herab bringt und
auch die
Wasser der
Rhone bis zu ihrer Mündung in den
Genfersee trübt. Der
Wildbach hat früher durch Stauung
der
Rhone zu vielen Malen stagnierende Wasserbecken und auch die oberhalb
Agaren gelegene melancholische Sumpfgegend der sog.
Seufzermatte geschaffen. Auf dem Gipfel des
Illhorns steht man unvermittelt am
Rande des Illgrabens:
«schwindelnde
Tiefe gähnt
herauf, und wir dürfen keinen Schritt weiter wagen, ohne zu befürchten, über die bei 2000 m hohe,
senkrechte, gelbgraue Steinwand hinabzustürzen. Es ist dies wohl der
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schauerlichste Krachen der Alpen, ein Werk fortwährender Zerstörung. Kein Halm, kein Baum vermochte im ganzen weiten Illgraben
Wurzel zu fassen! Rechts unten schimmert, ein lieblicher Kontrast, der meerfarbige Spiegel des Illsees, und von ihm weg zieht
sich ein frischgrünes Thal zur Tiefe, dessen Mitte, kaum sichtbar, ein Silberstreif, der Illbach, durchschlängelt...»
(Wolf, F. O. Die Thäler von Turtman und Eifisch in Europ. Wanderbilder. 108-110).