Idyll
(griech. Eidyllion
, »kleines
Bild«, gewöhnlich Idylle
, auch
Ekloge,
Hirten- oder bukolisches Gedicht genannt), in der
Poetik die dichterische
Darstellung
eines heitern und glücklichen Gemütszustandes als eines unmittelbar gegenwärtigen. Durch letztern Umstand unterscheidet
sich das I. von der
Elegie (s. d.), welche zwar auch ein
Glück, aber als entschwundenes schildert. Das I. kann sowohl
in lyrischer als in epischer oder dramatischer Form auftreten, je nachdem der Dichter sein eignes oder fremdes
Glück beschreibt,
oder das letztere durch die Glücklichen selbst beschreiben läßt. M.
Claudius' bekanntes
»Ich bin vergnügt, im Siegeston
verkünd' es mein Gedicht« ist ein lyrisches,
Voß'
»Luise« ein episches, Theokrits und Vergils Hirtengedichte
sind dramatische Idylle.
Der
Name
Hirten-,
Schäfer- oder bukolisches Gedicht kommt daher, weil höfischen
Zeitaltern und höfischen
Dichtern, wie es das Augusteische und Vergil waren, das »Hirtenleben« für
das vorzugsweise glückliche
¶
mehr
galt, wie noch heute in Alpenidyllen
und Dorfgeschichten Älpler und Bauern in einer Verklärung prangen, gegen welche die
Wirklichkeit weit zurücksteht. Voß hat in der »Luise« das deutsche Pastoren-, Jean Paul im »Schulmeisterlein Wuz« das Schulmeisterleben
als I. dargestellt. In der bildenden Kunst entspricht dem I. das heitere Genre- und das idyll
ische Landschaftsgemälde,
in der Musik das sogen. Pastorale. Die ältesten Spuren des Idylls
finden sich bei den Hebräern (Buch Ruth) und den Indern (die
Schilderung des Priester- und Einsiedlerlebens in der »Sakuntala«); unter den Griechen haben Theokrit, Bion und Moschos, unter
den Römern besonders Vergil (»Eklogen«),
unter den Neuern Italiener (Schäferdrama; Guarinis »Pastor fido«),
Spanier (Schäferdrama; Cervantes, Montemayor, Garcilaso de la Vega),
Portugiesen (Camoens, Rodriguez Lobo),
Franzosen (Ronsard, Marot, Fontenelle, Madame Deshoulières, Gresset, Bernardin de Saint-Pierres »Paul u. Virginie«, Chateaubriands »Atala« etc.),
Holländer (Loosjes),
Schweden
[* 3] (Lindner) und Dänen (Öhlenschläger) Idyll
endichter aufzuweisen. Unter den Deutschen
kultivierten das Schäfergedicht Geßner, das epische J. Voß (»Luise«, »Der siebenzigste Geburtstag«),
Eberhard (»Hannchen und die Küchlein«),
Baggesen (»Parthenais«),
Kosegarten (»Jukunde«),
Ulrich Hegner (»Die Molkenkur«),
Maler Müller
u. a. Goethes »Hermann und Dorothea« ist durch den welthistorischen Hintergrund viel mehr Epos als I. Moderne Idylle
sind Immermanns
klassischer »Oberhof«, die Dorfgeschichten von Auerbach,
[* 4] M. Meyr, Rank, Herm. Schmid u. a.