Ideal
,
im objektiven
Sinn s. v. w. verwirklicht gedachte objektive, d. h. allgemein
gültige
Idee (s. d.).
Da es nun logische, ästhetische und sittliche
Ideen, d. h. unbedingt gültige Musterbilder für das
Denken,
Schaffen und
Wollen, gibt, so gibt es dem entsprechend auch logische, ästhetische und sittliche Ideale.
Logisches I.
ist die
Wahrheit, ästhetisches die
Schönheit, sittliches die
Tugend. Da jedoch sowohl das
Denken als das
Schaffen und
Wollen
in sich ein vielfaches (das
Denken z. B. ein apriorisches oder aposteriorisches, das
Schaffen ein musikalisches,
bildnerisches oder
poetisches, das
Wollen ein vereinzeltes oder ein Gesamtwollen) ist, so ist es auch das entsprechende I.
Daher ist die
Wahrheit (das logische I.) sowohl apriorisches als aposteriorisches
Wissen (Vernunftwissenschaft;
Erfahrungswissenschaft); die
Schönheit (das ästhetische I.) sowohl musikalische als bildnerische und poetische
Schönheit
(vollkommenes
Ton-,
Raum- und Gedankengebilde); die
Tugend (das sittliche I.) sowohl
Privat- als Gesamttugend (der vollkommene
Charakter; die vollkommene
Gesellschaft). Je nachdem das bildnerische I. bloß durch seine Verhältnisse, oder nur durch
Beleuchtung
[* 2] und Färbung seiner
Flächen, oder nur durch seine körperliche Form als vollkommen erscheint, gliedert
es sich in das architektonische, malerische und plastische I. Am nächsten dem letztern kommt die menschliche Gestalt und
zwar die der sogen. kaukasischen
Rasse, daher deren
Darstellung Hauptaufgabe für die bildende
Kunst bleibt. Da jedoch dieselbe
je nach
Geschlecht, Altersstufe etc. verschieden ist, so zerfällt das plastische
I. wieder in ein männliches, weibliches,
Kindes-,
Jünglings-,
Jungfrauen-,
Mannes-,
Frauen- und Greisenaltersideal
(Apollon
[* 3] von
Belvedere;
Venus von
Melos;
Eros;
[* 4]
Juno der
Villa
Ludovisi; Farnesischer
Herakles;
[* 5]
Zeus
[* 6] von
Otricoli;
Laokoon).
Durch die Vereinigung der
Formen verschiedener
Geschlechter oder einander ausschließender Entwickelungsstufen in derselben
Gestalt werden neue Ideale
erzeugt (Hermaphrodit; geschlechtslose Engelsgestalten; die jungfräuliche
Mutter; das »göttliche«
Kind, vgl.
Raffaels Madonnen und das Christuskind der Sixtina). Im subjektiven
Sinn ist I. die gedachte Verwirklichung einer
subjektiven, d. h. nicht notwendig allgemein gültigen, sondern in ihrer Geltung räumlich,
zeitlich oder individuell beschränkten,
Idee. In diesem
Sinn wird jedem dasjenige zum I., was ihm auf
seinem Standpunkt als wahr, schön und gut erscheint.
Dasselbe ergibt sich sodann je nach dem
Grad seiner geistigen (logischen, ästhetischen oder ethischen) Befähigung. In diesem
Sinn pflegen
Menschen unter gleichen Lebensverhältnissen (gleichen
Geschlechts,
Alters,
Standes,
Berufs, gleicher Abstammung,
Erziehung und
Ausbildung) gleiche Ideale
zu haben und mit dem
Wechsel derselben gleichfalls zu wechseln.
Als Adjektiv bezeichnet ideal
(ideell oder idealisch) den
Gegensatz zu real und ist also s. v. w. vorgestellt, gedacht, alles,
was nicht außer uns wirklich existiert, sondern bloß subjektiv, bloße Meinung,
Ansicht ist.
Daher werden die
Vorstellungen
und Erkenntnisse des menschlichen
Geistes nebst allem damit in
Verbindung Stehenden
(Wissen,
Glauben,
Meinen,
Ahnen,
Begehren, Verabscheuen,
Wollen,
Hoffen,
Wünschen etc.) ein Ideales
als
Gegensatz zum
Realen genannt.