Humuspflanzen
(Saprophyten,
Fäulnis-,
Verwesungspflanzen), von verwesenden
Stoffen des Erdbodens lebende
Gewächse, die
jedoch nicht wie die
Parasiten oder
Schmarotzerpflanzen
[* 2] (s. d.) eine schmarotzende Lebensweise führen. Sie zerfallen
in die beiden
Gruppen der bleichen, chlorophyll- und laubblattlosen echten Humuspflanzen
(Holosaprophyten) und der
grünen
Verwesungspflanzen (Hemisaprophyten). Von erstern sind etwa 160
Arten aus 43
Gattungen der
Orchideen,
[* 3]
Burmanniaceen, Triuriaceen,
Monotropeen und
Gentianeen bekannt.
Vorwiegend verbreitet sind die Humuspflanzen
in feuchtheißen, dunkeln Urwäldern der amerikanischen und asiatischen
Tropenländer (so besonders die
Burmanniaceen und Triuriaceen), spärlich dagegen in
Afrika
[* 4] und
Australien;
[* 5] in den nördlichen
Ländern leben nur saprophytische
Orchideen und
Monotropeen, letztere der
Mehrzahl nach in
Nordamerika.
[* 6]
In den
Waldungen des
Malaiischen Archipels,
Westindiens und des äquatorialen
Südamerika
[* 7] finden sich die Humuspflanzen
in solcher
Menge, daß
sie als Vertreter der
Schwämme
[* 8] erscheinen, welche daselbst nur spärlich entwickelt sind.
Einen sonderbaren Standort hat sich eine Sciaphila am
Rio Negro
[* 9] auf Termitenhaufen gewählt. Als einheimische Vertreter der
Humuspflanzen
, die ebenfalls im tiefsten Waldesdunkel wachsen, sind die mit vogelnestähnlichem Wurzelgewirr ausgestattete,
lichtbraun gefärbte Nestwurz (Neottia Nidus avis), die durch ein korallenstockähnliches
Rhizom
[* 10] ausgezeichnete, blaßgrünliche
Korallenwurz (Corallorhiza innata), das im
Moder des Fichtenwaldes mit korallenartigem
Wurzelstock und
fadenförmigen, am Ende knollenartig anschwellenden
Ausläufern wachsende Ohnblatt (Epipogon aphyllum), dessen große
Blüten
einen starken
Duft verbreiten, sowie endlich der bleichgelbe, mit Schuppenblättern besetzte,
oben eine nickende Blütentraube
tragende Fichtenspargel (Monotropa Hypopitys) zu nennen. Mit Ausnahme letzterer
Pflanze enthalten alle
diese
Gewächse nach den Untersuchungen von
Wiesner
Spuren von
Chlorophyll, oder letzteres wird, wie bei Neottia, durch einen
andern
Farbstoff verdeckt, so daß also ihre Abstammung von chlorophyllhaltigen
Formen kaum zweifelhaft erscheinen
kann.
Unter den chlorophyllführenden
Pflanzen mit ausgebildeten grünen Laubblättern ist neuerdings der Wachtelweizen (Melampyrum
pratense) als wahre Humuspflanze
erkannt worden, wodurch insofern ein merkwürdiger Übergang zu den
Schmarotzerpflanzen hergestellt wird, als die genannte
Pflanze in
Zersetzung begriffene Pflanzenteile, wie abgestorbene Baumwurzeln,
vermoderte Blattteile und Moosstämmchen, mit zangenartig gestalteten Saugorganen
(Haustorien) umklammert und
Nährstoffe damit
aufsaugt.
Die mit Melampyrum nahe verwandten Klappertopfarten (Rhinanthus) leben nach Koch als echte Wurzelparasiten, sind jedoch im stande, vorübergehend auch saprophytische Ernährung anzunehmen, indem sie mit ihren Haustorien gelegentlich, und zwar gegen das Ende der Vegetationsperiode häufiger, abgestorbene Gewebereste statt lebender Wurzeln ergreifen. Kerner v. Marilaun vermutet, daß auch eine große Zahl von Blattgrünpflanzen humusreicher Wiesen, ferner die Bewohner des schwarzen, graphitartigen Bodens in Mulden des Hochgebirges und eine Reihe von Moorpflanzen, die sich sämtlich schwer oder gar nicht kultivieren lassen, sich direkt von organischen Stoffen zu ernähren vermögen.
Bei allen echten Humuspflanzen
fehlen die entwickelten
Laubblätter, an deren
Stelle kleine
Schuppen auftreten.
Ihre oberirdischen Teile
sind häufig auffallend (gelb, violett, bläulich etc.) gefärbt, was nach
Johow den
Zweck erhöhter Augenfälligkeit des Blütenschauapparats haben soll. Der oberirdische
Stengel
[* 11] ist fast immer sehr
einfach, jedoch gibt es auch einige kletternde und starkverzweigte Humuspflanzen
in
Australien und
Java. Die unterirdischen Teile bestehen
entweder aus zahlreichen cylindrischen
Wurzeln (Monotropa) oder aus
Rhizomen, deren
Wurzeln mehr oder weniger
verkümmert sind und auch fehlen können (wie bei der einheimischen Corallorhiza und bei Epipogum).
Die
Wurzelstöcke sind einfach, ungeteilt und knollenförmig oder verzweigt oder haben die gewöhnliche Cylindergestalt;
besonders charakteristisch erscheint der korallenförmige oder vogelnestartige
Typus derselben. Die
Wurzelhaare fehlen in den
meisten
Fällen, die Wurzelrinde ist dagegen mächtig entwickelt.
In den Rhizomrindenzellen der meisten
Humuspflanzen
sind Wucherungen von
Wurzelpilzen schon seit den
Zeiten
Schleidens und
Schachts bekannt; auch die
Wurzeln von Monotropa sind
mit einem ektotrophischen Pilzmantel umgeben (s. den Art.
Mycorhiza, Bd. 17). Den
Pilzen kommt hierbei nach
Frank die Aufgabe
zu, die Erschließung des Humusstickstoffs zu bewirken, was die phanerogame
Pflanze
an sich nicht zu leisten
vermag.
An den Blättern und Stengelteilen der echten Humuspflanzen
fehlen dem entsprechend auch die
Spaltöffnungen; merkwürdigerweise finden
sich dieselben aber an den
Rhizomen von Epipogon und an den grünen Blattpartien von Limodorum abortivum, während die rotgefärbten,
übrigen Teile dieser
Orchidee die genannten
Organe entbehren. Das Fehlen derselben wird durch den Mangel
an Assimilationsparenchym bedingt und beweist die Unfähigkeit solcher
Pflanzen, die
Kohlensäure der
Luft unter Lichteinfluß
zu zersetzen. Das mechanische, der Festigung dienende
System des
Stengels ist bei mehreren
Arten (z. B. Voyria tenella, Gymnosiphon
tenellus) ganz außerordentlich schwach entwickelt. Sämtliche bekannte Humuspflanzen
besitzen,
ähnlich wie die
Schmarotzerpflanzen, sehr kleine, ungegliederte Embryonen, eine
Erscheinung, die wohl als Rückbildung aufzufassen
ist. Die Triuriacee Sciaphila
¶
mehr
hat, wie auch die Burmanniaceen, Samen [* 13] mit Endosperm; die Gentianee Voyria ist durch völlig nackte, d. h. integumentlose, Samenknospen ausgezeichnet, weshalb die Samenschale sich bei ihr aus dem Knospenkern (Nucellus) bilden muß; auch haben die Samenknospen den Bau eines anatropen Ovulum ohne die sonst eintretende Wachstumskrümmung eines solchen, eine Eigentümlichkeit, die bisher nur von der parasitischen Balanophora bekannt ist.
Vgl. Koch, Über die direkte Ausnutzung vegetabilischer Reste durch bestimmte, chlorophyllhaltige Pflanzen (in: »Berichte der Deutschen botanischen Gesellsch.«, Bd. 5, 1887);
Derselbe, Zur Entwickelungsgeschichte [* 14] der Rhinanthaceen (Pringsheims Jahrbücher, Bd. 20, 1888);
Johow, Die chlorophyllfreien Humuspflanzen
Westindiens (das., Bd. 16, 1885);
Derselbe, »Die chlorophyllfreien Humuspflanzen
nach
ihren biologischen und anatomisch-entwickelungsgeschichtlichen Verhältnissen« (das.,
Bd. 20,1889).