Humor
(lat. Humor
) bedeutet ursprünglich
»Feuchtigkeit« und wird im metaphorischen
Sinn auf die (leichtblütige oder
schwermütige) Gemütsstimmung angewandt, welche nach der (längst verlassenen)
Galenischen
Ansicht von dem jeweiligen Mischungsverhältnis
der sogen. vier Hauptsäfte des
Organismus:
Blut, gelbe
Galle, schwarze
Galle und
Schleim, abhängig sein
sollte. Wie
Naturell und
Temperament (s. d.) den aus
Leicht- und Schwerflüssigem gemischten leiblichen, so drückt die Bezeichnung
Humor
(ital. umóre, franz. humeur, engl.
humour) einen aus
Spott über und
Mitleid mit unsersgleichen gemischten Gemütszustand aus.
Derselbe steht als gemischter dem reinen Gemütszustand (sowohl dem ungemischten
Spott, wie ihn das
Komische,
als der
Furcht und dem
Mitleid, wie sie das
Tragische erzeugt), als aus
Spott und
Mitleid gemischter dem aus
Achtung und
Furcht
gemischten Gemütszustand, der
Ehrfurcht, wie sie das
Erhabene einflößt, gegenüber.
Jean Paul hat daher den Humor
, eigentlich
dessen Gegenstand, das
Tragikomische, das »umgekehrte
Erhabene« genannt. Durch den Umstand, daß
Spott und
Mitleid nur unsersgleichen gelten, während
Furcht und
Ehrfurcht ein
Höheres voraussetzen, ist der Humor
mit der
Wirkung des
Komischen,
durch den Umstand, daß
Mitleid das
Leid eines
andern (und zwar ein solches, das uns ebensogut wie ihn
treffen kann: nil humani a me alienum) voraussetzt, mit jener des
Tragischen verwandt.
Mit jenem teilt er die
Neigung, »das
Erhabene in den
Staub zu ziehen«, mit diesem die Menschenliebe und die Rührung durch das
Unglück. Wie der
Spott (und
Witz) Verstandessache, so ist der Humor
Gemütssache. Der
Komiker gibt den
Thoren
dem Gelächter, der Tragiker den Unglücklichen dem
Mitleid preis; der Humorist
verlacht die
Thorheit und bemitleidet den
Thoren
(der
Narr im
»Lear«). In seinen
Augen ist die
Thorheit das Erbteil und Unglück der Menschheit, daher ihm das
Laster weniger eine
Verkehrung des
Willens als der Einsicht scheint.
Zugleich aber
weiß er sich selbst mit jenem Erbteil behaftet; in seinesgleichen, dem
Thoren, verlacht
und bemitleidet das humor
istische
Gemüt sich selbst. Der Humor
ist ein
»Lachen unter
Thränen«, ein
Spott, der dem
Spötter das
Herz zerreißt, der Gegenstand desselben, der tragikomische
Held, zugleich belachens- und bemitleidens-, ja unter Umständen
liebens- und bewundernswert
(Don Quichotte; Walt in den »Flegeljahren«; der Landprediger von
Wakefield).
Je nachdem in der
Stimmung die komische Seite, welche die
Furcht vor dem Unglück als
Thorheit, oder die tragische, welche die
Thorheit als Unglück faßt, vorherrscht, läßt sich ein guter (leichtblütiger) oder böser (schwermütiger) Humor
unterscheiden;
ersterer (Weltscherz) ist dem sanguinischen, letzterer
(Weltschmerz) dem melancholischen
Temperament verwandt.
Die
Auflösung des Humors
erfolgt entweder nach jener Seite hin in reine
Komik, welche die
Welt der
Thorheit und des Unglücks
als bloßen
Schein, die wirkliche
Welt für einen Ausbund von
Weisheit und
Glückseligkeit erklärt (optimistische Weltanschauung);
oder nach dieser Seite hin in reine Tragik, welche den (humor
istischen)
Glauben, daß das Unglück nur
Folge der menschlichen
Thorheit sei, für
Schein und die wirkliche
Welt für einen Ausbund von
Dummheit und Unseligkeit erklärt,
deren
Folge die menschliche
Thorheit sei (pessimistische Weltanschauung); niemals dagegen nach der Seite des
Erhabenen, denn
der Humor
ist »der Todfeind des
Erhabenen«.
Der Humor
kann auftreten in lyrischer Form (humoristische
Lyrik:
Heine),
in epischer (der humor
istische
Roman:
Cervantes,
Swift,
Sterne,
Goldsmith,
Smollet,
Fielding,
Dickens,
Thackeray,
Hippel,
Jean Paul,
Immermanns
»Münchhausen«) oder in dramatischer Form (die
»Alte
Komödie« des
Aristophanes,
Shakespeares
Lustspiele,
Goethes
»Jahrmarkt von Plundersweilern«,
Tiecks
Komödien).
Vgl. Jean Paul, Vorschule der Ästhetik; Bahnsen, Das Tragische als Weltgesetz und der als ästhetische Gestalt des Metaphysischen (Lauenb. i. P. 1877).