Hume
(spr. juhm), David, engl. Philosoph und Historiker, geb. zu Edinburgh, war erst Kaufmann und ging dann nach Frankreich, um unabhängig der wissenschaftlichen Ausbildung seines Geistes zu leben. Er wurde 1745 Führer des jungen geisteskranken Marquis von Annandale und sodann Sekretär [* 2] des Generals Saint [* 3] Clair auf dessen Expedition an die franz. Küste und der Gesandtschaftsreise nach Wien [* 4] und Turin, [* 5] nachdem seine Bewerbung um das Lehramt der Moralphilosophie zu Edinburgh am Widerstände der Geistlichkeit gescheitert war. 1749 kehrte er nach Schottland zurück und wurde 1752 Aufseher der Advokatenbibliothek in Edinburgh. Er begleitete 1763 den Grafen von Hertford als Gesandtschaftssekretär nach Paris, [* 6] war 1767-68 Unterstaatssekretär und zog sich dann nach Edinburgh zurück, wo er starb.
H.s erstes Werk, die psychol.-kritische Abhandlung «A treatise on human nature» (3 Bde., Lond. 1739-40; deutsch von Jakob, 3 Bde., Halle [* 7] 1790-91),
machte vollständig Fiasko. Erst die «Essays, moral and political» (Edinb. 1741; neue vermehrte Aufl., Lond. 1748; deutsch von Tennemann, Jena [* 8] 1793) begründeten seinen schriftstellerischen Ruhm. Später arbeitete er den ersten Teil seines Erstlingswerkes um und ließ ihn u. d. T. «Philosophical essays concerning human understanding» (Lond. 1748; 2. vermehrte Aufl. 1751),
1758 als «An enquiry concerning human understanding» (deutsch von Tennemann, Jena 1793, und von Nathansohn, Lpz. 1893) erscheinen. Weiter veröffentlichte er «An enquiry concerning the principles of morals» (Lond. 1751),
«Political discourses» (2 Bde., ebd. 1752) und die «Natural history of religion» (ebd. 1755). Seit 1752 wandte er sich geschichtlichen Forschungen zu. Er schrieb zunächst 1754-56 die Geschichte Englands seit der Thronbesteigung des Hauses Stuart, 1759 die des Hauses Tudor und 1761 die Darstellung der frühern Perioden. Das durch Klarheit der Sprache [* 9] und Auffassung ausgezeichnete Gesamtwerk erschien dann als «History of England from the invasion of Julius Cæsar to the revolution of 1688» (6 Bde., Lond. 1763; seitdem in zahlreichen Ausgaben und mit den Fortsetzungen von Smollet und Hughes; deutsch von Dusch, 6 Bde., Bresl. 1767-71). Nach seinem Tode erschienen seine Autobiographie (englisch von Adam Smith herausgegeben, Lond. 1777; lateinisch 1787), die meisterhaften «Dialogues concerning natural religion» (ebd. 1779; deutsch von Paulsen, Berl. 1876) und der Essay «On suicide and immortality of soul» ¶
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(Lond. 1783; deutsch von Paulsen, Berl. 1876). Seine gesammelten Werke erschienen in Edinburgh (1826) und London [* 11] (1856). Die beste Ausgabe seiner philos. Schriften ist die von Green und Grose (4 Bde., Lond. 1875). Eine deutsche Übersetzung von H.s nationalökonomischen Abhandlungen erschien von Niedermüller (Lpz. 1877).
Hume
ist der abschließende Geist des Zeitalters der Aufklärung in England und zeigt dessen größte spekulative
Vertiefung. In der theoretischen Philosophie ist seine Lehre
[* 12] der vollendetste Ausdruck der von Bacon und Locke eingeschlagenen
empiristischen und erkenntniskritischen Richtung: er verzichtet auf Grund der Untersuchungen von Locke und Berkeley auf jede
Übereinstimmung der menschlichen Vorstellungen mit einer vorausgesetzten absoluten Wirklichkeit und sucht
den Nachweis zu führen, daß alle Vorstellungen nur Verbindungen der ursprünglichen «Impressionen», der Wahrnehmungen des
äußern und des innern Sinnes, sind.
Die Beziehungen der Substantialität und der Kausalität, nach denen wir unsere Vorstellungen zu ordnen pflegen, sind ihm deshalb nur Erzeugnis einer sich immer gleich bleibenden Verfahrungsweise des Bewußtseins, das die seelischen Eindrücke teils gleichzeitig zur Vorstellung des Dinges (der Substanz), teils in fester Regelmäßigkeit ihrer zeitlichen Aufeinanderfolge zur Kategorie der Ursache und Wirkung (der Kausalität) zusammenschließt, sodaß von einer Wirklichkeit der Wahrnehmungen und Begriffe außerhalb unsers erkennenden Bewußtseins keine Rede sein kann.
Alle Wissenschaften haben deshalb nur so weit Gewißheit, als sie entweder das Verhältnis von Begriffen
demonstrativ entwickeln, wozu nur die Mathematik im stande sei, oder als sie die thatsächlichen Beziehungen äußerer oder
innerer Wahrnehmungen festhalten (empirische oder Erfahrungswissenschaften). Die Überzeugung von einer die Erfahrung hervorrufenden
und außerhalb unserer Vorstellungen bestehenden Wirklichkeit ist nicht beweisbar, sondern Sache des Glaubens.
Da Hume
die Geltung jeder die Erfahrung überschreitenden Metaphysik bestreitet, hat man ihn meistens als Skeptiker charakterisiert:
noch mehr aber geschah dies aus dem Grunde, weil er auf religionsphilos.
Gebiete lediglich den psychol. Gesichtspunkt geltend machte, die Religion aus dem innern Bedürfnis und dem
Vorstellungsmechanismus der Menschen ableitete und die so behandelten Lehren
[* 13] aller Religionen einer schonungslosen Kritik ihrer
moralischen Folgen unterzog. Die moralische Beurteilung selbst endlich gründet er auf die Wirksamkeit des moralischen Gefühls
in der Wertschätzung von Charakteren und Handlungen und entwickelt aus demselben die Reihe der Tugenden, die er in natürliche,
das Wohl des Einzelnen befördernde, und gesellige, der ganzen menschlichen Gesellschaft zugute kommende, einteilt. Lange
Zeit durch die kirchlichen Vorurteile seiner Landsleute zurückgesetzt, ist Hume
erst im 19. Jahrh.
auch in England in seiner bahnbrechenden Bedeutung gewürdigt worden, wozu die rückhaltlose Anerkennung, die ihm durch Kant
und die deutsche Philosophie zu teil wurde, nicht wenig beitrug.
Vgl. F. Hume
Jacobi, David Hume
über den Glauben, oder Idealismus und Realismus (Bresl. 1787);
Burton, Life and correspondence
of Hume
(2 Bde., Edinb. 1846 u. 1850);
Jodl, Leben und Philosophie David H.s (Halle 1872);
Pfleiderer, Empirismus und Skepsis in David H.s Philosophie (Berl. 1874);
G. von Gizycki, Die Ethik David H.s in ihrer geschichtlichen Stellung (ebd. 1878);
Meinong, Hume
-Studien (2 Tle., Wien 1877 u. 1882).
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