Titel
Humann
,
1) Jean Georges, franz. Staatsmann, geb. zu Straßburg [* 3] von armen Eltern, trat 1794 als Lehrling in eine Tabaksmanufaktur und gründete später ein eignes Geschäft, das bald einen großen Aufschwung nahm. Ihm hauptsächlich verdankt das Elsaß den Rhein-Rhônekanal. Als Anerkennung der uneigennützigen Dienste [* 4] erwählten ihn seine Mitbürger 1821 zum Mitglied der Deputiertenkammer, wo er sich der Opposition anschloß. Nach der Julirevolution wurde er im Oktober 1832 Finanzminister und führte zahlreiche Reformen ein. Es gelang ihm, die Einkünfte der Staatskasse zu vermehren, neue Verkehrsmittel ins Leben zu rufen; er schuf ein Gesetz über die Sparkassen, legte aber 1834 sein Amt nieder, als seine Absicht, die Konversion der Staatsrente durchzuführen, durch die Opposition seiner Kollegen vereitelt wurde. 1837 ernannte ihn Ludwig Philipp zum Pair, 1840 übernahm er zum zweitenmal das Finanzministerium. Die Parteiumtriebe in Frankreich, die bedeutenden Kosten für öffentliche Arbeiten, die Lasten des Militärbudgets und der Bau der ¶
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Eisenbahnen hinderten ihn aber, das Gleichgewicht [* 6] in den Finanzen herzustellen. Er starb in Paris. [* 7]
Vgl. Spach, Humann
, ministre
des finances (Straßb. 1872). -
Sein Sohn Theodor, geb. war 1864 bis September 1870 Maire von Straßburg, optierte dann für Frankreich und starb im Juni 1873 in Paris.
2) Karl, Ingenieur, geb. zu Steele in der Rheinprovinz, [* 8] war, nachdem er das Gymnasium absolviert, ein Jahr lang bei Eisenbahnbauten für die Bergisch-Märkische Eisenbahn praktisch thätig, bezog dann die Bauakademie zu Berlin, [* 9] mußte aber 1861 auf ärztlichen Rat seine Studien abbrechen, um im Griechischen Archipel Genesung zu suchen. Er hielt sich zunächst in Chios und Samos, später in Smyrna auf. In Samos stellte er bei dem dortigen Heratempel, einem im Altertum berühmten Heiligtum, auf Veranlassung von Strack in Berlin mit günstigem Erfolg seine ersten Ausgrabungen an. 1862 erhielt er von dem englischen Gesandten in Konstantinopel, [* 10] Sir Henry Bulwer, den Auftrag, dessen Palast auf einer Insel des Marmarameers auszubauen.
Als ihm 1864 seitens der türkischen Regierung der Antrag gemacht wurde, den Bau einer Eisenbahn von Jafa über Jerusalem
[* 11] zum Toten
Meer hin zu übernehmen, ging Humann
nach Palästina,
[* 12] nivellierte das Land und nahm eine Karte desselben auf.
Nach einem Ausflug in das Pharaonenreich kehrte er nach Konstantinopel zurück und wurde hier von Fuad Pascha mit der Aufgabe
betraut, Übergänge über den östlichen Balkan zu suchen, um später Verbindungswege zwischen den nördlich und südlich
vom Balkan liegenden Ebenen herzustellen.
Die Resultate dieser Untersuchungen legte er in einer detaillierten Karte des ganzen durchforschten Gebiets
nieder. Arbeiten ähnlicher Art förderte er auf zahlreichen teils im Auftrag unternommenen, teils privatim ausgeführten
Reisen, die ihm besonders zur genauern geographischen Erforschung eines großen Teils von Kleinasien Gelegenheit gaben. Obgleich
seine Verdienste um die Ortskenntnis jener Länder von fachmännischer Seite als epochemachend bezeichnet
werden, so ist doch Humanns
Name erst durch die von ihm veranlaßten und unter seiner Leitung zu Ende geführten Ausgrabungen
in Pergamon
[* 13] (1878-86) weithin bekannt geworden (s. Pergamon). Die Universität Greifswald
[* 14] verlieh ihm die Doktorwürde, und im
August 1884 wurde ihm in seiner Eigenschaft als Leiter der Ausgrabungen in Pergamon der Titel eines Direktors
am Berliner
[* 15] Museum beigelegt. Mit Conze u. a. gab er heraus: »Die Ergebnisse der
Ausgrabungen zu Pergamon« (Berl. 1880 u. 1882).