(lat.) heißen in der
Pädagogik die
Studien des klassischen
Altertums, die in der Zeit der Renaissance durch
den Einfluß der
Humanisten zum Mittelpunkte nicht nur der gelehrten, sondern auch der allgemeinen
Bildung
wurden, sodaß sie, gegenüber den Fachkenntnissen und der technischen Ausbildung in den einzelnen Wissenszweigen, die gemeinsame
Grundlage aller höhern und edlern Erziehung bildeten.
Ihre Berechtigung dazu liegt in der formal, sprachlich und logisch
bildenden Kraft
[* 2] der antiken
Sprachen und in dem Bildungsgehalt der griech. und röm.
Litteratur.
Diese Bedeutung wird ihnen immer gesichert bleiben, obgleich das geistige Leben der neuern Zeit ebenso eine Ausbildung des
naturwissenschaftlichen Beobachtens und des mathem.
Denkens als
Bestandteil der allem Fachstudium voranzuschickenden gemeinsamen
Bildung verlangt und in der schulmäßigen Behandlung der Muttersprache und der modernen
Sprachen teilweise einen Ersatz für
die altklassischen
Studien bietet. Diese moderne
Richtung der Geisteskultur hat zu der Spaltung der höhern Schulbildung in
zwei Linien, eine humanistische (Gymnasium) und eine realistische (Realschule, Oberrealschule, Realgymnasium), geführt,
deren Wiedervereinigung man in neuester Zeit durch die
Vorschläge für eine Einheitsschule versuchen will. (S. auch Gymnasium.)
(lat. humanitas, »Menschlichkeit«)
bedeutete schon bei den Alten, namentlich bei Cicero, vorzugsweise die harmonische Ausbildung der dem Menschen
als solchem eignen Anlagen des Gemüts und des Verstandes. Eine solche höhere und feinere Bildung des Geistes konnte in Rom
[* 5] nur
durch Vertrautheit mit den Werken der großen griechischen Dichter und Schriftsteller gewonnen werden. Daher nimmt schon bei
Cicero das Wort den Nebensinn der litterarisch-ästhetischen, also wesentlich formalen, Bildung an. Im Mittelalter
waren vollends die Überreste der altklassischen Litteratur, zumal der lateinischen, die einzige Quelle,
[* 6] aus welcher eine
solche Bildung zu schöpfen war.
Die von ihnen und unter ihrem Einfluß gegründeten Anstalten, in den meisten Fällen zugleich Pflegstätten der
Kirchenverbesserung,
blühten bis gegen Ende des 16. Jahrh., verfielen aber nach und nach einem geistlosen und
pedantischen Formalismus. Daher traten schon vom 16. Jahrh. an einzelne tiefer blickende Männer gegen den
einseitigen Humanismus polemisch auf, so Montaigne in Frankreich, Bacon in England, Ratich und Comenius in Deutschland. Auch die
pietistischen Kreise
[* 10] waren der ausschließlichen Herrschaft des Lateins in den Schulen und der einseitigen, dem wirklichen Leben
abgewandten Beschäftigung mit dem Altertum abgeneigt.
Aus den Anregungen A. Humanität Franckes (s. d.) und seiner Schüler gingen zuerst die Realschulen (s. d.) in Deutschland hervor, welche
im Gegensatz zu der rein sprachlichen und logischen (formalen) Bildung der Gymnasien eine reale Bildung durch Bekanntschaft
mit den Gegenständen und Vorgängen der Natur wie des wirklichen Lebenspflegen sollten. Die Philanthropen
in der zweiten Hälfte des 18. Jahrh. stellten sich ganz auf die Seite dieser realistischen
Bildung. Der durch sie hervorgerufene Streit zwischen Gymnasium und Realschule, humanistischer und realistischer Bildung dauert
noch fort und ist gerade neuerdings wieder heftiger entbrannt.
Doch fehlt es auch nicht an einer besonnenen Mitte, deren Vertreter anerkennen, daß die Bedürfnisse
des gegenwärtigen Lebens ihre Berücksichtigung zumal in der Naturwissenschaft und den neuern Sprachen verlangen und zwar für
gewisse Lebenskreise vorzugsweise, ohne daß sie darum den hohen Wert der klassisch-humanistischen Schulung für die Fähigkeit,
klar und gründlich zu denken und das klar Gedachte in edler Form wiederzugeben, sowie namentlich für
die Einsicht in den geschichtlichen Zusammenhang der Entwickelung des menschlichen Geistes verkennen.
Als Vorbild für diese Auffassung kann im wesentlichen auch heute noch Herder (besonders »Briefe zur Beförderung der Humanität«) gelten.
Weiteres s. Pädagogik. Die Hauptwerke über die Geschichte des Humanismus sind: Heeren, Geschichte des
Studiums der klassischen Litteratur (Götting. 1797-1802, 2 Bde.);
Erhard, Geschichte des Wiederaufblühens wissenschaftlicher
Bildung (Magdeb. 1827-1832, 3 Bde.);
G. Voigt, Die Wiederbelebung des klassischen Altertums (2. Aufl., Leipz. 1880-81);