Titel
Hübner
,
Leipzig

* 3
Leipzig.1) Johann, deutscher Pädagog und Schriftsteller, geb. zu Türchau bei Zittau, [* 2] studierte seit 1689 in Leipzig [* 3] und habilitierte sich schon 1691 daselbst für Geographie und Geschichte. Im J. 1694 wurde er Rektor des Gymnasiums in Merseburg [* 4] und 1711 Rektor des Johanneums in Hamburg, [* 5] wo er starb. Seine Schriften über Geographie und Geschichte wirkten zu ihrer Zeit anregend. Seine »Kurzen Fragen aus der alten und neuen Geographie« (zuerst 1693) erlebten 36 Auflagen und wurden in viele Sprachen übersetzt.
Ein besonderes Verdienst um den geographischen Unterricht erwarb er sich durch die von ihm in Verbindung mit Homann in Nürnberg [* 6] veranstalteten Schulatlanten und Landkarten. [* 7] Er war auch Mitherausgeber des für die damalige Zeit wertvollen »Realen Staats-, Zeitungs- und Konversations-Lexikons« (Leipz. 1704). Seine »Zweimal 52 auserlesenen biblischen Historien« (zuerst Leipz. 1714; in 107. Aufl. von Lindner für unsre Zeit verbessert, 1859) begründeten in den Schulen Deutschlands [* 8] erst allgemein den schon von J. Gesenius angestrebten gesonderten Unterricht in der biblischen Geschichte. - Sein Sohn Johann, gest. als Advokat in Hamburg, wirkte als Schriftsteller im Geist seines Vaters fort.
Ölsäure - Olshausen

* 9
Öls.2) Julius, Maler, geb. zu Öls [* 9] in Schlesien, [* 10] besuchte seit 1821 die Kunstakademie zu Berlin, [* 11] wurde 1823 Schüler W. Schadows und folgte diesem 1826 nach Düsseldorf. [* 12] Im J. 1828 trat er mit einem Fischer nach Goethes Ballade hervor, woran besonders die Schönheit der Formen und des Ausdrucks gefiel. Zu gleicher Zeit erschien das Bild: Roland, die Prinzessin Isabella aus der Räuberhöhle befreiend (gestochen von J. Keller). Während seines Aufenthalts in Italien [* 13] malte er die Ruth, ihre Schwiegermutter Noemi in die Fremde begleitend (1830, Berliner [* 14] Nationalgalerie).
Für den Berliner Kunstverein entstand 1832 Simson, die Säulen [* 15] einreißend. 1834 ging er wieder nach Düsseldorf, von wo er 1839 an die Kunstakademie nach Dresden [* 16] berufen wurde. Seit 1841 Professor an derselben, entfaltete er eine umfangreiche Lehrthätigkeit 1871 wurde er Direktor der Gemäldegalerie und starb in Loschwitz bei Dresden, nachdem er kurz vorher in den Ruhestand getreten war. Von seinen übrigen Werken aus der ersten Periode sind noch zu nennen: Christus und die Evangelisten (1835, Kirche zu Meseritz), Hiob und seine Freunde (Städelsches Institut zu Frankfurt), [* 17] das Liebespaar des Hohenliedes, Christuskind auf Wolken (Nationalgalerie zu Berlin), die Schutzengel (ebendaselbst), Felicitas und der Schlaf aus Tiecks »Octavianus« (Museum zu Breslau). [* 18]
Für den Römersaal zu Frankfurt malte er Friedrich III., für die Stadtkirche zu Meißen [* 19] einen Christus, für die Marktkirche in Halle [* 20] a. Sein großes Altarbild: »Sehet die Lilien [* 21] auf dem Feld«, nach der Bergpredigt. In Dresden entstanden: das goldene Zeitalter (Dresdener Galerie, eine Wiederholung in der Berliner Nationalgalerie);
ein großes Bild aus der Apokalypse: die Hure Babylon auf dem siebenköpfigen Drachen auf Wolken, während der Engel des Herrn dem Evangelisten die Vision deutet (1852, Petersburg); [* 22]
Hübner

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Seite 8.753.Karl V. in San Yuste, Friedrichs d. Gr. letzte Tage in Sanssouci, Amor im Winter, Magdalena vor dem Leichnam Christi, der Jesusknabe im Tempel, [* 23] die Disputation Luthers mit Eck (Dresdener Gemäldegalerie), ¶
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Stephanus vor dem Hohen Rat, Hagar mit Ismael u. der (1869 verbrannte) Vorhang für das Dresdener Hoftheater (von seinem Sohn Eduard
Hübner
, geb. 1842, für Leipzig wiederholt). Hübners
Bilder sind von anmutiger Form und Farbengebung. Sie spiegeln die Entwickelung
der Düsseldorfer Schule von den sentimental-romantischen Anfängen bis zur historischen Auffassung wider,
fesseln jedoch mehr durch Sorgfalt der Ausführung als durch Genialität und Kraft
[* 25] der Darstellung. Hübner
war auch schriftstellerisch
thätig. Sein Katalog der Dresdener Galerie (5. Aufl. 1880) enthält eine schätzenswerte historisch-kritische Einleitung. Er
gab ferner heraus: »Bilderbrevier der Dresdener Galerie« (2. Aufl., Dresd. 1857; zweite Folge 1859);
eine Übersetzung ausgewählter Sonette Petrarcas (Berl. 1868) und eine Sammlung eigner Gedichte »Helldunkel«, Braunschw. 1871;
zweite Folge 1876). - Sein Sohn Hans, geb. starb als ordentlicher Professor der Chemie in Göttingen. [* 26]
Wien

* 27
Wien. 3) Joseph Alexander, Freiherr von, österreich. Diplomat, geb. zu Wien,
[* 27] führte ursprünglich den
Namen Hafenbredl, den er später mit Hübner
vertauschte, studierte daselbst und ward seit 1833 in Metternichs Staatskanzlei beschäftigt. 1837 ging
er als Gesandtschaftsattaché nach Paris,
[* 28] 1841 als Gesandtschaftssekretär nach Lissabon,
[* 29] und 1844 wurde er Generalkonsul in
Leipzig. 1848 mit der diplomatischen Korrespondenz des Erzherzogs Rainer betraut, wurde er bei dem Aufstand
in Mailand
[* 30] gefangen genommen und eine Zeitlang als Geisel zurückbehalten.
Oesterreich ob der Enn

* 32
Österreich.
Gegen einen andern Gefangenen ausgewechselt, begleitete er die kaiserliche Familie auf ihrer Flucht von Schönbrunn nach Olmütz.
[* 31] Die wichtigen Staatsakten, welche sich auf die Abdankung Kaiser Ferdinands bezogen, wurden von Hübner
gearbeitet, welcher überhaupt
zu den in die Ereignisse des Thronwechsels eingeweihtesten Personen zählte. Im Monat März 1849 ging er in
außerordentlicher Mission nach Wien und bald darauf als Gesandter nach Paris, wo er entscheidenden Einfluß auf die österreichische
Politik im russischen Krieg von 1854 gewann sowie Österreich
[* 32] bei den Friedenskonferenzen 1856 vertrat.
Die beabsichtigte Aktion Napoleons in Bezug auf Italien durchschaute er aber kaum rechtzeitig, und durch
den bekannten ihm zu teil gewordenen Neujahrsempfang 1859 ward die österreichische Regierung sehr überrascht. Nach dem Krieg
von 1859 erhielt Hübner
im Ministerium Goluchowski 21. Aug. das Portefeuille des Polizeiministers, welches er jedoch schon 22. Okt. niederlegte.
Von Ende September 1865 bis November 1867 bekleidete er den Botschafterposten in Rom.
[* 33] Seit 1879 ist Hübner
konservatives
Mitglied des Herrenhauses. Auch widmete er sich litterarischen Arbeiten; seine Geschichte des Papstes Sixtus V. (»Sixte-Quint.
D'après des correspondances diplomatiques inédites etc.«, Par.
1870, 3 Bde.; neue Ausg. 1883, 2 Bde.;
deutsche Ausg., Leipz. 1871, 2 Bde.)
und seine ebenfalls zuerst in französischer und englischer Sprache
[* 34] erschienenen Reisebeschreibungen: »Ein Spaziergang um die
Welt« (1873; 5. Aufl., Leipz. 1885) und »Durch
das britische Reich 1883-84« (das. 1886) fanden viel Beifall.
Königsberg

* 35
Königsberg.4) Karl, Maler, geb. zu Königsberg, [* 35] wo er seine künstlerischen Studien bei Professor J. Wolf begann, die er von 1837 bis 1841 auf der Düsseldorfer Akademie bei Schadow und Sohn fortsetzte. Seitdem blieb er in Düsseldorf ansässig. Er gehörte zu den Gründern des Vereins Düsseldorfer Künstler und des Vereins Malkasten. 1874 unternahm er eine Reise nach den Vereinigten Staaten [* 36] von Nordamerika. [* 37] Als Künstler machte er sich durch seine in die Ideen des Zeitgeistes einschlagenden sozialistischen Tendenzbilder einen gefeierten Namen.
Unter seiner allzu großen Produktivität litt jedoch häufig die Feinheit in Zeichnung und Durchführung; indessen sind seine Gemälde stets gut komponiert und mitunter von ergreifender Wirkung. Hervorzuheben sind: die schlesischen Weber (1845), das Jagdrecht (Berlin, Galerie Ravené, lithographiert von Wildt), die Auswanderer (1846, im Museum zu Christiania, [* 38] lithographiert von Wildt), die Auspfändung (1847, im Museum zu Königsberg, lithographiert von Wildt), Rettung aus Feuersgefahr (1853, sein größtes und bedeutendstes Bild), die Waisenkinder, des jungen Seemanns Rückkehr, die Zwillinge, die Witwe, die Sünderin an der Kirchthür (1867, Nationalgalerie zu Berlin). Er starb in Düsseldorf.
London

* 39
London.5) Otto, Statistiker und Volkswirt, geb. zu Leipzig, war ursprünglich für den Kaufmannsstand bestimmt, wandte sich zuerst in Paris und London [* 39] den wirtschaftlichen Studien zu und gehörte seit 1842 zu den thätigsten Gliedern der deutschen Freihandelspartei. Nach einigen Jahren von der Dampfschiffahrtsgesellschaft des Österreichischen Lloyd zum Bevollmächtigten ernannt, betrieb er die Verhandlungen wegen Durchfuhr der englisch-ostindischen Überlandpost und des damit verbundenen Verkehrs durch Deutschland, [* 40] zu welchem Zweck er mit allen beteiligten kontinentalen Eisenbahnen Verträge abschloß.
Beim Ausbruch der Bewegung von 1848 ward er von Österreich in den Fünfzigerausschuß gewählt; die Verhandlungen
über seinen Eintritt in den österreichischen Staatsdienst zerschlugen sich aber, und Ende 1849 wurde er seiner deutschen
Gesinnung wegen aus Österreich ausgewiesen. Hübner
siedelte nach Berlin über und gründete daselbst das »Statistische Zentralarchiv«,
welches von allen Regierungen der Welt statistische Mitteilungen erhielt. Von seinen zahlreichen übrigen
statistischen Arbeiten ist namentlich sein Werk »Die Banken« (Leipz. 1854, 2 Bde.)
zu erwähnen. Am bekanntesten ist Hübners
»Statistische Tafel aller Länder« (zuerst Leipz. 1851; seitdem jährlich erscheinend,
jetzt bearbeitet von Juraschek). 1862 gründete er die erste Hypothekenbank in Preußen
[* 41] unter der Firma Preußische Hypothekenversicherungs-Gesellschaft,
welcher er bis zu seinem Tod vorstand.
Bonn

* 42
Bonn. 6) Emil, namhafter Philolog, Sohn von Hübner
2), geb. zu Düsseldorf, auf dem Vitzthumschen Gymnasium in Dresden gebildet,
studierte seit 1851 in Berlin und Bonn,
[* 42] reiste zu wissenschaftlichen Zwecken 1855-57 in Italien, habilitierte sich 1859 zu Berlin
und wurde daselbst 1863 außerordentlicher, 1870 ordentlicher Professor der klassischen Philologie; inzwischen
hatte er für das »Corpus inscriptionum latinarum« 1860-61 Spanien
[* 43] und Portugal, 1866-1867 England, Schottland und Irland bereist.
Hübner
hat sich besonders um Archäologie und lateinische Epigraphik verdient gemacht. Er veröffentlichte zuerst: »Epigraphische
Reiseberichte aus Spanien und Portugal« (Berl. 1861) und »Die antiken
Bildwerke in Madrid«
[* 44] (das. 1862). Sodann lieferte er für das »Corpus inscriptionum latinarum« die Indices des 1. Bandes (Berl.
1863),
Bd. 2 (»Inscriptiones Hispaniae«, das. 1869) und Bd. 7 (»Inscriptiones Britanniae«, das. 1873). Im Anschluß daran erschienen: »Inscriptiones Hispaniae christianae« (Berl. 1871);
»Inscriptiones Britanniae christianae« (das. 1876);
Hübnerit - Huddersfiel

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Seite 8.754.»Exempla scripturae epigraphicae latinae a ¶
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Caesaris dictatoris morte ad aetatem Justinani« (das. 1885) und viele Beiträge zu Zeitschriften und Sammelwerken, besonders zu der »Ephemeris epigraphica, corporis inscriptionum latinarum supplementum« (das. 1872 ff.). Außerdem verdankt man ihm treffliche »Grundrisse zu Vorlesungen« über die römische Litteraturgeschichte (Berl. 1869, 4. Aufl. 1878), über die lateinische Grammatik (das. 1876, 2. Aufl. 1881), über die Geschichte und Encyklopädie der klassischen Philologie (das. 1876) und über die griechische Syntax (das. 1883). Auch gab er 1866-81 unter Mitwirkung von Hercher (bis 1878), Kirchhoff, Mommsen und Vahlen (seit 1877) den »Hermes, [* 46] Zeitschrift für klassische Philologie« heraus.