Holzwaren
im weitesten Sinne heißen nicht nur alle aus Holz gefertigten Gegenstände, sondern auch das Holz selbst, insofern es als Arbeitsmaterial für gewisse Zwecke bereits irgend eine Vorbearbeitung durch Sägen, Behauen etc. erhalten hat. Im engern Sinne werden darunter verstanden erstlich einfachere und gröbere Holzartikel wie Mulden, Teller, Löffel, Schindeln, Span, Kisten und Kasten, allerlei Hausgeräte etc., und ferner die zahllosen kleinern aus Holz geschnitzten und gedrechselten, meist auf mannigfache Art verzierten Gegenstände, welche größtenteils zu Kinderapielzeug bestimmt sind. In der Regel gehen alle dergleichen Artikel nicht von eigentlichen Handwerksmeistern aus, sind auch nicht Produkte von Fabriken, sondern das Erzeugnis kleiner Hausindustrie, wie sie von der Bevölkerung waldreicher Distrikte an Ort und Stelle betrieben wird und sich forterbt Deutschland liefert die meisten derartigen Waren, und versendet namentlich hübsche und äußerst wohlfeile Spielsachen bis in weitentfernte Länder.
Die namhaftesten Distrikte und Orte, welche in diesem vielgestaltigen Zweige arbeiten, sind: Ammergau und Berchtesgaden bei Salzburg im bayrischen Isarkreise;
es werden dort und in den Nachbardörfern die mannigfaltigsten Gebrauchs- und Spielwaren gefertigt.
Das Thal Gröden in Tyrol, mit seinen schönen und oft kunstvollen Tierfiguren, Heiligenbildern,
Uhrgehäusen etc., die aus dem feinen weißen
Holze der auf den Alpen wachsenden Zirbelnußkiefer geschnitzt
werden. Außerdem in Österreich der Traunkreis mit Ischl,
Mollen und Hallstadt; Hallein und Gmunden in Oberösterreich. In
Böhmen und Sachsen liefern besonders die Bewohner des Böhmerwaldes, Erzgebirges, Voigtlandes große Mengen Holzwaren
, teils
Spiel-, teils Gebrauchssachen, und bilden dabei die
Hölzer für Musikinstrumente eine besondre wichtige Abteilung.
Die sächsischen Ortschaften Seifen, Grünhainchen, Waldkirchen, Klingenthal und manche andre sind mit ihren diversen H. weit und breit bekannt. Im schlesischen Gebirge in den Ortschaften Steinseifen, Hermsdorf, Petersdorf, Schreiberhau etc. werden viele geringere und feinere H. gefertigt, wobei als Spezialität die hübschen Galanteriewaren aus Knieholz. Im Harz werden ebenfalls manche H. gefertigt, aber die größte Menge und Mannigfaltigkeit derselben liefert doch der Thüringerwald, wo Sonneberg im Meiningischen das Hauptquartier der Fabrikation und des Handels mit Spielwaren bildet.
Von den Sonneberg umgebenden Spielwarendörfern, in denen überall die Bearbeitung des Holzes nur als Hausindustrie und noch immer ohne alle maschinelle Beihilfe betrieben wird, sind einige besonders hervorzuheben, da sie gewisse Spezialitäten produzieren. So ist Steinach wohl der einzige Ort der Welt, wo die Griffelkästen angefertigt werden. Das Groß dieser Kästen, von denen jeder bei 16 cm Länge, 7 cm Höhe und 5 cm Breite 100 Stück Schieferstifte faßt, wird vom Arbeiter für 2 Mk. an den Händler geliefert; jeder Kasten ist dabei mit einem Schieberdeckel versehen und meist noch mit buntem Papier beklebt. (Das Holz dazu müssen sich die Arbeiter selbst kaufen.) In Judenbach werden dagegen die runden Wichsschachteln (1000 Stück von 10 cm Länge für 5 Mk. 70 Pf.) und die Farbkästchen in zahlloser Menge zu geradezu unbegreiflich billigen Preisen hergestellt. In Neufang werden die mit Stimmen versehenen Bälge und die Kinderviolinen geschnitzt. In Forschengereuth, Mengersgereuth und Hämmern zimmert man die kleinen Puppentheater, Kaufmannsläden und Pferdeställe in ihrem äußeren Rohbau zusammen; außerdem drechselt man hier die hölzernen Beine und Arme für Puppen, welche erst in Sonneberg durch Bemalung und Vereinigung mit den andern Ausstaffierungsstücken fertiggestellt werden. Zu dem Sonneberger Spielwarenbezirk hat man auch das industrielle Städtchen Neustadt a. d. H. im Koburgischen zu rechnen, das nur 1 Stunde von Sonneberg entfernt liegt. Weiterhin liefern noch verschiedne Distrikte des Schwarzwaldes, sowie Ulm und Geißlingen im Würtembergischen allerlei gedrechselte oder geschnitzte Waren. Wie Sonneberg der Stapel- und Versandort für die Waren ¶
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des Thüringerwaldes bildet, so Nürnberg mit Fürth für einen viel weitern Kreis, indem es aus Thüringen und Sachsen wie
aus süddeutschen Distrikten zu seinen eignen Fabrikaten noch eine Menge fremde bezieht und vertreibt. - Eine kleine, sich
in den einfachsten Wirtschafts- und Kindersachen bewegende Holzwaren
industrie besteht auf dem Eichsfeld; die
Industriellen von dort heißen auf den Leipziger Messen die Quirlleute. - In England ist das Städtchen Tunbridge in der
Grafschaft Kent der Ort, wo eine Menge schöner H., wirtschaftliche wie Galanterie- und Spielsachen gefertigt und im ganzen
Königreiche verbreitet werden. In Schottland ist eine eigenartige Schnitzerei im Betriebe, die sich
anfänglich auf die bekannten Tabaksdosen beschränkte, aber schon lange auch eine Menge andrer Gebilde wie Etuis, Kästchen,
Toiletten etc. herangezogen hat. Alle diese Arbeiten werden aus Sykomorenholz geschnitzt und
nach Art der Dosen mit Skulpturen im schottischen Stil verziert. Aus einem Block dieses Holzes, der etwa 21-24 Mk. kostet,
lassen sich Waren im Werte von 45-60000 Mk. herausschneiden. - Zoll: s.
Tarif im Anh. Nr. 13 d bis g.