Hohes
Lied
oder Lied
der Lieder
(lat. canticum canticorum), d. h.
das schönste Lied
, ist die
Überschrift einer auf König Salomo zurückgeführten Sammlung jüd. Hochzeitslieder
(Epithalamien). Dieselben entstammen den nördl. Landschaften und ihre Abfassungszeit ist, wie
die vorkommenden
Fremdwörter lehren, frühestens die pers., vielleicht erst die griech.
Zeit. Sie gehören zu den interessantesten Resten altjüd.
Lyrik.
Ihre
Aufnahme in den
Kanon ward durch die Zurückführung auf
Salomo ermöglicht.
Da man jedoch schon frühzeitig nicht begriff, wie ein weltliches Liebeslied
in die
Bibel
[* 3] gekommen sei, so wandten sich schon
die ältesten
Ausleger des
Buches der allegorischen
Auslegung zu und deuteten es bald auf die Liebe
Gottes zu dem auserwählten
Volke der
Juden, bald auf die Sehnsucht der
Reiche
Juda und Israel nach Wiedervereinigung. Die religiöse
Auslegung ging von den
Juden zu den
Christen über; doch erhielt sie hier einen mystischen
Sinn. Origenes und Hieronymus fanden
in
Christus den geliebten Bräutigam, in der
Kirche die
Braut. Diese Deutung wurde in der mittelalterlichen
Kirche die herrschende.
Luther nannte es hohes Lied
, «weil es von den
höchsten und wichtigsten Dingen handelt, nämlich von der Obrigkeit». Dagegen geben die Kapitelüberschriften der
luth.
Bibel die Deutung des Hieronymus. Die
allegorische Auslegung behielt in der prot.
Kirche die Oberhand, wurde mit
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0280a Höhlen I 1. Cova de s'Aygo bei Ciudadela (Menorca). 2. Cova des Coloms bei Mercadal (Menorca). ¶
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besonderer Vorliebe von den Herrnhutern ausgeführt und mit anderm Schutt aus den Zeiten der Reformationstheologie von neuern
Theologen wieder hervorgezogen. Die neuere wissenschaftliche Auslegung des Buches hat sich bemüht, in dem hohes Lied
ein Drama oder
Singspiel zu finden. Es ist dies von vornherein dadurch ausgeschlossen, daß die Juden eine Bühne gar nicht
besessen haben. -Vgl. Hengstenberg, Das hohes Lied
ausgelegt (Berl. 1853);
desgleichen von Hitzig (Lpz. 1855);
Sticket, Das hohes Lied
in
seiner Einheit und dramat. Gliederung (Berl. 1888);
Castelli, Il cantico dei cantici (Flor. 1892).