Titel
Höhere
Bürgerschule. Diese Bezeichnung, namentlich durch des
Abtes
Resewitz seiner Zeit vielgelesenes
Buch
»Von der
Erziehung des
Bürgers« (1773) in
Gang
[* 2] gebracht, wurde ehedem ganz oder fast gleichbedeutend mit dem
Namen
»Realschule«
gebraucht. Allmählich aber setzte sich der Unterschied dahin fest, daß die nicht vollständigen, einfacher organisierten
Realschulen als höhere
Bürgerschulen bezeichnet wurden. So waren nach der preußischen Prüfungsordnung vom höhere
Bürgerschulen diejenigen Realanstalten, welche dem
Lehrplan der
Realschule erster
Ordnung in den untern sieben Jahrgängen folgten,
aber der zweijährigen
Prima derselben entbehrten.
Daneben entstanden aber, zunächst in den neuen
Provinzen (besonders
Kassel),
[* 3] andre, sogen. lateinlose, höhere
Bürgerschulen,
die den
Lehrgang aus sechs Jahresklassen (statt jener sieben) einschränkten und die
Schüler mit erlangter
wissenschaftlicher Befähigung für den einjährig-freiwilligen Heeresdienst entließen. Bei der Neugestaltung der
Lehrpläne
der höhern Unterrichtsanstalten vom hielt der
Minister v.
Goßler diese letztere Bezeichnung fest, während die
von 1859, wie die
Realschule erster
Ordnung
Realgymnasium, so ihrerseits
Realprogymnasium wurde.
Die heutige in dem alljährlich auf Grund des § 90, Tit. 1. der Wehrordnung des Deutschen Reichs vom vom Reichskanzler bekannt gegebenen Verzeichnis der höhern Lehranstalten unter IIIa, 1) aufgeführt (s. Höhere Lehranstalten), ist demnach eine Realanstalt von sechsjährigem Lehrgang, in deren Lehrplan von fremden Sprachen nur Französisch und Englisch Platz finden, und die durch die wohlbestandene Entlassungsprüfung die wissenschaftliche Befähigung zum einjährig-freiwilligen Militärdienst verleiht.
Man kann sie auch als eine um drei Jahrgänge verkürzte Oberrealschule (s. d.) oder als eine um einen Jahrgang verkürzte Realschule (s. d.) ansehen. Im Deutschen Reiche gibt es (1886) 87 solcher Anstalten, von denen auf Preußen [* 4] 22, Bayern [* 5] 33, Sachsen [* 6] 19, Baden [* 7] 4, Mecklenburg-Schwerin 2, Großherzogtum Sachsen 2 und auf Mecklenburg-Strelitz, Sachsen-Meiningen, Sachsen-Koburg-Gotha, Lübeck, [* 8] Hamburg [* 9] je 1 kommen. Die verhältnismäßig geringe Verbreitung dieser für den mittlern Gewerbestand vorzugsweise geeigneten Schulart in Deutschland [* 10] und ¶
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namentlich in Preußen ist kein günstiges Zeugnis für die Kräftigkeit und das Selbstbewußtsein dieser Berufsschicht. Auch die zugelassene Verbindung der höhern Bürgerschulen mit mittlern gewerblichen Fachschulen, welche in zwei aufsteigenden Klassen die Schüler, welche die erstern durchlaufen haben, für maschinen-technische oder chemisch-technische Gewerbe vorbildet, ist nur an wenigen Orten verwirklicht worden. Im allgemeinen Interesse ist den höhern Bürgerschulen die weiteste Verbreitung und der kräftigste Aufschwung zu wünschen. Der Lehrplan (in Stunden) der höhern Bürgerschule ist in Preußen seit folgender:
VI. | V. | IV. | III. | II. | I. | Zusammen Stunden | |
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Christliche Religion | 3 | 2 | 2 | 2 | 2 | 2 | 13 |
Deutsch | 4 | 4 | 4 | 3 | 3 | 3 | 21 |
Französisch | 8 | 8 | 8 | 6 | 5 | 5 | 40 |
Englisch | - | - | - | 5 | 4 | 4 | 13 |
Geschichte u. Geographie | 3 | 3 | 4 | 4 | 4 | 4 | 22 |
Rechnen u. Mathematik | 4 | 5 | 5 | 5 | 5 | 5 | 29 |
Naturbeschreibung | 2 | 3 | 3 | 3 | 2 | - | 13 |
Naturlehre | - | - | - | - | 3 | 5 | 8 |
Schreiben | 3 | 3 | 2 | - | - | - | 8 |
Zeichnen | 2 | 2 | 2 | 2 | 2 | 2 | 12 |
Zusammen: | 29 | 30 | 30 | 30 | 30 | 30 | 179 |
Eine Erweiterung des Zeichenunterrichts ist durch Ansetzung von zwei besondern Stunden für Linearzeichnen gestattet, die auch als fakultative eingerichtet werden können. Für Turn- und Singunterricht in je zwei wöchentlichen Stunden ist außerdem Sorge zu tragen.