Hobbes
,
Thomas,
Philosoph und
Publizist des Staatsabsolutismus, geb. zu
Malmesbury, studierte
seit dem 14. Jahr in
Oxford
[* 2]
Mathematik und
Aristotelische Philosophie, siedelte aus
Haß gegen die 1641 ausgebrochene
Revolution,
von welcher er seine Landsleute durch das
Beispiel der Geschichte mittels seiner (Lond. 1628) veröffentlichten Übersetzung
des
Thukydides vergebens abzuschrecken versucht hatte, (1641) nach
Paris
[* 3] über, wurde
Lehrer des
Prinzen von
Wales (des nachherigen
Königs
Karl II.) und schrieb zur
Verteidigung der von den
Stuarts begünstigten Staatsomnipotenz die Werke:
»De cive« (Par. 1642, Amsterd. 1647; deutsch von J. Hobbes
v.
Kirchmann, Leipz. 1873),
»Human nature, or the fundamental elements of policy« (Lond. 1650),
»Leviathan seu de materia, forma et potestate civitatis ecclesiasticae et civilis« (engl., das. 1651; lat., Amsterd. 1668; deutsch, Halle [* 4] 1794, 2 Bde.),
denen nach seiner 1655 erfolgten Rückkehr nach England die weitern philosophischen Schriften: »Elementorum philosophiae sect. I.: De corpore« (engl., Lond. 1655),
»Sect. II.: De homine« (engl., das. 1659; beide lat., Amsterd. 1668),
»De corpore politico, or the elements of law moral and political« (Lond. 1659) und »Quaestiones de libertate, necessitate et casu, contra D. Bramhallum« (verfaßt 1646; engl., das. 1659) folgten, außer welchen er noch historische (z. B. eine Geschichte des Bürgerkriegs Englands) und physikalisch-mathematische (z. B. ein »Decameron physiologicum«) verfaßt, auch im hohen Alter den Homer übersetzt hat. Karl II. setzte ihm nach seiner Thronbesteigung (1660) eine Pension von 100 Pfd. Sterl. aus, die er fortan in ländlicher Zurückgezogenheit auf dem Landsitz seines ehemaligen Zöglings, des Grafen von Devonshire, genoß. Er starb daselbst
Hobbes'
Philosophie ist eine Tochter der Baconschen; einzige Erkenntnisquelle ist nach ihm der äußere
Sinn
(Sensualismus), einziger Gegenstand der
Erkenntnis die Körperwelt
(Materialismus). Doch unterscheidet Hobbes
zweierlei
Arten von
Körpern, natürliche und künstliche. Jene machen den Gegenstand der
Natur- oder theoretischen
Philosophie (philosophia naturalis),
diese den Gegenstand der
Staats- oder praktischen
Philosophie (philosophia civilis) aus. Zu jenen rechnet Hobbes
(wie schon
Bacon
gethan hatte) auch die menschliche
Seele, die er einen feinern
Körper, und deren innere Vorgänge
(Empfindungen) er
Bewegungen
(der
Nerven- und Hirnmasse) nennt; als der vornehmste unter diesen Vorgängen gilt ihm der
Staat, der durch das Zusammenwirken
menschlicher
Willens-, wie der natürliche
Körper durch ein solches physischer
Naturkräfte zu stande kommt.
Dem Zerstörungswerk der sich selbst überlassenen Naturkräfte setzt die unverbrüchliche Naturordnung unter dem Naturgesetz, dem unvermeidlichen »Krieg aller gegen alle« der sich selbst überlassenen Menschenwillen setzt die, einmal errichtet, gleichfalls unveränderliche Staatsordnung unter dem Staatsgesetz ein Ziel. Wie die Naturordnung eine natürliche, so ist der Staat eine künstliche (durch die Menschen selbst eingesetzte) Sicherheitsanstalt, durch welche dem Kampf dort der Natur-, hier der einzelnen Willenskräfte ein Ende gemacht wird. Da für die menschlichen Willen eine überlegene Obergewalt, wie sie für die Naturkräfte in der Natur selbst besteht, nicht vorhanden ist, so muß eine solche durch die Menschen, um ihrer eignen Selbsterhaltung willen, mittels Übereinkunft geschaffen und derselben (dem Herrscher) die nämliche unbedingte Zwangsbefugnis gegenüber den Einzelnen (den Unterthanen) eingeräumt werden, welche die Naturordnung faktisch gegen die einzelnen Kräfte in der Natur ausübt.
Die
Gewalt des Herrschers (der übrigens ebensogut ein Einzelner wie eine ganze Versammlung sein kann, Hobbes
hält
aber erstere Form für die vorteilhaftere), obwohl ursprünglich durch
Vertrag auf denselben
übertragen, ist absolut und unwiderruflich
(gegen die
Lehre
[* 5] des
Grotius), die durch dieselbe festgesetzte
Ordnung (Staatsgesetzgebung) einzige
Norm sowie der Staatswille
selbst einzige
Quelle
[* 6] des
Rechts, jede Auflehnung gegen dieselbe
Revolution (gleichviel aus welchem
Grund) und als solche
widerrechtlich und verbrecherisch. Auch die
Religion, da sie ihren
Bekennern unmöglich das
Recht verleihen kann, einen
Staat
im
Staat zu bilden, macht hiervon keine Ausnahme.
Letzteres zog
¶
mehr
ihm besonders die Feindschaft der Geistlichkeit (der katholischen sowohl als der anglikanischen) zu, deren Folge sogar eine
Anklage wegen Gottlosigkeit im Parlament war, gegen welche er eine scharfsinnige Verteidigungsschrift: »Historical
narration concerning heresy and the punishment thereof«, verfaßte. Hobbes
hat insbesondere den französischen
Encyklopädisten und spätern Positivisten zum Vorbild gedient, dagegen unter seinen dem Absolutismus und
Materialismus abgeneigten Landsleuten wenig Anklang gefunden. Zu seinen Gegnern gehörten Sharrock, Clarke und Cumberland, unter
den Deutschen Mendelssohn (in seinem »Jerusalem«)
[* 8] und Ans.
Feuerbach (»Anti-Hobbes«
, Gieß. 1798). Seine sämtlichen Werke erschienen Amsterdam
[* 9] 1668 in 4 Bänden, seine »Moral and political
works« London
[* 10] 1750 (deutsch, Halle 1793 ff.). Molesworth gab seine »Complete works, with life, Latin and
English« (Lond. 1839-1845, 11 Bde.)
und »Opera latina« (das. 1844-45, 5 Bde.)
heraus. Hobbes
selbst verfaßte noch als 84jähriger Greis seine Selbstbiographie in Versen; nach seinem Tod erschien seine Lebensbeschreibung
von John Aubrey (Charlestown; lat. von Rich. Blackburn, das. 1681).
Vgl. Sigwart, Vergleichung der Rechts-
und Staatstheorien des Spinoza und des Hobbes
(Tübing. 1842), Mayer, Thomas Hobbes
Darstellung und Kritik seiner Lehren
[* 11] (Freiburg
[* 12] 1885);