Unter Hartbert (1199-1215) verlor das
Stift 1206 nach langem Streit
Gandersheim, das am Anfang des 11. Jahrh. erworben war
und nun unmittelbar unter den
Papst gestellt wurde. Zur Reichsunmittelbarkeit gelangte es unter dem
BischofKonrad II.
(1221-46). Die Unabhängigkeit des
Bistums nahm zu, seitdem die
Bischöfe meist aus reichsfürstlichen
Familien, der welfischen
und sachsen-lauenburgischen, hervorgingen. Dagegen wurde es in fortwährende
Fehden verwickelt, und während die
Bischöfe
nur das weltliche Stiftsgut zu vermehren strebten, erlangte die der
Hansa beigetretene Stadt Hildesheim allmählich völlige Selbständigkeit.
Besonders hatte 1331 eine doppelte Besetzung des bischöflichen
Stuhls lebhafte
Kämpfe zur
Folge, indem
der
Papst den
GrafenErich von
Schaumburg ernannte, während das
DomkapitelHerzogHeinrich vonBraunschweig
[* 12] wählte.
Heinrich gewann
zunächst das Übergewicht, und 1333 kam es zu einem
Waffenstillstand; doch 1344 brach die
Fehde von neuem aus, und erst nach
einem
Sieg bei Hildesheim zwang
Heinrich die Stadt zur
Anerkennung seiner
Wahl.
(Hildesia), Hauptstadt des gleichnamigen Regierungsbezirks (s. unten) in der preuß.
ProvinzHannover und Stadtkreis, liegt in anmutiger Gegend an der Innerste und an den LinienNordstemmen-Lehrte und Hildesheim-Grauhof der
Preußischen Staatsbahn, 84 m ü. M., besteht aus der Altstadt und Neustadt,
[* 23] welche seit 1583 zu einem
Gemeinwesen vereinigt sind, und der sogen. Freiheit (Residenz des Bischofs). Der uralte Ort macht mit seinen stattlichen Türmen
und den ihn umgebenden schattigen Alleen und Spaziergängen von außen einen freundlichen Eindruck; das Innere enthält viele
enge und winkelige Straßen, besetzt mit hohen, altertümlichen Häusern, deren obere Stockwerke überragen
und mit Erkern und reichem Schnitzwerk versehen sind.
Unter den 11 Kirchen (7 katholische und 4 evangelische) behauptet der 62 m lange, 30 m breite, von außen unansehnliche Dom
die erste Stelle. Der Grundbau
[* 24] stammt aus der zweiten Hälfte des 11. Jahrh., hat aber später manche Veränderung,
im 18. Jahrh. eine Verzopfung erfahren. Besonderes Interesse erregen die wertvollen, aus dem frühsten
Mittelalter stammenden Kirchengeräte (Domschatz), die merkwürdigen ehernen Thorflügel (von 1015) mit Reliefs vom BischofBernward
aus der Geschichte der ersten Menschen und Jesu Christi, ein kunstvolles ehernes Taufbecken aus dem 13. Jahrh., zwei große
metallene Kronleuchter aus dem 11. Jahrh., zwei romanische Reliquienkasten des
heil. Godehard und des heil. Epiphanius im Chor, etwas winzige Türme mit einem Geläute, das für das schönste im Land gilt.
Vor dem Aufgang zum Chor steht die sogen. Irmensäule (s. d.), und an der Außenwand der Grabkapelle des Doms breitet der berühmte
tausendjährige Rosenstock, 8 m hoch und 10 m weit, seine Zweige aus; den innern Friedhof umgibt ein romanischer
Kreuzgang. Auf dem Domhof endlich erhebt sich die 4 m hohe Christussäule (von 1022) aus Erzguß, auf welcher in 28 Gruppen
halb erhaben die Geschichte Christi von
seiner Taufe bis zum Einzug in Jerusalem
[* 25] dargestellt ist (früher
in der Michaeliskirche; vgl. Wiecker, Die Christus- oder Bernwardsäule, Hildesh. 1874). Von den übrigen Kirchen verdienen
Erwähnung: die St. Godehardikirche (1133-72 erbaut, 1863 restauriert), ein Meisterwerk romanischen Stils, mit drei pyramidenförmigen
Thüren (Kapital daraus s. Tafel »Baukunst
[* 26] IX«,
[* 27] Fig. 1);
dann die Michaeliskirche, eine großartige romanische
Basilika
[* 28] mit dem Grab des BischofsBernward und einer kunstvoll bemalten Holzdecke aus dem 12. Jahrh.;
befestigt; BischofBernward (gest. 1022) ummauerte die Stadt in ihrer damaligen ganzen Ausdehnung.
[* 35] Handel und Gewerbe gediehen
daselbst; namentlich waren die Hildesheimer Goldschmiedearbeiten bis zum Ende des Mittelalters hochberühmt. Daneben wurden
Künste und Wissenschaften gepflegt, und zahlreiche Fürstensöhne (darunter die KaiserOtto III. und Heinrich II.) sind auf der
Domschule von Hildesheim erzogen worden. Hildesheim erhielt eine bedeutende Erweiterung durch eine flandrische
Kolonie, welche sich 1196 an der Westseite Hildesheims niederließ und den 1332 von den Bürgern zerstörten Dammflecken (in der
Nähe von Moritzberg) gründete. 1249 erhielt Hildesheim vom Bischof eine schriftliche Aufzeichnung des Stadtrechts und trat später
der Hansa bei. Hildesheim lag, zuweilen von Welfen unterstützt, mit seinen Bischöfen häufig in Fehde (s. oben)
und schloß seit dem 14. Jahrh. wiederholt Schutzbündnisse mit dem HausBraunschweig-Lüneburg. Die Hildesheimer Stiftsfehde
(s. oben, S. 530) brachte mit dem Stift auch die Stadt in die Acht, doch schlug sie 1522 den Angriff der
Herzöge von Braunschweig ab. 1542 ward in derselben die Reformation eingeführt; am wurde sie von den Kaiserlichen
unter Pappenheim eingenommen, doch erhielt durch die Kapitulation vom Juli 1634 die protestantische Partei wieder die Oberhand. 1802 kam
die Stadt an Preußen, 1806 an die Franzosen, 1807 an Westfalen, 1813 an Hannover und 1866 mit dem KönigreichHannover abermals an Preußen.
Vgl. Lüntzel, Geschichte der Diözese und Stadt Hildesheim (Hildesh. 1858);
W. Wachsmuth, Geschichte
von Hochstift und Stadt Hildesheim (das. 1863);
Mithoff, Kunstdenkmale und Altertümer im Hannoverschen, Bd. 3: Fürstentum Hildesheim (Hannov.
1874);
»Urkundenbuch der Stadt Hildesheim« (Hildesh.
1880-86, Bd. 1 u. 2, hrsg.
von Döbner);
Lachner, Die Holzarchitektur Hildesheims (das. 1882);