Hildebrand
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Hildebrand
Hildebrand,
1) Bror Emil, schwed. Archäolog und Numismatiker, geb. zu Flerohopp im Kalmar-Län, studierte in Lund, wo er sich 1830 als Dozent habilitierte, wurde zwei Jahre später im königlichen Münzkabinett in Stockholm [* 2] angestellt und 1837 zum Reichsantiquar (d. h. Direktor des archäologisch-historischen Staatsmuseums und des königlichen Münzkabinetts, Inspektor der Denkmäler) und Sekretär [* 3] der königlichen Akademie der schönen Wissenschaften etc. ernannt, welches Amt er bis 1879 bekleidete.
Seit 1866 Mitglied der schwedischen Akademie, starb er Von seinen Veröffentlichungen nennen wir: »Svensk diplomatarium. III-V« (1842-65);
»Svenska sigiller från medeltiden« (1862-69);
»Anglosachsiska mynt i Sveriges kungl. myntkabinett, funna i Sveriges jord« (1846, neue Ausg. 1881);
»Minnespenningar öfver enskilda svenska män och kuinnor« (1861);
»Sveriges och svenska konungahusets minnespenningar, praktmynt och belöningsmedaljer« (1874 bis 1875) und »Teckningar
ur svenska statens historiska museum. I-III« (mit seinem Sohn [s. unten: Hildebrand
5],
1873-84).
2) Bruno, Statistiker, geb. zu Naumburg [* 4] a. S., studierte die Rechtswissenschaft in Leipzig, [* 5] dann in Breslau, [* 6] wo er 1834 in die burschenschaftlichen Untersuchungen verwickelt wurde. Nachdem er mehrere Jahre als Dozent und außerordentlicher Professor in Breslau thätig gewesen war, folgte er 1841 einer Berufung nach Marburg, [* 7] wo er aber durch sein unabhängiges Auftreten mit der Regierung bald in Konflikt geriet. 1846 wurde er wegen eines in der deutschen »Londoner Zeitung« veröffentlichten Artikels der Majestätsbeleidigung angeklagt und suspendiert.
Seine
Freisprechung erfolgte erst zu Anfang 1848. Die
Bewegung dieses
Jahrs zog Hildebrand
in die parlamentarische Thätigkeit hinein,
indem er
Marburg in der deutschen
Nationalversammlung 1849-50 und
Bockenheim in dem kurhessischen
Landtag
vertrat. Dem wieder zur Macht gelangten
Minister
Hassenpflug trat er auf das entschiedenste entgegen und bewirkte durch seinen
Antrag die Verweigerung des von jenem begehrten Finanzzuschusses, welche die
Auflösung der
Ständeversammlung zur
Folge hatte.
Von 1851 bis 1856 lehrte an der Züricher Hochschule; dann nach Bern [* 8] berufen, gründete er dort das erste Statistische Büreau der Schweiz [* 9] und folgte 1861 dem Ruf als Professor der Staatswissenschaften und Direktor des Statistischen Büreaus der thüringischen Staaten nach Jena, [* 10] wo er starb. Von seinen schriftstellerischen Arbeiten verdienen namentlich Erwähnung: »Die Nationalökonomie der Gegenwart und Zukunft« (Frankf. a. M. 1848);
»Die kurhessische Finanzverwaltung« (Kassel [* 11] 1850);
»Statistische Mitteilungen über die volkswirtschaftlichen Zustände Kurhessens« (Berl. 1853);
»Beiträge zur Statistik des Kantons Bern" (Bern 1860, Bd. 1).
Seit 1863 gab er die »Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik« (seit 1873 mit J. Conrad) heraus; auch veröffentlichte er das amtliche Quellenwerk »Statistik Thüringens« (Jena 1867-78, 2 Bde.).
3)
Heinrich
Rudolf, germanistischer Sprachforscher, geb. zu
Leipzig, besuchte 1836-1843 die Thomasschule, dann die
Universität daselbst, wo er sich insbesondere dem
Studium der neuern, namentlich germanischen,
Sprachen widmete, und ward 1848
Lehrer
an der Thomasschule. An der Ausarbeitung des Grimmschen
Wörterbuchs von Anfang an in hervorragender
Weise
beteiligt, übernahm er 1864 nach dem
Tode der
Brüder
Grimm in
Gemeinschaft mit
Professor
Weigand in
Gießen
[* 12] die Fortsetzung des
großen Nationalwerkes, legte 1868 seine Lehrerstelle, um sich ganz jenem Unternehmen widmen zu können, nieder und wurde 1869 zum
außerordentlichen, 1874 zum ordentlichen
Professor an der
Universität zu
Leipzig ernannt. Vom
»Deutschen
Wörterbuch« hatte
Hildebrand
zunächst die Bearbeitung des fünften
Bandes (den
Buchstaben K) übernommen, der 1873 vollendet ward; seitdem arbeitet
er am vierten
Band,
[* 13] erste Abteilung (den
Buchstaben G enthaltend). Er schrieb: »Vom deutschen
Sprachunterricht in der
Schule
und von deutscher
Erziehung und
Bildung überhaupt« (Leipz. 1865, 2. Aufl. 1879),
»Über Grimms Wörterbuch in seiner wissenschaftlichen und nationalen Bedeutung« (das. 1869) etc. und gab Soltaus »Deutsche [* 14] historische Volkslieder. Zweites Hundert« (das. 1856) u. a. heraus.
4) Ernst, Maler, geb. 1833 zu Falkenberg i. Schl., wurde Schüler von Steffeck in Berlin, [* 15] wo er, abgesehen von einem einjährigen Aufenthalt in Paris, [* 16] auch nachher thätig war, bis er 1875 als Professor an die Kunstschule zu Karlsruhe [* 17] berufen wurde, wo er bis 1880 blieb, um dann einem Ruf an die Kunstakademie in Berlin zu folgen. Hier übte er eine erfolgreiche Lehrthätigkeit, die er jedoch 1885 aufgab. Anfangs widmete er sich nur dekorativer Malerei, wandte sich dann aber dem Porträt und dem Genre zu, worin er sich in einem kräftigen Naturalismus, naturwahrer Darstellung und wirkungsvollem Kolorit bewegt. Seine Hauptwerke sind: das kranke Kind;
der seiner Mutter wiedergegebene Moses, dekorativ ¶
behandelt für die Vorhalle einer Villa; Gretchen im Kerker, Marguerita Spoletina, die Reue (eine betende Bäuerin), Lasset die Kindlein zu mir kommen, die inständige Bitte, am Meeresstrand. In letzter Zeit kultivierte er mit besonderm Erfolg die Porträtmalerei. Er malte unter andern den Großherzog und die Großherzogin von Baden [* 19] sowie den deutschen Kronprinzen und seine Familie. Auch hat er mit einer Tullia, welche ihr Gespann über den Leichnam ihres Vaters treibt (1886), einen Versuch auf dem Gebiet der Historienmalerei gemacht.
5) Hans Olaf, schwed. Kulturhistoriker, Sohn von Hildebrand
1), geb. zu
Stockholm, studierte 1860-65 in Upsala,
[* 20] wurde dann am archäologischen Museum angestellt und 1879 nach dem
Rücktritt seines Vaters zum Reichsantiquar ernannt. Er war 1873 Mitbegründer der Schwedischen Geographisch-anthropologischen
Gesellschaft, machte wiederholt Reisen zu wissenschaftlichen Zwecken, war 1874 Generalsekretär des internationalen anthropologisch-archäologischen
Kongresses zu Stockholm und vertrat Schweden
[* 21] auf den Kongressen zu Bologna, Brüssel,
[* 22] Pest und Lissabon.
[* 23]
Von seinen Schriften sind zu nennen: »Svenska folket under hedna tiden« (2. Aufl. 1872; deutsch: »Das heidnische Zeitalter in Schweden«, Hamb. 1873);
»Lifvet på Island [* 24] under sagotiden« (2. Aufl. 1881);
»Afrika [* 25] i våra dagar« (1868);
»Bidrag till spännets historia« (1872-74);
»Den vetenskapliga fornforskningen« (1873);
»De förhistoriska folken i Europa« [* 26] (1873-80);
»Folkens tro om sina döda« (1874);
»Den kyrkliga konsten i Sverige under medeltiden« (1874);
»Troas och Homeros' Troja« [* 27] (1878);
das noch unvollendete kulturhistorische Werk »Sveriges medeltid« (1879 ff.) und »Från äldre tider« (1882).
Hildebrand
ist Redakteur der »Antiqvarisk Tidskrift för Sverige«
und des »Månadsblad« der Akademie der schönen Wissenschaften etc.
6) Adolf, Bildhauer, Sohn von Hildebrand
2), geb. zu Marburg, besuchte seit 1865 die Kunstschule in Nürnberg,
[* 28] wo er den Unterricht Krelings genoß, und bildete sich dann bei Zumbusch in München
[* 29] aus. 1867 begab er sich nach Rom,
[* 30] von wo er 1869 nach
Berlin ging. Hier arbeitete er einige Jahre teils in Siemerings Atelier, teils selbständig. Seine Erstlingsarbeiten:
die Marmorfigur eines schlafenden Hirten, die Bronzestatuette eines trinkenden Knaben und die Büste des Philologen Th. Heyse,
erwarben ihm 1873 in Wien
[* 31] wegen der feinen und lebendigen Charakteristik und der sorgsamen, von dem Einfluß der Antike geleiteten
Durchbildung der Formen große Anerkennung.
Nachdem er sich 1874 dauernd in Florenz [* 32] niedergelassen, schloß er sich, namentlich in seinen Porträtbüsten, -Köpfen und -Halbfiguren, die in streng realistischer Auffassung nach der vollsten Wiedergabe des Lebens streben, an die florentinischen Meister des 15. Jahrh. an. Unter seinen Büsten ist besonders die von K. Hillebrand hervorzuheben, unter seinen übrigen in Florenz ausgeführten, namentlich durch die Behandlung des Nackten ausgezeichneten Werken: die Marmorfigur eines Adam (1878, Museum zu Leipzig), der Sautreiber (Modell zu einer Brunnengruppe), der Wassergießer (Bronzefigur), Familiengruppe (Terrakottarelief) und die Marmorfigur eines nackten jungen Mannes (1884, Nationalgalerie zu Berlin).