Titel
Herz
(Cor), das Centralorgan des Gefäßsystems und somit der ganzen Ernährung, des Stoffwechsels oder Lebens im Körper des Menschen und der meisten Tiere. Es stellt bei ersterm einen hohlen, halbkegelförmigen, muskulösen, etwa faustgroßen Körper dar, dessen Gewicht bei Männern durchschnittlich 350 g, bei Weibern 310 g beträgt und der seine Lage im vordern untern Teil der Brusthöhle, dicht hinter dem Brustbein hat. (S. Tafel: Die Brusteingeweide des Menschen II, [* 1] Fig. 10-13.) Er liegt hier, und zwar nicht genau in der Mittellinie des Körpers, sondern mehr nach links zu, in schräger Richtung zwischen den beiden Lungen und ruht mit seiner Spitze und einem Teile seiner hintern Wand auf dem Zwerchfell auf, sodaß seine Grundfläche nach rechts oben und hinten, seine Spitze aber nach links unten und vorn gekehrt ist.
Das Herz
wird von dem
Herzbeutel (pericardium) allseitig umschlossen, einem häutigen, nach Art einer eingestülpten Zipfelmütze
gestalteten doppelten Sacke, dessen inneres (sog. viscerales)
Blatt
[* 2] (s.
Tafel: Das Herz
des
Menschen,
[* 1]
Fig. 4, 1) die
gesamte Oberfläche des als eine glatte, zarte, glänzende
Haut
[* 3] in inniger Verwachsung überzieht, während sein äußeres
(sog. parietales)
Blatt das Herz
bis über die Abgangsstelle der großen Gefäßstämme als ein lockerer, mäßig weiter
Beutel
[* 4] umschließt und teils mit den beiden Brustfellsäcken, teils mit dem Zwerchfell und mit der vordern Brustwand
innig verwachsen ist (s. Fig. 1, 1). Zwischen den beiden
Blättern befindet sich die
Höhle des
Herzbeutels, welche von einer
geringen Menge einer klaren, serösen, der Erleichterung der Herz
bewegungen dienenden Flüssigkeit, dem
Herzbeutelwasser (liquor
pericardii), erfüllt wird.
An dem Herz
selbst, dessen Gestalt der eines flachgedrückten
Kegels gleicht, pflegt man zu unterscheiden:
die
Spitze (apex s. mucro, s. Fig. 1, 6; 2, 3), welche abgerundet ist und
die vordere Brustwand berührt;
die Basis, die breite, nach rechts oben und hinten gekehrte Fläche, welche die Abgangsstellen der Lungenpulsader und der großen Körperpulsader enthält (s. Fig. 1, 7,8; 2, 13,14; 3, 8-10);
eine vordere (obere) konvexe und eine hintere (untere) glatte Fläche;
zwischen beiden zwei abgerundete Seltenränder.
In der Mitte der vordern
Fläche zieht eine seichte Längsfurche (sulcus longitudinalis, s. Fig. 4, 3) von der
Basis bis zur
Spitze herab, welche das Herz
äußerlich in
¶
mehr
eine rechte und linke Hälfte teilt und der in der Höhle des Herz angebrachten muskulösen Scheidewand entspricht. Diese Längsfurche wird rechtwinklig durch die rings um das Herz herumlaufende Ring- [* 6] oder Querfurche (sulcus circularis s. coronalis) geschnitten, welche äußerlich die Grenze zwischen den Vorhöfen und den Herzkammern zu erkennen giebt. In seinem Innern wird das Herz durch eine der Länge nach sich herabziehende, in ihrer Richtung äußerlich durch die Längsfurche angedeutete muskulöse Scheidewand (septum cordis, s. Fig. 2, 4; 4, 6) in eine rechte und eine linke Hälfte geschieden, von denen die erstere, weil sie dunkles (venöses) Blut enthält und dem Lungenkreislauf vorsteht, wohl auch als Lungenherz bezeichnet wird, während die letztere hellrotes (arterielles) Blut umschließt und wegen ihres Zusammenhangs mit der großen Körperpulsader auch Aortenherz genannt wird.
Beim geborenen normalen Menschen besteht durchaus keinerlei Verbindung zwischen den beiden Herzhälften, während dieselben
beim Embryo (s. d.) durch eine Öffnung, das sog.
ovale Loch (foramen ovale), miteinander kommunizieren. Jede Herzhälfte wird aber wiederum durch eine
besondere Querscheidewand in eine obere und eine untere Abteilung getrennt, die durch eine längliche Öffnung in der Querscheidewand
miteinander in Verbindung stehen. Die obere dieser Abteilungen wird als Vorkammer oder Vorhof (atrium
cordis), die untere als
Herzkammer (ventriculus cordis) bezeichnet, sodaß das Herz im ganzen vier ungefähr gleich geräumige
Höhlen, eine rechte und eine linke Vorkammer (s. Fig. 1, 3,5; 2, 11,12; 3, 1,5), getrennt durch die Vorhofscheidewand (s.
Fig. 3, 4), sowie eine rechte und eine linke Herzkammer
[* 5]
(s.Fig. 1, 2,4; 2, 5,6; 4, 4,5) enthält. Die
muskulösen Wände der Vorhöfe, deren jeder eine blinde sackförmige Ausstülpung, das sog. Herzohr (auricula cordis, s. Fig.
3,2, s), besitzt, sind dünn, während diejenigen der Herzkammern weit fleischiger sind; die Wand der linken Herzkammer (s.
Fig. 2, 2; 4, 2) ist drei- bis viermal so dick als die der rechten (s. Fig.
2, 1; 4, 3).
In jede Vorkammer münden mehrere große Blutaderstämme ein, nämlich in die rechte die beiden Hohladern, die obere und die untere (vena cava superior, s. Fig. 2, 15, und vena cava inferior, s. Fig. 2, 16) sowie die große Herz- oder Kranzblutader (vena coronaria cordis), in die linke die vier Lungenblutadern (venae pulmonales). Aus jeder Vorkammer führt eine geräumige ovale, von kräftigen Faserringen umgebene Öffnung, die sog. Vorhofs-Herzkammermündung (ostium atrio-ventriculare s. ostium venosum ventriculi), herab in die zugehörige Herzkammer. In unmittelbarer Nähe der Vorhofs-Herzkammermündung, etwas nach innen zu, befindet sich in jeder Herzhälfte in der Querscheidewand noch eine zweite ähnliche runde Öffnung, die Herzkammer-Pulsadermündung (ostium arteriosum ventriculi), durch welche man aus der betreffenden Herzkammer in einen großen Pulsaderstamm gelangen kann, und zwar führt die rechte Öffnung aus der rechten Herzkammer in die Lungenpulsader (arteria pulmonalis, s. Fig. 2, 9; 3, 8), die linke aus der linken Herzkammer in die große Körperpulsader (aorta, s. Fig. 2, 10). An jeder dieser vier Öffnungen befinden sich eigentümliche häutige Gebilde, die sog. Herzklappen (valvulae cordis), angebracht, welche den Blutumlauf im H. nach Art von Ventilen regulieren und das Durchströmen des Blutes nur in einer ganz bestimmten Richtung gestatten.
An den beiden Vorhofs-Kammermündungen bestehen die Klappen aus segel- oder zipfelförmigen, nach unten spitz zulaufenden häutigen Lappen, welche durch zahlreiche, von besondern Abschnitten des Herzmuskels, den sog. Warzen- oder Papillarmuskeln (musculi papillares, s. Fig. 2, 17), ausgehende Sehnenfäden (chordae tendinae) gespannt erhalten werden, bei der Rückstauung sich aber aneinanderlegen und so die Vorhofs-Kammermündung verschließen. Die Klappe der linken Vorhofs-Kammermündung besteht aus zwei solchen Hautzipfeln und heißt deshalb die zweizipfelige, Mitral- oder Mützenklappe (valvula bicuspidalis s. mitralis, s. Fig. 2, 8; 3, 7), während die Klappe der rechten Vorhofs-Kammermündung aus drei häutigen Zipfeln besteht und deshalb als dreizipfelige Klappe (valvula triscuspidalis, s. Fig. 2, 7; 3, 3) unterschieden wird.
Anders an den beiden Pulsadermündungen, an welchen der Klappenapparat von drei nach oben offenen, in einen Kreis [* 7] zusammengestellten, halbmondförmigen Taschen gebildet wird, die sich an die Wand der Arterie [* 8] anlegen, wenn das Blut in dieselbe einströmt, sich aber durch das zurückfallende Blut füllen und aneinander legen, wenn die Herzkontraktion nachläßt; die Klappen der linken Pulsadermündung heißen halbmondförmige Aortenklappen (valvulae semilunares aortae, s. Fig. 2, 10; 3, 10), die der rechten halbmondförmige Lungenpulsader- oder Pulmonalklappen (valvulae semilunares pulmonales, s. Fig. 2, 9; 3, 9).
Das Innere sämtlicher Herzhöhlen, mit Einschluß der Herzklappen, wird von einer außerordentlich dünnen und zarten Haut, der sog. innern Herzhaut (endocardium) überkleidet, welche ohne Unterbrechung in die innere Haut (endothelium) der großen Gefäßstämme übergeht. Das Muskelfleisch des Herz besteht aus langen, schmalen, quergestreiften Muskelfasern, die sich vielfach gabelartig teilen und teils spiralförmig, teils in Achtertouren um die Herzhöhlen herumlaufen; durch ihre Kontraktion bewirken sie eine gleichmäßige Verengerung der Herzhöhlen.
Bei fettsüchtigen Personen kommt es nicht selten zu einer fettigen Entartung der Muskelfasern des Herz, durch welche die letztern mehr oder weniger untauglich für ihre physiol. Verrichtungen werden. (S. Herzverfettung.) Ernährt wird das Herz durch besondere aus der Aorta entspringende Gefäße, die beiden Kranzpulsadern (arteriae coronariae cordis), die in Begleitung der zugehörigen Blutadern in den Längs- und Querfurchen des Herz verlaufen und sich sodann in der Herzmuskulatur verzweigen (s. Fig. 1, 9; 3, 11,12; 4, 7,8). Das Herz besitzt auch einen eigenen, mit zahlreichen Ganglienzellen [* 9] versehenen Nervenapparat.
Die Thätigkeit des Herz besteht während des ganzen Lebens in ununterbrochen und rhythmisch erfolgenden Zusammenziehungen und Erschlaffungen seiner kontraktilen Fleischwände, wodurch seine Höhlen abwechselnd verengt und erweitert werden, das in ihnen enthaltene Blut periodisch in die großen Gefäßstämme hineingepreßt und so der gesamte Blutumlauf des Körpers hervorgerufen und unterhalten wird. Der Blutumlauf im H. geht hierbei in folgender Weise vor sich: während der Erschlaffung oder Diastole des Herz sammelt der rechte ¶
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Vorhof das durch die obere und untere Hohlvene aus allen Körperteilen dem Herz zuströmende venöse (dunkelrote) Blut, welches hierauf aus dem Vorhof durch die rechte Vorhof-Kammermündung in die rechte Herzkammer fließt; aus dieser wird es bei der Zusammenziehung oder Systole des Herz, bei der sich die dreizipfelige Klappe schließt und die rückläufige Bewegung des Blutes nach dem Vorhof zu verhütet, durch die rechte Pulsadermündung in die Lungenpulsader und durch diese in die Haargefäße der Lungen gepreßt, wo es in Berührung mit der Lungenluft Kohlensäure abgiebt und Sauerstoff aufnimmt (hellrot oder arteriell wird).
Die Lungenkapillaren hingegen sammeln sich zu vier Lungenvenen, welche in den linken Vorhof des Herz einmünden, aus welchem sich das arterielle Blut während der Diastole in die linke Herzkammer ergießt. Aus der letztern wird das Blut bei jeder Kontraktion des Herzmuskels, bei welcher sich gleichzeitig die zweizipfelige Herzklappe schließt und den Weg nach dem Vorhof versperrt, mit großer Kraft [* 11] durch die linke Pulsadermündung in die Hauptschlagader (aorta) getrieben, von wo aus es sich durch die Schlagadern des Körpers verteilt und die Haargefäße durchströmt, um durch die Venen wieder zum Vorhof des Herz zu gelangen. Der Lauf des Blutes aus der rechten Herzhälfte durch die Lungenpulsader in die Lungen, dann durch die Lungenblutadern zum linken Vorhof zurück heißt der kleine Kreislauf [* 12] oder Lungenkreislauf, der aus der linken Herzkammer durch die Aorta und ihre Zweige zu allen Körperteilen und aus diesen durch die Hohladern zum rechten Vorhof zurück der große Kreislauf oder Körperkreislauf. (S. Kreislauf des Blutes.)
Da das Herz ganz nach Art einer Druckpumpe wirkt, so ist es für das ungestörte und regelmäßige Vonstattengehen seiner Funktionen ganz unerläßlich, daß der oben beschriebene vierfache Klappenapparat zur rechten Zeit genau und sicher schließt, daß also nach jeder Diastole des Herz die an den Vorhofs-Kammermündungen angebrachten Zipfelklappen, nach jeder Systole die an den Pulsadermündungen befindlichen halbmondförmigen Klappen einen rechtzeitigen festen Verschluß der betreffenden Vorhofs- oder Pulsadermündung bewirken und so das Rückwärtsfließen des Blutes verhüten. Wird der Mechanismus der Herzklappen durch krankhafte Prozesse gestört, so wird auch sofort der gesamte Blutkreislauf [* 13] erschwert. (S. Herzfehler.)
Die beiden Vorhöfe des Herz besitzen eine selbständige Bewegung, insofern sie sich einen Moment früher zusammenziehen als die Herzkammern; beide Vorhöfe und beide Kammern kontrahieren sich aber für sich und stets gleichzeitig (isochron). Jede Zusammenziehung (Systole) des Herz braucht nur den dritten bis vierten Teil der Zeit, den die Erschlaffung (Diastole) desselben in Anspruch nimmt; bei dieser vergrößert, bei jener verkleinert sich das Herz regelmäßig. Bei jeder Herzkontraktion drängt sich das kürzer und kugeliger werdende Herz mit seiner vordern Fläche und seiner Spitze stärker gegen die Brustwand an und bewirkt in der Gegend der linken Brustwarze, gewöhnlich zwischen der fünften und sechsten Rippe, eine deutlich fühlbare, oft auch sichtbare Erschütterung der Brustwand, d. i. der sog. Herzstoß oder Herzschlag (pulsus cordis), welcher dem Puls (s. d.) der Arterien eine kaum merkliche Zeit vorhergeht.
Beim erwachsenen Menschen erfolgen in der Minute 70-80 Herzschläge, bei Kindern mehr (zwischen 90 und 140), bei Greisen weniger. In der Regel kommen vier Herzschläge auf einen Atemzug; bei allen fieberhaften Krankheiten sind Herzschlag und Pulsfrequenz bald mehr, bald minder beschleunigt. (S. Fieber.) Legt man das Ohr [* 14] oder ein Hörrohr (Stethoskop) an die Herzgegend an, so hört man zwei rasch aufeinander folgende, scharfe, reine Töne, die sog. Herztöne, aus deren Reinheit und Stärke [* 15] der Arzt erkennt, ob der Klappenapparat des Herz noch in Ordnung ist oder nicht. Der erste Herzton ist etwas stärker, dumpfer und länger als der zweite und ist nach der Ansicht der einen eine Folge der Zusammenziehung des Herzmuskels, also ein Muskelton, während er nach der Meinung der andern durch die Schwingungen der gespannten häutigen Zipfelklappen entsteht; der zweite Herzton ist heller und kürzer und rührt von dem plötzlichen klappenden Verschluß der halbmondförmigen Klappen her.
Die Herzthätigkeit steht, wie die Thätigkeit aller Muskeln, [* 16] unter dem Einflusse des Nervensystems und wird teils von besondern, im Herzfleisch selbst eingelagerten (intrakardialen) Ganglienzellen, teils von Zweigen des zehnten Gehirnnerven (nervus vagus), teils von dem sympathischen Nerven [* 17] geregelt. Die intrakardialen Ganglien scheinen das Herz direkt automatisch zu seiner rhythmischen Thätigkeit anzuregen, was man aus der Thatsache schließen kann, daß das ganz aus dem Körper herausgeschnittene Tierherz noch einige Zeit, bei kaltblütigen Tieren selbst tagelang fortfährt, regelmäßig und rhythmisch zu schlagen.
Die Reizung des sympathischen Nerven beschleunigt die Herzthätigkeit, während die des Vagus sie verlangsamt oder selbst ganz aufhebt. Der Vagus ist also ein ausgesprochener Hemmungsnerv des Herz (s. Hemmung), und bei Lähmung desselben schlägt das Herz auffallend rasch. Der Nervenapparat des Herz vermittelt die Steuerung des Herz in der Weise, daß Reichtum des arteriellen Blutes an Kohlensäure den Vagus vom verlängerten Mark aus lähmt und so die Herzthätigkeit beschleunigt und umgekehrt, sodaß das Herz in seiner eigenen Thätigkeit seinen selbstthätigen Regulator [* 18] besitzt. Auch Gemütsbewegungen beeinflussen die Herzthätigkeit und bewirken einerseits durch reflektorische Erregung des Vagus momentanen Herzstillstand, andererseits, wie bei Schreck, Angst u.dgl., eine Beschleunigung der Herzkontraktionen, welche wahrscheinlich auf plötzlicher Verengerung der Arterien und dadurch gesteigertem Widerstand beruht. - Über die Krankheiten des Herz s. Herzkrankheiten.
Die stetige, obwohl von der Willkür des Menschen unabhängige, doch durch Gemütsstimmungen, wie Furcht, Schmerz, Hoffnung, Freude u. dgl., verschiedenartig modifizierte, dabei lange Zeit unerklärte und doch als mit dem Leben im innigsten Zusammenhang stehend anerkannte Bewegung des Herz führte schon frühzeitig den Menschen darauf, das als den Sitz des Lebensprincips, der Seele, anzusehen. Da jedoch die Modifikation der Bewegung nicht sowohl durch Gedanken als durch Gefühle hervorgebracht wurde, so schrieb man dem Herz vorwiegend die Gemütsaffekte zu, im Gegensatz zu dem Kopfe, dem Sitz des Gedankens. Zwar war die Anschauungsweise in verschiedenen Zeiten und bei verschiedenen Völkern voneinander abweichend, besonders in Hinsicht auf einzelne Gefühle, wie z. B. die Alten als Sitz der Liebe nicht das Herz, ¶