Herwegh
,
Georg, Dichter, geb. zu Stuttgart, [* 2] erhielt seinen ersten Unterricht in Stuttgart und Maulbronn und bezog dann das prot.-theol. Stift in Tübingen. [* 3] Von dem theol. Studium nicht befriedigt, wandte er sich wieder nach Stuttgart, wo er an Lewalds «Europa» [* 4] mitarbeitete. Infolge eines Konflikts mit einem Offizier verließ er Württemberg [* 5] und ging nach Emmishofen im Kanton Thurgau, [* 6] dann nach Zürich. [* 7] Hier veröffentlichte er die «Gedichte eines Lebendigen» (Zür. und Winterth. 1841; 11. Aufl., Stuttg. 1891), polit.
Poesien voll jugendlichen
Feuers und glänzender, schwungvoller Form, welche in der von Freiheitsbestrebungen bewegten Zeit
rasch populär wurden. Nach einem kurzen Aufenthalt in
Paris
[* 8] unternahm Herwegh
1842 eine
Reise durch
Deutschland,
[* 9] auf der er als
Freiheitssänger sich feiern ließ. Selbst der König von
Preußen
[* 10] beschied ihn in
Berlin
[* 11] zur
Audienz.
Als er
aber von Königsberg
[* 12] aus einen wider seine
Absicht veröffentlichten
Brief an den König von
Preußen richtete, in welchem er
gegen alle konventionellen Formen verstieß, wurde er aus dem preuß.
Staate verwiesen. Er kehrte zunächst nach Zürich
zurück,
doch wurde ihm auch hier bald der Aufenthalt untersagt.
Nach einer
Reise nach Südfrankreich und
Italien
[* 13] nahm Herwegh
seinen bleibenden Aufenthalt in
Paris, wo er mit Heine, mit
Béranger
und
George Sand, vorzugsweise mit poln. und russ.
Emigranten verkehrte. Im April 1848 fiel an der
Spitze einer deutsch-franz.
Arbeiterkolonne in
Baden
[* 14] ein, um sich an dem dortigen
Aufstande zu beteiligen, wurde jedoch 27. April bei
Dossenbach
von württemb.
Truppen geschlagen. Er rettete sich in die
Schweiz,
[* 15] von wo aus er alsbald nach
Paris zurückkehrte. Im Juni 1849 ging
Herwegh
nach Genf,
[* 16] von wo er nach sechsmonatigem Aufenthalt nach Nizza
[* 17] übersiedelte. Einige Zeit darauf
kehrte er nach der
Schweiz zurück und nahm hier seinen Aufenthalt wieder in Zürich.
Später hielt er sich teils in
Paris und im südl.
Frankreich, teils auch wieder in
Deutschland, seit 1866 in
Baden-Baden
[* 18] auf, wo er, verbittert und ohne Verständnis für die
Neugestaltung
Deutschlands,
[* 19] starb.
Außer den «Einundzwanzig Bogen [* 20] aus der Schweiz» (Zür. und Winterth. 1843),
zu welchen auch andere, wie Bruno Bauer, David Strauß, [* 21] Adolf und Ludwig Seeger, Beiträge geliefert hatten, ließ er von Paris aus einen zweiten Band [* 22] der «Gedichte eines Lebendigen» (Zür. und Winterth. 1844) erscheinen, der jedoch nicht den durchschlagenden Erfolg des ersten Teils hatte. Von den spätern poet. Arbeiten H.s sind namentlich das Gedicht bei Gelegenheit des eidgenössischen Schützenfestes, der Prolog zur Schillerfeier in Zürich und die vielfach ins Italienische übersetzten Strophen auf den Tag von Aspromonte bekannt geworden. Die nach seinem Tode gesammelten «Neuen Gedichte» (Zür. 1877) wurden in Deutschland konfisciert.
H.s Lieder, im
Ausdruck von großer Klarheit und
voll pathetisch-rhetorischer Kraft,
[* 23] sind aus einem
Guß geschaffen und ergreifen
mächtig. Während er im ersten
Teile der «Gedichte eines Lebendigen» eine nationale Bedeutung in
Anspruch nahm, wollte er
im zweiten nur noch der Dichter einer Partei sein.
In den spätern und nachgelassenen Gedichten überwiegt
die epigrammatische Form und eine pessimistische Stimmung gegenüber den großen zeitgeschichtlichen Ereignissen und Persönlichkeiten.
Herwegh
hat die Werke
Lamartines (12 Bde., Stuttg.
1839-40), für die Ulricische
Shakespeare-Übersetzung den
«Coriolanus», für die Bodenstedtsche «König Lear», «Troilus
und Cressida» und mehrere
Lustspiele übertragen.