Titel
Hertz
,
1) Henrik, dän. Dichter, geb. zu Kopenhagen, [* 2] ward nach dem Tod seiner Eltern im Haus des Großhändlers Nathanson erzogen, wo seine früh erwachende Neigung zur Poesie und Kunst reiche Nahrung fand, studierte Jurisprudenz, wandte sich aber später, auf den Staatsdienst verzichtend, ganz der litterarischen Thätigkeit zu. Von Haus aus Israelit, trat er in der Folge zum Protestantismus über, unternahm 1833 mit öffentlicher Unterstützung eine Reise durch Deutschland, [* 3] Italien, [* 4] die Schweiz [* 5] und Frankreich und erhielt nach seiner Rückkehr den Professortitel sowie vom Reichstag eine jährliche Pension. Er starb in Kopenhagen.
Als Dichter gehört Hertz
zu der
Schule
Heibergs, mit dessen
Kreis
[* 6] er sein ganzes
Leben lang verbunden war. Er sprach seine theoretischen
Ansichten aus in seinen berühmten, in Baggesenscher Art verfaßten »Gjengangerbrevene«
(1830), einer
Reihe von Reimbriefen, durch die er auf die ästhetische
Richtung der Zeit bedeutsam einwirkte, und brachte dieselben
dann in seinen zahlreichen eignen
Dichtungen praktisch zur Anwendung.
Sein Hauptfach war das dramatische;
in allen Zweigen der Bühnendichtung hat er Vorzügliches geleistet. Er schrieb treffliche Vaudevilles, wie: »Arvingerne«, »Debatten i Politivennen« (»Die Debatte im Polizeifreund«, einem Kopenhagener Lokalblatt),
»De Fattiges Dyrehave« (»Der Tiergarten der Armen«) etc.;
ferner gediegene Lustspiele mit aus dem Leben gegriffener Handlung, wie: das feine und anmutige, in gereimten Versen abgefaßte »Amors Genistreger« (1830),
das Charakterlustspiel »Emma« (1832),
»Den eneste Feil« und »Sparekassen« (1836),
»Besöget i Kjöbenhavn« (»Der Besuch in Kopenhagen«) u. a.;
endlich Schauspiele, deren Stoff den verschiedensten Ländern und Zeiten entlehnt ist, wie: »Ninon de l'Enclos« (deutsch von Thaulow, Leipz. 1852),
»Tonietta«, »De Deporterede« etc., und romantische Schauspiele, darunter namentlich das allbekannte »Kong Renés Datter« (»König Renés Tochter«),
das fast alle Bühnen überschritt und viermal ins Deutsche [* 7] übersetzt wurde (z. B. von Leo, 14. Aufl., Leipz. 1884),
und »Svend Dyrings Hus« (deutsch von Leo, das. 1848), worin ein den Volksliedern entlehnter Stoff in einem eigentümlichen effektvollen Versmaß auf die Bühne gebracht wird.
Herrschaft über die dramatische Technik, stets frische Laune und eine Reihe trefflich gezeichneter Gestalten charakterisieren diese dramatischen Dichtungen. Auch hat eine große Anzahl durch schöne Form und ansprechenden Inhalt ausgezeichneter Gedichte (»Digte«, 1857-62, 4 Bde.),
einige Novellen sowie zwei größere Zeitbilder: »Stemninger og Tilstande« (»Stimmungen und Zustände«, 1839) und »Johannes Johnsen« (1858),
verfaßt. Seine »Dramatiske Värker« erschienen 1854-73 in 18 Bänden.
2) Adolf Christian, dän. Dramatiker und Romanschriftsteller, geb. zu Kallumborg auf Seeland, wandte sich nach seinen Universitätsstudien der Litteratur zu und lebt als Schriftsteller in Kopenhagen. Er veröffentlichte drei kritische Schriften: »Konstens skandinaviske Fremtid« (»Die Zukunft der Kunst in Skandinavien«, 1853),
»Om lyrisk Poesi« (1854) und »Lohengrin og den Wagnerske Retning« (»Lohengrin und die Wagnersche Richtung«, 1872);
mehrere Erzählungen, wie: »Marie Rose« (1876) und »Onde Stjerner« (»Unglückssterne«, 1880),
eine Geschichte aus dem Leben Tycho Brahes;
endlich das Lustspiel »Student og Komediant«, das 1877 aufgeführt wurde.
Seine dramatische
Dichtung
»Baldurs Dröm«
(»Balders
Traum«) hat
Niels
Gade in
Musik gesetzt. Auch als
musikalischer
Kritiker hat sich Hertz
einen bekannten
Namen gemacht.
3) Martin, Philolog, geb. zu Hamburg, [* 8] studierte seit 1835 in Berlin [* 9] und Bonn, [* 10] habilitierte sich 1845 in Berlin und unternahm darauf eine zweijährige, wesentlich der Durchforschung der Handschriften des Gellius und Priscian gewidmete Reise durch Süddeutschland, Holland, Belgien, [* 11] Frankreich, die Schweiz, Italien und Sizilien. [* 12] Von 1847 bis 1855 wirkte er dann als Privatdozent in Berlin, nach Lachmanns Tod (1851) bis zur Ernennung Haupts (1853) mit der Leitung der lateinischen Abteilung des philologischen Seminars betraut. 1855 ¶
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wurde er ordentlicher Professor der klassischen Philologie in Greifswald, [* 14] 1862 in Breslau. [* 15] Er lieferte zu Gellius eine Textausgabe (Leipz. 1853, 2 Bde.; 2. Aufl. 1886) und eine kritische Ausgabe (Berl. 1883-1885, 2 Bde.) sowie »Vindiciae Gellianae« (Greifsw. 1858),
»Vindiciae Gellianae alterae« (Leipz. 1873) u. a., gesammelt in »Opuscula Gelliana« (lat. u. deutsch, Berl. 1886). Seine andern Hauptwerke sind die Textausgaben des Livius (Leipz. 1857-64, 4 Bde.) und die kritische Ausgabe der Grammatik des Priscian (das. 1855-59, Bd. 2 u. 3 von Keils »Grammatici latini«). Sonst nennen wir: »Sinnius Capito« (Berl. 1844);
»De P. Nigidii Figuli studiis atque operibus« (das. 1845);
»Ein philologisch-klinischer Streifzug« (das. 1849);
»T. Maccius Plautus oder M. Accius Plautus?« (das. 1854);
»Renaissance und Rokoko in der römischen Litteratur«, Vortrag (das. 1865),
u. a. Zur Geschichte der Philologie veröffentlichte er eine Biographie Lachmanns (Berl. 1851) und »Helius Eoban Hesse«, Vortrug (das. 1860).
4) Wilhelm, Dichter, geb. zu Stuttgart, [* 16] widmete sich nach beendigter Gymnasialbildung zuerst der Landwirtschaft, studierte dann in Tübingen [* 17] romanische und germanische Philologie und wendete sich 1858 nach München, [* 18] wo er sich dem Dichterkreis von Geibel, Heyse, Bodenstedt, Lingg etc. anschloß. Bald veröffentlichte er seine lebensfreudigen, sinnlich-warmen, selbst glühenden und formell schönen »Gedichte« (Hamb. 1859). Durch die Kriegsbewegung des Jahrs 1859 seinen Studien entrissen, trat er als Leutnant in das württembergische Heer ein, nahm jedoch noch vor Jahresfrist seinen Abschied und machte eine größere wissenschaftliche Reise durch Frankreich, England und Schottland. Nach München 1861 zurückgekehrt, habilitierte er sich 1862 mit der Abhandlung »Der Werwolf, ein Beitrag zur Sagenkunde« (Stuttg. 1861) als Privatdozent an der dortigen Universität und ward 1869 Professor der Litteraturgeschichte am Polytechnikum daselbst. Er veröffentlichte als Dichter noch die mittelalterliche Stoffe graziös und formgewandt behandelnden kleinern Epen: »Lanzelot und Ginevra« (Hamb. 1860),
»Hugdietrichs Brautfahrt« (Stuttg. 1863, 3. Aufl. 1880; illustriert von A. v. Werner, das. 1872),
»Heinrich von Schwaben« (das. 1868),
»Bruder Rausch. Ein Klostermärchen« (2. Aufl., das. 1882);
als Forscher die Schriften: »Deutsche Sage im Elsaß« (Stuttg. 1872),
»Die Nibelungensage« (Berl. 1877) und »Die Sage von Parzival und dem Gral« (Bresl. 1882).
Eine vorzügliche Leistung war seine Neubearbeitung von »Tristan und Isolde« von Gottfried von Straßburg, nach den Tristanfragmenten des Trouvère Thomas ergänzt (Stuttg. 1877). Außerdem lieferte er in »Roland, das älteste französische Epos« (Stuttg. 1861),
»Marie de France. Poetische Erzählungen nach altbretonischen Liebessagen« (das. 1862) und »Aucassin und Nicolette« (Wien [* 19] 1865) gelungene Nachbildungen altfranzösischer Dichtungen.