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die
Gastfreundschaft des
Keyx genoß. Unterwegs tötete er am
Fluß Euenos den
Kentauren
Nessos, welcher der
Deïaneira
Gewalt anthun
wollte und sich sterbend rächte, indem er der
Deïaneira von seinem geronnenen
Blut gab, um daraus nach seiner Angabe eine
Zaubersalbe zu bereiten, welche ihr jederzeit die
Liebe ihres
Gatten sichern würde. Von Trachis aus bekämpfte
Herakles
[* 3] zuerst die
Dryoper und stand dem dorischen König Ägimios gegen die
Lapithen bei; dann hatte er seinen berühmten
Zweikampf
mit
Kyknos, einem Sohn des
Ares,
[* 4] welcher in dem Hesiodischen Gedicht »Der
Schild
[* 5] des Herakles«
geschildert ist.
Endlich nahte das Ende des
Helden, das gewöhnlich mit seinem Rachezug gegen den wortbrüchigen
Eurytos
(s.
oben) in
Verbindung gebracht wird, und das wir am besten aus der meisterhaften
Darstellung in
Sophokles' »Trachinierinnen«
kennen. Die Stadt Öchalia wird erobert,
Eurytos getötet; die schöne
Iole aber führt Herakles
gefangen mit sich fort. Auf dem
Vorgebirge
Euböas, Kenäon, errichtete er dem
Zeus
[* 6] einen
Altar
[* 7] und sandte seinen Waffengefährten
Lichas
aus, ihm ein weißes Gewand zum
Opfern zu holen.
Deïaneira erfuhr zu ihrer
Freude von
Lichas, daß Herakles
siegreich gewesen und auf der Heimkehr begriffen sei. Zugleich brachte
ihr dieser die schöne
Iole mit. Eifersüchtig, wollte
Deïaneira die
Salbe des
Nessos versuchen, um sich
des
Gatten
Liebe zu bewahren, bestrich mit jener das verlangte Opfergewand und schickte es ihm zu. Kaum war dasselbe auf dem
Leib des Herakles
warm geworden, so drang das in der
Salbe enthaltene
Gift, das von des
Helden vergiftetem
Pfeil herrührte, zerstörend
in den
Körper des Unglücklichen ein.
Wie von
Wahnsinn erfaßt, schleudert
er den Überbringer
Lichas an einen
Felsen des
Meers und läßt sich dann nach Trachis bringen,
wo
Deïaneira in der Verzweiflung sich inzwischen das
Leben genommen hatte. aber, von seiner Rettungslosigkeit überzeugt,
baute sich auf dem nahe gelegenen
Öta einen
Scheiterhaufen, bestieg denselben und befahl jedem Vorübergehenden,
Feuer darunter zu werfen.
Alle scheuten sich, dies zu thun; endlich erfüllt ein
Hirt, Poias, der
Vater des berühmten
Bogenschützen
Philoktet, nach andrer
Erzählung der letztere selbst, seinen
Willen, wofür ihm Herakles
Bogen
[* 8] und
Pfeile schenkt.
Kaum aber lodert die
Flamme
[* 9] empor, so senkt sich unter
Blitz und
Donner eine
Wolke vom
Himmel
[* 10] und führt den
verklärten
Helden zum
Olymp empor, wo er, unter die Unsterblichen aufgenommen und mit
Hera
[* 11] ausgesöhnt, als
Gatte der ewig jungen
Hebe fortan lebt. Zwei
Söhne, Alexiares und Aniketos, werden die
Frucht ihrer
Verbindung.
Homer erzählt über das Ende des Herakles
nur,
daß auch ihn, den gewaltigen Sohn des
Zeus, das Todeslos bändigte; von der Vergötterung des
Helden
weiß er noch nichts.
Gleich nach seinem
Scheiden von der
Erde wurde Herakles
, wie die
Sage berichtet, von seinen
Freunden auf der Brandstätte durch ein
Opfer als
Heros verehrt, worin ihnen alsbald die Nachbarn und allmählich das gesamte Hellenenvolk folgte.
Als einem Gott opferte ihm zuerst der
Athener Diomos und später alle Griechen, so daß ihm an verschiedenen
Orten zugleich
Heroen- und Götteropfer dargebracht wurden. In
Athen
[* 12] war sein Heiligtum das sogen.
Kynosarges; einen der ältesten und berühmtesten
Tempel
[* 13] hatte er zu
Bura in
Achaia.
Auch feierte man ihn durch
Kampfspiele; die ihm gewidmeten
Feste hießen Herakleen, und es gab solche zu
Sikyon,
Theben,
Lindos,
auf
Kos etc. Zu
Athen wurden ihm zu
Ehren unter
Scherzen und Späßen die Diomeen gefeiert. Auch in
Italien
[* 14] hatte
Hercules (Umformung
des griech.
Herakles
) einen ausgebreiteten
Kultus; dort knüpft die
Sage an seinen Zug
nach
Westen gegen
Geryon an.
Namentlich in
Rom
[* 15] hatte er unter verschiedenen Beinamen zahlreiche
Tempel und Heiligtümer. Wahrscheinlich war durch den Einfluß
Großgriechenlands der
Kultus des griechischen Herakles
mit dem eines altitalischen
Heros ähnlichen
Charakters (als dessen
Name Garanus
angesehen worden ist) zusammengeschmolzen. Auch nach
Sizilien,
[* 16]
Corsica,
[* 17]
Sardinien,
[* 18]
Spanien
[* 19]
(Gades) wurde der
Herakleskult
(vielleicht schon durch die Phöniker) verpflanzt. Bei den
Sabinern hieß er
Semo oder
Semo Sancus, und unter diesem
Namen war ihm zu
Rom schon in uralter Zeit ein
Tempel geweiht.
Heilig waren ihm die Silberpappel, der
Ölbaum, der
Eppich und
die warmen
Quellen.
Während der griechische Herakles
sich durch die Mühseligkeiten des Menschenlebens zu göttlicher
Würde emporarbeitet, tritt der
orientalische Herakles
gleich von Anfang an als Gott auf und ist demnach auch ungleich älter als der Sohn der
Alkmene. Der ägyptische
Name des Herakles
war Som oder Dsom, sein
Vater
Ammon
[* 20]
(Zeus). Er wird als stark und tapfer geschildert, soll die
Erde weit und breit durchwandert
und sie von Ungeheuern gereinigt haben. Er galt den Ägyptern als
Sinnbild der
Sonne,
[* 21] der »stets
ringenden und endlich immer wieder siegenden Sonnenkraft«. (Vgl.
Raoul Rochette in den
»Mémoires de l'académie des inscriptions«,
XVII, 2, 303 ff.) Den
Sonnengott Herakles
feiert auch der orphische Herakles
hymnus, nach welchem der unermüdliche
Gott zwölf
Kämpfe von
Morgen nach
Abend vollendet (symbolische
Darstellung des
Durchganges der
Sonne durch die zwölf Zeichen
des
Tierkreises).
Der tyrische oder phönikische Herakles
heißt
Melkart (»König der Stadt«),
sein
Vater Demaroon,
Halbbruder des
Kronos, und seine
Mutter
Asteria
(Astarte), seine Tochter
Karthago
[* 22] (vgl.
Movers, Die Phönikier, Bd. 1, S. 431 ff.,
Bonn
[* 23] 1841). Er und
Astarte waren die großen Nationalgottheiten der Phöniker, Herakles
insbesondere
Schirmvogt des großen
Tyros.
Mit den
Fahrten der Phöniker verbreitete sich sein Kult auch in die
Ferne. Auch der phönikische Herakles
ist
Sonnenkönig,
Fürst des Weltalls, der die
Pole umfährt und den Sohn der Zeit, das zwölfmonatliche Jahr, in steten
Kreisen
mit sich führt, dann aber auch Handelsgott.
Sein
Dienst dauerte auch unter der römischen Herrschaft bis gegen
Konstantins d. Gr. Zeit hin fort. Verwandt mit diesem ist
der assyrische (als Gott
Sandan oder Sandon genannt), dessen
Verbrennung, um zu einem neuen
Leben aufzuerstehen,
sogar höchst wahrscheinlich Veranlassung gab zu der
Selbstverbrennung des griechischen Herakles
auf dem
Öta. (Vgl. O.
Müller,
Kleine
Schriften, Bd. 2, S., 100 ff.)
Beiden ähnlich, vielleicht identisch mit ihnen, war der thasische, wie auch der idäische
Daktyl Herakles mit
beiden vielfach verwandt erscheint. Er stammte aus
Kreta, war Zauberer, aber auch
Feldherr, galt bei den Kretern als Sohn des
Zeus von einer unbekannten
Mutter und war ebenfalls viel älter als der Sohn der
Alkmene.
Unüberwindliche Körperstärke, Wanderungen über die ganze Erde, Vertilgung der Ungeheuer werden auch ihm zugeschrieben. Die Sagen von einem indischen Herakles, d. h. von einem Herakles, der bis nach Indien vorgedrungen sei, tragen das Gepräge des später dorthin gedrungenen griechischen Mythus. Ferner wird ein persischer Herakles, Namens Sam Dew (»Dämon Sam«),
genannt, der in den Zendbüchern eine große Ähnlichkeit [* 24] mit dem griechischen Herakles zeigt. Er ist Kämpfer im Reich des Lichts und der Gerechtigkeit. Der von Tacitus erwähnte germanische Herakles ist ein ¶
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germanischer Nationalheld, den die Römer [* 26] durch Erteilung des Namens Hercules romanisierten, ohne daß sich eine Verwandtschaft mit dem griechisch-römischen Heros nachweisen ließe.
Die Sage vom Herakles ist aus sehr verschiedenartigen Elementen erwachsen. Es sind nicht nur viele landschaftliche Sagen zusammengeflossen, sondern, wie aus dem oben Gesagten ersichtlich ist, auch ausländische, namentlich asiatische und ägyptische, Elemente reichlich hereingezogen. Herakles ist allerdings ein hellenischer Heros, aber zuletzt war er doch »zu einer zentralierenden Macht der alten Mythologie und Religion geworden, zu welcher alle Völker und alle Bildungsepochen des vorchristlichen Altertums ihre Beiträge geliefert haben«.
Sein ursprünglicher Begriff ist der eines solarischen Gottes; in ihm personifiziert sich die Sonnenkraft mit ihren bald sieg- und segensreichen, bald auch unterdrückten und oft verderblichen Wirkungen; ihre Strahlen sind seine nie fehlenden Pfeile. In dieser Eigenschaft ist er ein Sohn des Himmelsgottes (wie Apollon) [* 27] und befreundet mit der Lichtgöttin Athene [* 28] und vielfach sich berührend mit Apollon und mit Dionysos [* 29] (dem Gotte des Naturlebens). Daß er nicht, gleich Apollon, ein Gott blieb, was er ursprünglich war, sondern zum Halbgott erniedrigt wurde, hat er mit manchen andern Sonnenhelden gemein.
Dieser Lichtgeist wurde in alter Zeit zu Argos und Mykenä [* 30] verehrt. Mit ihm verschmilzt dann frühzeitig auch der phönikische wieder kleinasiatische kämpfende Sonnengott. Alt war die Verehrung phönikischer Gottheiten in Theben. Deshalb wurde Herakles von Argos nach Theben versetzt, und die thebanische Sage bringt ihn in Verbindung mit dem phönikischen Melkart (s. oben), mit dessen Tod und Auferstehung sich griechische Anschauungen von der Unterwelt und griechische Vorstellungen von den Lichtgöttern, welche die Geister der Finsternis besiegen, verschmolzen.
Bloß auf Phönikien und Vorderasien weisen die Sagen von dem Kampf mit der Amazonenkönigin und von seiner Dienstbarkeit bei der Omphale, die Errichtung der Säulen des [* 31] Melkart, die Selbstverbrennung des Helden hin. Von großer Bedeutung für die Hellenen ist als Ideal geworden. Er ist im allgemeinen »das Abbild seines Vaters Zeus auf Erden, stark vor allen, immer siegreich (Kallinikos), wohlwollend, eine sichere Hilfe in aller Gefahr, dem heitern Lebensgenuß gern ergeben«. Wegen seiner vielen Kämpfe war er der Vorsteher der griechischen Gymnasien und Palästren (Herakles Enagonios), das Vorbild eines gymnastisch gebildeten Jünglings und Mannes. Eine zweite Grundform des Herakleskultus ist die des unheilabwehrenden, helfenden Herakles (Alexikakos). Als solcher erscheint er zunächst als Lichtgott, der alles Finstere und Böse vernichtet, Götter und Menschen von Not und Unheil befreit und überhaupt für das Wohl der Menschheit thätig ist.
Noch größern Einfluß aber gewann er auf die Hellenen als sittliches Ideal. Er ist ihnen das Vorbild unverwüstlicher Körperkraft und unerschütterlichen Mutes, ein Muster alles Heldentums, aber nicht bloß des kämpfenden, sondern auch des sich demütigenden, entsagenden, gehorsamen Helden, der sich den göttlichen Geboten unterwirft, für seine Schuld büßt und dadurch dieselbe sühnt. Besonders hatte der spartanische Adel in seiner besten Zeit dieses Ideal vor Augen.
Abgebildet wird als das Ideal der Manneskraft, mit gedrungener, muskulöser Gliederfülle, krausem Haupt- und Barthaar, kurznackigem Hals, verhältnismäßig kleinem Kopf mit niedriger Stirn und ruhigen, oft Ermüdung zeigenden Mienen und Gebärden. Durch Anstrengung gestählte Kraft [* 32] ist der Hauptzug seiner Erscheinung. Selten fehlen dem übrigens Nackten die Löwenhaut und die Keule, oft ist ihm auch Köcher und Bogen beigegeben. Dieser Typus ist vornehmlich durch Myron und Lysippos entwickelt worden.
Von letzterm war am berühmtesten der Erzkoloß des »trauernden Herakles« in Tarent, der durch die Römer auf das Kapitol, von da durch Kaiser Konstantin nach Konstantinopel [* 33] kam, wo er im sogen. lateinischen Kreuzzug 1202 eingeschmolzen wurde. Unter den erhaltenen Statuen nimmt der trefflich erhaltene sogen. Farnesische Herakles im Museum zu Neapel [* 34] (1590 in den Thermen des Caracalla gefunden), eine kolossale Statue des nach einer vollbrachten That sich auf die Keule stützenden Helden (nur die Hand [* 35] ist modern), die erste Stelle ein; es ist die Arbeit des Atheners Glykon, wie die Inschrift am Felsen meldet, aber wahrscheinlich Kopie eines Werkes von Lysippos (vgl. Abbildung).
Künstlerisch noch bedeutender, aber sehr verstümmelt (ohne Kopf, Arm und Bein) ist der berühmte Torso des im Sitzen ausruhenden Herakles im Belvedere des Vatikans (unter Papst Julius II. in Rom gefunden). Am liebsten aber stellte man den Heros thätig dar, indem man die eine oder andre Szene aus seinem Leben zur Anschauung brachte. Zahlreiche Darstellungen dieser Art haben sich in Statuen wie in Reliefs, besonders aber auf zahllosen Vasengemälden erhalten. Wir erwähnen davon die Darstellung des Dreifußraubes, der Entführung des Kerberos [* 36] (s. d., mit Ab-
[* 3] ^[Abb.: Farnesischer Herakles (Neapel).] ¶
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bildung), des Schlangenkampfes (in einer Statue zu Florenz [* 38] und auf verschiedenen Wandgemälden), Herakles im Kampf mit der Hydra (Statue des Museums auf dem Kapitol), die Metopenreliefs am Theseion zu Athen und am Zeustempel zu Olympia, von denen diejenige mit dem kretischen Stier sich jetzt im Louvre zu Paris [* 39] befindet, die Farnesische Marmorgruppe, und Omphale darstellend, im Museum zu Neapel, Herakles mit dem kleinen Telephos auf dem Arm (im vatikanischen Museum) u. a.
Vgl. Buttmann, Über den Mythus des Herakles (Berl. 1810);
O. Müller, Die Dorier, Bd. 2, S. 493 ff.; Vogel, Hercules descriptus et illustratus (Halle [* 40] 1830);
Duncker, Geschichte des Altertums, Bd. 3; Rochette, Mémoires sur l'Hercule assyrien et phénicien (Par. 1848);