Herakles
Herakles (Ursprung der

* 2
Herakles.
[* 2] (bei den
Römern
Hercules), Nationalheros der Griechen, dessen ursprünglicher, in
Thessalien bei den dorischen
Herakliden heimischer
Sagenkreis allmählich erweitert, mit ähnlichen
Helden anderer
Völker in
Verbindung gebracht und namentlich
mit phönikischen und ägyptischen
Elementen versetzt wurde, woher es kommt, daß unter allen griechischen
Mythen der des Herakles
der umfangreichste und komplizierteste ist. Herakles
war der Sohn des
Zeus
[* 3] und der schönen, dem thebanischen König
Amphitryon vermählten
Alkmene aus dem
Geschlecht des
Perseus;
[* 4] sein Zwillingsbruder
Iphikles, welchen die
Mutter von
Amphitryon
empfing, nachdem sich
Zeus eben aus ihren
Armen entfernt hatte, wurde in der folgenden
Nacht geboren.
Licht

* 6
Licht.
Niemals aber war die immer wache
Eifersucht der
Hera
[* 5] heftiger entfacht worden als bei dieser Gelegenheit, und die
Rache, welche
sie für die Treulosigkeit des Gemahls nahm, entsprach ihrer Erbitterung.
Schon
vor der
Geburt des Herakles
begann sie das
Werk der
Verfolgung, um es bis zu seinem
Tod fortzusetzen. Als der
Tag der Niederkunft
Alkmenes gekommen war, gelobte
Zeus im Übermaß der ihm bevorstehenden Vaterfreude, daß derjenige Abkömmling des
Perseus, der heute das
Licht
[* 6] erblicken
werde, über alle andern
Perseïden unumschränkter
Herr sein solle.
Hera ließ sich das
Wort durch einen
Eid bekräftigen und wußte mit
Hilfe der Geburtsgöttin
Eileithyia die
Niederkunft der
Alkmene (s. d.) noch um sieben
Tage zu verzögern, während sie die der Gemahlin des Sthenelos beschleunigte,
wodurch deren Sohn
Eurystheus, an jenem
Tage geboren, die Oberherrschaft über Herakles
erhielt. Herakles
wächst heran als der
Starke an
Körper und
Geist, der im Übermut selbst der Unsterblichen nicht schont, die
Hera und den
Ares
[* 7] verwundet
und unter dem
Schutz seines Erzeugers und der
Athene
[* 8] den ihm von
Hera drohenden
Gefahren trotzt.
Hermes (griechischer G

* 10
Hermes.
Homer gedenkt noch seiner Vermählung mit
Megara (s. unten). Erst bei
Pindar finden wir die
Sage von der Schlangenerdrückung.
Kurze Zeit nämlich war Herakles
mit
Iphikles geboren, als
Hera zwei ungeheure
Schlangen
[* 9] in das Gemach sandte,
um die
Kinder zu verderben; aber faßte die
Tiere mit beiden
Händen und erdrosselte sie.
Amphitryon läßt den
Seher
Teiresias
rufen, und dieser weissagt in begeisterter
Rede die große Zukunft des Wunderkindes. Nach andrer
Sage brachte
Hermes
[* 10] den
Säugling in den
Olymp und legte ihn der
Hera, während sie schlief, an die
Brust.
Diese warf ihn aber beim Erwachen von sich, und von der verspritzten Milch entstand die Milchstraße am Himmel. [* 11] Im Wagenlenken unterrichtete den jungen Helden Amphitryon selbst, im Ringen Autolykos, im Faustkampf Harpalykos, im Bogenschießen Eurytos, in den Waffen [* 12] Kastor, in der Musik Eumolpos oder Linos, in den Wissenschaften Cheiron oder Linos. Letztern erschlug er, weil er ihn gezüchtigt hatte, mit der Laute. Aus Furcht vor seiner ungebändigten Kraft [* 13] schickte der Pflegevater den Herangewachsenen auf das Land, um die Herden zu hüten. In diese Zeit verlegt der Sophist Prodikos die sinnreiche Fabel von am Scheideweg.
Zwei
Frauen von hoher, aber sehr verschiedener Gestalt treten an den einsam sinnenden
Jüngling heran: die Lust und die
Tugend;
jene malt ihm ein
Leben voll üppiger
Freude vor, diese zeigt ihm den mühevollen Weg zum
Ruhm; Herakles
wählte
den Weg der
Tugend (vgl.
Welcker,
Alte
Denkmäler, Bd. 3, S. 310-341). Aus jener Zeit des Hirtenlebens
berichtet Apollodor noch folgendes
Abenteuer. Auf dem Kithäron, an welchem die
Herden des
Amphitryon und des Thespios weideten,
hauste ein
Löwe, den Herakles
zu bekämpfen unternahm.
Löwe (Tier)

* 14
Löwen.
Thespios gab dem jungen
Helden hierfür 50
Tage hindurch jede
Nacht eine seiner 50 Töchter (nach andern
alle in einer
Nacht) zur Umarmung, von denen darauf 50
Söhne geboren wurden. Nach langem
Kampf erlegte sodann Herakles
den
Löwen
[* 14] und trug seitdem dessen
Haut
[* 15] statt seines gewöhnlichen Gewandes, wozu später noch die einem
Ölbaum bei
Nemea entnommene
Keule kam (daher sein römischer Beiname
Claviger). Bei seiner Rückkehr nach
Theben begegnete Herakles
den
Gesandten
des orchomenischen
Königs
Erginos, welche einen den Thebanern ab gedrungenen
Tribut von 100
Ochsen holen wollten. Herakles
schnitt
ihnen
Nasen und
Ohren ab, schickte sie gefesselt nach
Hause und zwang in dem darauf folgenden
Krieg die Orchomenier,
den empfangenen
Tribut doppelt zurückzuerstatten.
Herakles (die zwölf Ar

* 17
Seite 8.395.
Kreon, der König von
Theben, gab ihm zum
Lohn seine Tochter
Megara zur
Gattin, mit der er drei
Söhne zeugte. Daraus rief
Eurystheus
ihn in seine
Dienste.
[* 16]
Zeus hatte nämlich die für diesen von
Hera erschlichene Oberherrschaft dahin gemildert,
daß Herakles
zwölf
Arbeiten, die ihm
Eurystheus auferlegen würde, verrichten, durch deren Vollendung aber seine
Freiheit und zugleich
die
Unsterblichkeit erringen solle. Herakles
verweigerte anfangs die
Dienstbarkeit, und als ihm das delphische
Orakel befahl, dem
Ruf zu folgen, verfiel er in
Raserei, in welcher er seine mit
Megara
¶
mehr
erzeugten Kinder tötete. (Hiermit ist der Kult des phönikischen Sonnengottes, der mit Kinderopfern versöhnt wird, hinreichend
bezeichnet; s. unten.) In jenem Orakel soll er zuerst Herakles
genannt worden sein, als der Held, welcher durch die Verfolgungen
der Hera Ruhm erlange, während er bisher Alkäos oder der Alkide hieß. Von seiner Raserei geheilt, stellte
er sich dem Eurystheus, in dessen Dienst er seine bekannten zwölf Heldenthaten verrichtete. Der bestimmt abgeschlossene Kreis
[* 18] derselben scheint nicht ohne Einfluß des Kultus des phönikischen Melkart, welcher die feindlichen Zeichen des Tierkreises
zu überwinden hat, entstanden zu sein. Eine dichterische Verherrlichung haben diese Arbeiten, soweit wir
sehen, zuerst durch Pisander von Kameiros (um 650 v. Chr.) erfahren. Die Zusammensetzung und Reihenfolge derselben wird verschieden
angegeben.
Schlangen I

* 19
Schlange. Die erste dieser Arbeiten ist der Kampf mit dem nemeischen Löwen, einem von Typhon erzeugten unverwundbaren Ungeheuer, das am
Weg von Kleonä nach Nemea im Peloponnes hauste. Herakles
trieb ihn in seine Höhle und erwürgte ihn mit den Armen.
(Wie allen andern, liegt auch diesem Abenteuer wahrscheinlich eine symbolische Bedeutung zu Grunde. Der Löwe ist in den asiatischen
Kulten das Symbol der verzehrenden Hitze, und überall finden wir den siegreichen Sonnengott im Kampf mit dem Löwen und den Löwen
bändigend.) Die lernäische Schlange
[* 19] (Hydra), ein von Typhon und der Echidna erzeugtes Ungeheuer, das die
Gegend von Lernä bei Argos verwüstete und neun Köpfe hatte, von denen der mittelste unsterblich war, jagte Herakles
durch brennende
Pfeile von ihrem Lager
[* 20] auf und schlug ihr die Köpfe ab. Da aber statt eines abgeschlagenen stets zwei neue
hervorwuchsen, brannte er die Halsstümpfe mit glühenden Baumstämmen ab und vergrub den unsterblichen neunten Kopf unter
einem schweren Felsstück.
Schneckenfenster - Sch
![Bild 64.556: Schneckenfenster - Schneeammer [unkorrigiert] Bild 64.556: Schneckenfenster - Schneeammer [unkorrigiert]](/meyers/thumb/64/64_0556.jpeg)
* 22
Schnee.
Mit der Galle der Hydra bestrich er seine Pfeile, die dadurch absolut tödlich werden. (Ohne Zweifel wird mit dieser Sage die
wohlthätige Kraft der Sonne
[* 21] bezeichnet, welche giftige Sümpfe austrocknet.) Bei dem letztern Kampf war
ihm sein Wagenlenker Iolaos behilflich gewesen, weshalb Eurystheus den Kampf für ungültig erklärte. Der erymanthische Eber,
den Herakles
lebendig bringen sollte, war von dem Gebirge Erymanthos herab in Psophis eingebrochen. Herakles
trieb ihn in tiefen Schnee
[* 22] und nahm ihn lebendig gefangen.
Das wilde Tier auf dem Rücken, trat Herakles
vor Eurystheus, der über seine ungeheure Stärke
[* 23] so erschrak, daß
er sich in ein Faß
[* 24] flüchtete. (Vielleicht ist der Sinn dieses Mythus die Bändigung und Eindämmung eines wilden Bergstroms.)
Auf dem Weg zu jener Jagd kam Herakles zu dem Kentauren Pholos, der vom Dionysos
[* 25] ein Faß köstlichen Weins erhalten
hatte; dieses öffnete Herakles wider Willen seines Wirts. Durch den Duft des Weins angelockt, kamen andre Kentauren herbei und bestürmten
die Höhle des Pholos. Herakles verjagte und verfolgte sie, verwundete aber dabei, ohne es zu wollen, seinen alten Freund Cheiron,
zu dem jene sich flüchteten.
Artemisia - Artemisia

* 27
Artemis.Dieser Kampf mit den Kentauren veranlaßte die Stiftung der kleinen Mysterien, indem Demeter [* 26] den Helden dadurch von der Schuld des Mordes reinigen wollte. Die kerynitische Hindin, mit goldenem Geweih und ehernen Füßen, war der Artemis [* 27] von der Nymphe Taygete geweiht worden und hielt sich in Keryneia (zwischen Arkadien und Achaia) auf, nach andern auf dem Mänalos in Arkadien (daher auch mänalische Hindin). Herakles, der sie lebendig dem Eurystheus bringen sollte, verfolgte sie ein Jahr lang bis zu den Hyperboreern an den Quellen des Istros, bis er sie am Fluß Ladon in Arkadien mit einem Pfeil in den Fuß traf und fing. (Die Hirschkuh mit ihren »goldenen Hörnern« wird auf den Mond [* 28] gedeutet, welcher nach Verlauf eines Jahrs wieder auf seinen alten Standpunkt zurückkehrt.) Die Stymphaliden, einen Schwarm räuberischer und menschenfressender Vögel [* 29] am See Stymphalos in Arkadien, mit ehernen Krallen, Flügeln und Schnäbeln und mit Federn, die sie wie Pfeile abschossen, sollte Herakles verscheuchen.
Gurnigelbad - Gürtel [
![Bild 58.571: Gurnigelbad - Gürtel [unkorrigiert] Bild 58.571: Gurnigelbad - Gürtel [unkorrigiert]](/meyers/thumb/58/58_0571.jpeg)
* 30
Gürtel.Athene gab ihm zu diesem Behuf eine eherne Klapper, durch deren Geräusch er die Vögel aus dem undurchdringlichen Wald aufscheuchte, so daß er sie mit seinen Pfeilen erlegen konnte. (Die Deutung dieser Sage ist ungewiß.) Den Gürtel [* 30] der Amazonenkönigin Hippolyte (s. d.), ein Geschenk des Ares, sollte Herakles für Admete, des Eurystheus Tochter, holen. Nach mancherlei Abenteuern landet der Held in Themiskyra. Hippolyte ist anfangs bereit, den Gürtel freiwillig zu überliefern.
Aber Hera, in eine Amazone [* 31] verwandelt, verbreitete das Gerücht, die Königin solle von dem Fremdling geraubt werden; dadurch ward ein Kampf hervorgerufen, in welchem Herakles die Königin bei den Haaren vom Pferd [* 32] riß und tötete. Hierauf nahm er ihr den Gürtel und brachte ihn heim. (Hier haben wir wieder den phönikischen Herakles vor uns: Hippolyte ist die jungfräuliche Astarte, welche nach längerm Weigern den Gürtel löst, d. h. sich dem Melkart ergibt.) In diesen Zug versuchten die Mythographen noch mehrere Nebenabenteuer (Parerga), wie die Ermordung der beiden Boreaden Kalais und Zetes und die Begegnisse im Lande der Hyperboreer, wo Herakles mit der Echidna drei Söhne zeugte, deren einer, Skythas, Stammvater der Skythen wurde.
Troja

* 33
Troja.Auf der Heimkehr vom Amazonenland landete Herakles in Troja, [* 33] rettete hier die Hesione (s. d.) vor dem von Poseidon [* 34] gesandten Ungeheuer und landete hierauf bei Ainos in Thrakien, wo er den übermütigen Sohn Poseidons, Sarpedon, erlegte. Den Stall des Augeias, in welchem 3000 Rinder [* 35] längere Zeit gestanden hatten, zu reinigen und zwar an Einem Tag, war eine weitere Aufgabe, die Herakles mit Hilfe des Flusses Alpheios glücklich löste; s. Augeias. (Auch hier liegt wohl ein Sonnenmythus vor. Augeias', »des Strahlenden«, Vater ist Helios, [* 36] die Sonne; seine zwölf weißen Stiere sind die zwölf Monate, seine Rinderherden die Wolken; das Hindurchleiten eines Flusses durch jene Gegenden hat ihrer Versumpfung und Überschwemmung abgeholfen.) Übrigens wollte Eurystheus auch diese Arbeit wegen des dabei ausbedungenen Lohns nicht gelten lassen.
Herakles (die zwölf Ar

* 38
Seite 8.396.Der kretische Stier war auf Poseidons Geheiß aus dem Meer emporgestiegen, damit ihn Minos dem Meergott opfere. Entzückt über die Schönheit des Tiers, hatte es Minos seinen Rinderherden zugesellt, worauf Poseidon den Stier rasend machte, der nun die Insel weit und breit verwüstete. Herakles bemächtigte sich auf des Eurystheus Befehl des Tiers, ließ sich von ihm (dem Sonnenstier) durch das Meer tragen und brachte es lebend nach Mykenä. [* 37] Das von Herakles freigelassene Tier taucht später in der Theseussage als marathonischer Stier wieder auf. Die Stuten des Diomedes, Königs der Bistonen in Thrakien, wurden mit dem Fleisch der Wanderer gefüttert, welche das Land betraten. Diese Rosse zu bändigen und gleichfalls lebendig nach Mykenä zu bringen, war die folgende Arbeit des Herakles. Auch dieser entledigte er sich glücklich, nachdem er den bezwungenen Diomedes selbst zuvor den Rossen vorgeworfen hatte. (Die Deutung ist unsicher.) Nächstdem mußte er die Rinder des Geryon ¶
mehr
holen, die auf der Insel Eurytheia im Ozean vom Riesen Eurytion und dem zweiköpfigen Hund Orthros bewacht wurden (s. Geryon). Da ihm der gewaltige Faustkämpfer Eryx eins der Rinder geraubt hatte, so erschlug er denselben. An der Grenze von Libyen und Europa [* 39] errichtete er als Markzeichen seiner äußersten Fahrten zwei Säulen [* 40] (Säulen des unter welchen das Altertum die zwei in der Straße von Gibraltar [* 41] einander gegenüberliegenden Felsberge Kalpe und Abyla verstand.
Als ihn hier der nahe Helios allzu sehr brannte, spannte er seinen Bogen [* 42] gegen ihn, und Helios lieh ihm wegen dieser Kühnheit seinen goldenen Sonnenkahn oder Sonnenbecher, auf dem er über den Ozean fuhr. Auf der Heimreise zog Herakles mit seiner Beute über die Pyrenäen und Alpen, [* 43] durch Ligurien und Etrurien, nicht ohne mancherlei Kämpfe, in die Gegend von Rom, [* 44] wo er den Unhold Cacus (s. d.) bezwang, und kam nach vielen andern abenteuerlichen Erlebnissen endlich glücklich zum Eurystheus zurück, der die Rinder der argivischen Hera opferte. Da Eurystheus die Reinigung des Stalles des Augeias und die Besiegung der lernäischen Schlange nicht als gültig anerkennen wollte, so mußte Herakles noch zwei weitere Arbeiten auf sich nehmen.
Seine nächste Aufgabe war, drei der goldenen Äpfel der Hesperiden (s. d.) nach Mykenä zu bringen, und sie hatte um so mehr Schwierigeit ^[richtig: Schwierigkeit], als Herakles gar nicht wußte, wo die Gärten der Hesperiden zu suchen seien. Die weite Reise, die man ihn machen ließ, gab Gelegenheit, die entlegensten Fabeln anzuknüpfen und in seiner Person zu vereinigen. Herakles wanderte zunächst durch Illyrien zu den Nymphen am Eridanos (Po), von denen er erfuhr, wie er den Nereus fesseln und von ihm Kunde über seinen Weg erhalten könnte.
Ägypten etc

* 45
Ägypten.Dies geschah, und Herakles ging nun nach Libyen, wo er seinen Kampf mit Antäos (s. d.) bestand. Weiter ging des Helden Weg nach Ägypten, [* 45] wo er den die Fremdlinge opfernden Busiris erschlug, dann nach Äthiopien, wo er den grausamen Emathion, den Sohn des Tithonos und der Eos, [* 46] tötete. Darauf setzte er über das Meer, erlegte am Kaukasus den Adler, [* 47] der die Leber des Prometheus fraß, befreite den Gefesselten und gelangte endlich zu den Hyperboreern und zum Atlas [* 48] (s. d.), dem Ziel seiner Fahrt.
Auf den Rat des Prometheus ging er nicht selbst nach den Äpfeln aus, sondern schickte den Atlas danach und trug für diesen unterdes den Himmel. Bei seiner Rückkehr hatte Atlas nicht Lust, die Last wieder auf sich zu nehmen, und wollte die Äpfel selbst dem Eurystheus überbringen. Aber Herakles bat ihn, ihn nur so lange abzulösen, bis er sich ein Polster für seinen Rücken zurecht gemacht hätte. Atlas ließ sich überlisten, und Herakles eilte mit den Äpfeln davon. Eurystheus machte ihm dieselben zum Geschenk; er aber weihte sie der Athene, welche sie an ihren alten Ort zurückbrachte.
Keratitis - Kerberos

* 49
Kerberos.Das letzte und verwegenste unter allen Abenteuern des Herakles war das Heraufholen des Kerberos [* 49] aus der Unterwelt. Nach der gewöhnlichen Annahme stieg er beim Vorgebirge Tänaron in Lakonien, begleitet von Hermes und Athene, zur Unterwelt hinab. Nahe der Pforte des Hades findet er die kühnen Helden Theseus und Peirithoos, die, wegen des versuchten Raubes der Persephone [* 50] an einen Felsen angeschmiedet, ihre Arme ihm entgegenstrecken. Den Theseus befreit er glücklich; als er aber bei dem andern dasselbe versuchte, erbebte die Erde. (Einer andern Sage zufolge befreit er beide.) Nach mancherlei andern Erlebnissen gelangt er zum Beherrscher der Unterwelt. Dieser gibt ihm den Kerberos preis unter der Bedingung, daß sich Herakles seiner ohne Waffen bemächtige. Der Held bemächtigt sich auch des wütenden Tiers, fesselt es und führt es zu Eurystheus, um es dann zu seinem Herrn zurückzubringen. Dies die Sage von den zwölf Arbeiten des Herakles, durch die er sich aus der Dienstbarkeit des Eurystheus befreite.
Vgl. Hagen, [* 51] De Herculis laboribus (Königsb. 1827).
An dieselben reihen sich die Nebenarbeiten an als freiwillig vollbrachte. Von den oben noch nicht erwähnten sind die bedeutsamen folgende. Nach erlangter Freiheit begab sich Herakles nach Theben, vermählte hier die Megara mit Iolaos und zog nach Öchalia, um sich vom König Eurytos seine Tochter Iole zur Ehe zu erbitten. Eurytos verweigerte diese, und da bald darauf des Eurytos Rinder weggetrieben wurden, argwöhnte derselbe in Herakles den Thäter. Iphitos, der Sohn des Eurytos, forderte diesen dagegen auf, jene aufsuchen zu helfen; Herakles verstand sich dazu, stürzte aber in einem Anfall von Wahnsinn den Iphitos von der Mauer in Tiryns herab, so daß er starb.
Ephesische Buchstaben

* 54
Ephesos.Wegen dieser Unthat in eine schwere Krankheit verfallen, suchte er Heilung beim Orakel zu Delphi, allein Apollon [* 52] wies ihn ab. Da drang Herakles mit Gewalt in den Tempel [* 53] und trug schon den heiligen Dreifuß hinweg, um auf eigne Faust ein Orakel zu errichten, worauf es zwischen ihm und dem zürnenden Gott zum Kampf gekommen wäre, hätte nicht der Blitzstrahl des Zeus beide voneinander getrennt. Herakles erhielt darauf von der Pythia den Orakelspruch, er werde gesund werden, wenn er verkauft werde, drei Jahre um Lohn diene und diesen dem Eurytos als Blutgeld gebe. Er ließ sich also von Hermes an Omphale, Königin in Lydien, Witwe des Tmolos, verkaufen. (Diese Sage ist wieder entschieden vorderasiatisch und phönikischer Anschauung. Hier ist es der löwenmutige Gott Sandon, welcher im Dienst eines Weibes steht; er ist die Sonne, die im Winter an Kraft abnimmt, und erinnert an den hebräischen Simson.) Solange Herakles der Omphale diente, wobei er der spätern Sage nach zuzeiten zum Weib herabsank und Wolle spann, während sie in der Löwenhaut umherging, verrichtete er dennoch viele Thaten. So z. B. fesselte er damals bei Ephesos [* 54] die Kerkopen, verschmitzte neckische Kobolde, ließ sie aber, durch ihre Witze ergötzt, wieder laufen.
Apollodor verflicht ihn auch in die Iasonsage (s. Iason). Auch der von Megasthenes erwähnte Zug nach Indien mag hier seine Stelle gefunden haben. Eine bedeutende Episode bildete ferner der schon bei Homer erwähnte Zug gegen den treulosen König Laomedon von Troja. Mit 18 Schiffen und den tapfersten Helden steuerte er gegen diese Stadt. Sie wurde erobert, und Laomedon mit allen seinen Söhnen (Podarkes ausgenommen) erlag den Pfeilen des Herakles. Sein Freund Telamon, der zuerst in Troja eingedrungen war, erhielt als Siegespreis dafür die Hesione zur Frau, welche ihrerseits ihren Bruder Podarkes mit ihrem Schleier loskaufte, weshalb er Priamos (der »Losgekaufte«) genannt wurde.
Nach Argos zurückgekehrt, unternahm Herakles den Zug gegen den wortbrüchigen Augeias, nach dessen Besiegung er die Olympischen Spiele einsetzte, dann den gegen Pylos. Hier vernichtete er das Geschlecht des Neleus (mit Ausnahme des Nestor) und verwundete den Hades, der den Pyliern beistand. Hierauf folgte der Zug gegen Hippokoon, den Beherrscher von Lakedämon, der erschlagen ward, worauf Tyndareos (s. d.) die Herrschaft erhielt; die Zeugung des Telephos (s. d.) mit Auge, [* 55] der Tochter des Aleos in Tegea; ferner der Kampf mit dem Flußgott Acheloos, welcher sich in einen Stier verwandelte, um die Deïaneira (s. d.), die er als seine Gattin nach Trachis führte, wo er ¶