Hepatische
Luft, s. v. w. Schwefelwasserstoff. ¶
Schwefelwasserstoff
(Wasserstoffsulfid, Hydrothionsäure, hepatische Luft) H2S entströmt in vulkanischen Gegenden dem Boden und findet sich gelöst in den Schwefelwässern (vielleicht aber nur als Zersetzungsprodukt von Kohlenoxysulfid). Er entsteht, wenn man Wasserstoff in siedenden Schwefel leitet, bei Einwirkung von Wasser auf Schwefel bei hoher Temperatur, beim Erhitzen von Paraffin [* 3] mit Schwefel, beim Zersetzen von Schwefelmetallen mit Säuren, bei trockner Destillation [* 4] schwefelhaltiger ¶
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Substanzen, z. B. der Schwefelkies führenden Steinkohlen, so daß er sich z. B. im rohen Leuchtgas [* 6] findet. Endlich tritt S. ganz allgemein auf bei der Fäulnis schwefelhaltiger organischer Stoffe, z. B. der Eiweißkörper (faule Eier), [* 7] sowie auch bei Fäulnis derartiger nicht schwefelhaltiger Stoffe in Gegenwart von Schwefelsäuresalzen (besonders Gips), [* 8] die zu Schwefelmetallen reduziert und durch andre Fäulnisprodukte unter Entwickelung von S. zersetzt werden.
Zur Darstellung von S. übergießt man Schwefeleisen mit verdünnter Schwefelsäure [* 9] und benutzt dazu besondere Apparate, welche eine genaue Regulierung der Gasentwickelung gestatten und das Entweichen nicht verbrauchten Gases verhindern. Auch durch Erwärmen von Schwefelantimon (Grauspießglanz) mit Salzsäure, Zersetzung von Sodarückständen mit Salzsäure und durch Einwirkung der Produkte der trocknen Destillation von Brennstoffen auf glühenden, Schwefeldämpfe entladenden Schwefelkies wird S. dargestellt. Er bildet ein farbloses Gas, riecht höchst widerlich nach faulen Eiern, schmeckt süßlich, wird bei -70° und unter einem Druck von 17 Atmosphären bei 11° zu einer farblosen Flüssigkeit verdichtet, die bei -85° erstarrt und bei -61,8° siedet.
Sein spezifisches Gewicht ist 1,19, 1 Volumen Wasser löst bei 0° 4,37, bei 10° 3,23 Volumen (Schwefelwasserstoffwasser). S. reagiert schwach sauer, ist sehr giftig, erzeugt Bewußtlosigkeit und führt Erstickung herbei (Luft mit 1/3500 Volumen S. tötet Vögel, [* 10] mit 1/300 Vol. S. einen Hund), höchst entzündlich und verbrennt zu schwefliger Säure und Wasser; mit Luft gemischt, explodiert er bei Annäherung einer Flamme. [* 11] Bei Vergiftungen mit S. hält man ein mit Essig befeuchtetes Tuch, auf welches man einige Körnchen Chlorkalk [* 12] gestreut hat, vor die Nase. [* 13]
Bei plötzlichem Einatmen von viel S. stürzen die Befallenen oft sofort zu Boden und sterben, wenn sie nicht schnell in reine Luft gebracht und mit kaltem Wasser begossen werden. In wässeriger Lösung zersetzt er sich an der Luft in Wasser und Schwefel, über 400° zerfällt er in Schwefel und Wasserstoff, und mit schwefliger Säure zersetzt er sich in Schwefel und Wasser. Er bildet mit mehreren Metallen direkt Schwefelmetalle, gibt mit Metalloxyden Schwefelmetall und Wasser, und aus Metallsalzlösungen fällt er Schwefelmetalle, wenn letztere durch die frei werdende Säure nicht zersetzt werden (Bleizuckerpapier wird durch sehr geringe Mengen S. gebräunt, resp. geschwärzt).
Durch Chlor, konzentrierte Schwefelsäure und Salpetersäure wird S. zersetzt. In Räumen, welche viel S. enthalten, beseitigt man das Gas durch Einspritzen von wässeriger schwefliger Säure, Chlorwasser oder Lösungen von Chlorkalk, übermangansaurem Kali, Eisenvitriol, Manganchlorür etc. Die in Wasser löslichen Hydroxyde geben mit S. Hydrosulfide. Man benutzt S. zur Reinigung der Schwefelsäure von Arsen und Metallen, zur Gewinnung von Kupfer, [* 14] welches aus Laugen als Schwefelkupfer gefällt wird, zur Darstellung von Zinnober, [* 15] Antimonzinnober und Schwefelammonium, zum Überziehen der Zündhölzchenköpfchen mit einer metallisch schimmernden Haut [* 16] von Schwefelblei, als Antichlor, in der chemischen Analyse und in der Form von Mineralwässern als Arzneimittel gegen mancherlei chronische Krankheiten.
Das bei gewissen Industriezweigen reichlich auftretende Schwefelwasserstoffgas wird häufig verbrannt, um die hierbei entstehende schweflige Säure zur Fabrikation von Schwefelsäure zu verwerten; auch verbrennt man nur die Hälfte des Schwefelwasserstoffs und zersetzt die andre Hälfte mit der bei der Verbrennung entstandenen schwefligen Säure, so daß man den gesamten Schwefel gewinnt.
Vgl. Stifft, Die physiologische und therapeutische Wirkung des Schwefelwasserstoffgases (Berl. 1886).