Helvétius
(spr. elwēßĭüs), Claude Adrien, franz. Philosoph aus der Schule der Encyklopädisten, geb. 1715 zu Paris, [* 2] war für das Finanzfach bestimmt und erhielt 1738 die einträgliche Stelle eines Generalpachters, die er jedoch bald wieder aufgab, um sich im Umgang mit den ersten Männern seiner Zeit, mit d'Alembert, Diderot, Holbach, zurückgezogen den Wissenschaften zu widmen. Durch Lockes »Versuch über den menschlichen Verstand« wurde er zu philosophischen Studien veranlaßt. Im J. 1764 unternahm eine Reise nach England und Deutschland [* 3] und fand besonders am Hofe Friedrichs II. eine ehrenvolle Aufnahme.
Nach seiner Zurückkunft lebte er zu Paris, wo er starb. Sein durch Locke angeregtes Hauptwerk: »De l'esprit« (Par. 1758, neue Ausg. 1843; deutsch von Gottsched, Leipz. 1759),
ward als staats- und religionsgefährlich auf Befehl des Parlaments 1759 verbrannt;
ein zweites: »De l'homme, de ses facultés intellectuelles et de son education« (Lond. 1772, 2 Bde.; deutsch von Wichmann, Bresl. 1774),
erschien erst nach seinem Tod.
Eine vollständige
Ausgabe seiner
»Œuvres« erschien
Paris
1796, 14 Bde., und das. 1818, 3 Bde.
Helvétius
ist entschiedener Sensualist und
Materialist.
Alle
Vorstellungen führt er zurück auf den
Eindruck äußerer Gegenstände
auf unsre
Sinne; alle Thätigkeit entspringt aus der angebornen
Selbstliebe, dem
Streben nach sinnlicher
Lust und dem Abscheu vor sinnlicher Unlust. Der Nutzen bestimmt den
Wert der
Handlungen; da aber Nutzen und
Schade relative
Begriffe sind, so gibt es keine unbedingt guten oder schlechten
Handlungen.
Trotz dieser weltmännischen
Ansichten, von denen eine geistreiche
Frau sagte, er habe darin »das
Geheimnis
aller
Welt« ausgeplaudert, war Helvétius
persönlich ein zartfühlender, liebenswürdiger und wohlthätiger
Mann. Seine schöne und geistreiche
Gattin, ein
Fräulein de Ligneville, geb. 1719, zog sich nach dem
Tod ihres
Mannes nach
Auteuil
zurück, wo ihr
Haus der
Mittelpunkt eines
Kreises von
Gelehrten und Künstlern wurde. Sie starb
Vgl. Barni, Les moralistes français (Par. 1873);
Avezac-Lavigne, Diderot et la société du baron Holbach (das. 1875).