Helios
[* 2] (bei den Römern Sol), in der griech. Mythologie Gott der Sonne, [* 3] Sohn des Titanen Hyperion und der Theia oder Euryphaessa, Bruder der Selene [* 4] und Eos, [* 5] wird bei Homer mit seinem Vater identifiziert. Bei den östlichen Äthiopen steigt er am Morgen aus dem Okeanos auf und senkt sich im westlichen Okeanos abends wieder zu den Fluten herab. Nach andern besteigt er dann seinen goldenen Nachen und fährt über den Okeanos hin zum heiligen Wohnsitz der Nacht, zu seiner Mutter, Gemahlin und seinen Kindern.
Diesen goldenen
Nachen lieh
Herakles
[* 6] von ihm, um nach den
Gärten der
Hesperiden zu gelangen. Am
Westende der
Erde hat Helios
(bei spätern Dichtern) ein
Haus und einen
Stall für seine goldenen und geflügelten
Rosse (welche bei
Homer nicht
erwähnt sind), wo er sich mit
Ambrosia stärkt und die
Rosse mit
Gras von den
Inseln der Seligen nährt,
nachdem
Nereïden und
Horen
[* 7] sie abgeschirrt haben. Im
Westen hat er ferner
Gärten unter der Obhut der
Hesperiden und auf der
Insel
Thrinakia oder in
Erytheia schöne, teils von seinen Töchtern, teils von
Geryon bewachte Rinderherden, die sich nie mehren,
noch mindern (350 an der Zahl,
Symbol der Anzahl der
Tage des
Mondjahrs). Er freut sich der letztern beim
Hinauf- und Hinabsteigen am
Himmel,
[* 8] und seine
Rache trifft den
Odysseus, dessen
Gefährten einige davon auf
Thrinakia geschlachtet
hatten.
Die Gemahlinnen und Geliebten des Helios
waren die
Okeanide
Klymene, Gemahlin des Äthiopenkönigs Merops, welche ihm
den
Phaethon und die
Heliaden (s. d.) gebar, Iphinoe, mit welcher
er den
Augias, und die
Okeanide Perseïs, mit welcher
er den
Äetes, die
Pasiphae und die
Kirke zeugte. In
Kolchis, wo die letztere Zauberfamilie zu
Haus war, befand sich der Sonnenteich,
wo Helios
seine
Rosse badete, und in dessen
Nähe er die
Nacht über ruhte. Die
Kraft
[* 9] der dort wachsenden Zauberkräuter
ist eine
Folge der Sonnennähe. Helios
sieht und vernimmt alles und galt deshalb für einen Späher der
Götter und
Menschen. Er
war es, welcher dem
Hephästos
[* 10] die
Liebe des
Ares
[* 11] und der
Aphrodite
[* 12] entdeckte, weshalb
Ares seine ganze Nachkommenschaft
verfolgte.
Mit
Poseidon
[* 13] stritt er um den
Besitz der korinthischen
Landenge, die Briareos als
Schiedsrichter dem erstern zusprach; Helios
erhielt
dafür den
Berg oberhalb
Korinth
[* 14]
(Akrokorinth). Der
Demeter
[* 15] entdeckte
er den
Räuber ihrer Tochter. Als der Allwissende wurde er
bei Eidschwüren angerufen. Der Hauptsitz der weitverbreiteten Verehrung des Helios
war die
Insel
Rhodos, welche
er aus der Tiefe des
Meers emporsteigen gesehen hatte
(Pindar,
Olymp., VII, 54 ff.). Außerdem hatte er zu
Korinth und
Argos,
in
Megalopolis und
Trözen
Altäre.
Alle auf Helios
bezüglichen
Fabeln wurden dann (namentlich durch Ovid in seinen
»Metamorphosen«) auf den italischen, besonders
bei den
Sabinern verehrten
Sol
übertragen. Hier galt er auch als Beschützer der Wagenlenker und wurde
im
Zirkus verehrt, so daß sein
Tempel
[* 16] in
Rom
[* 17] mitten in demselben stand. Abgesehen von dem
Sol Phöbus der römischen Zeit, war
Helios
nur in
Rhodos ein bedeutender Gegenstand der
Plastik, wo ihn
Lysippos auf einem Viergespann, in kolossaler
Größe (70
Ellen hoch) aber sein
Schüler
Chares von
Lindos bildete (der berühmte
»Koloß
¶
mehr
von Rhodos« am Eingang des Hafens). Auf rhodischen Münzen [* 19] ist sein Kopf meist von vorn gebildet, mit runden Formen und strahlenförmig flatterndem Haar. [* 20] In ganzer [* 2] Figur erscheint er oft mit fließendem Mantel, auf dem Wagen, die Rosse antreibend und stets jugendlich, so auf dem Relief einer von Schliemann in Troja [* 21] gefundenen Metope (s. Abbildung). aus dem Meer auftauchend, findet sich im Ostgiebel des Parthenon zu Athen. [* 22]
Vgl. auch Eos.