Heldensage
,
deutsche, die gesamte volkstümliche Überlieferung, in welcher unser
Volk die
Erinnerung an die Großthaten
seines Heldenzeitalters bewahrt hat. Im Gegensatz zum
Mythus, der Naturvorgänge auf
Götter und Heroen
zurückführt, beruht die Heldensage
im wesentlichen auf histor. Grundlage, wenn es auch sehr häufig vorkam, daß
ältere
Mythen mit jüngern Sagen verbunden oder lagenartig auf historisch scheinende
Personen und Orte übertragen wurden.
Mythus und Sage sind unbewußte poet.
Produktion, niemals das Werk eines Einzelnen, sondern der
Ausdruck einer im ganzen
Volk entstandenen
Auffassung.
Den
Mythus brachten die
Germanen größtenteils schon aus der indogerman. Gemeinschaft mit, die Heldensage
erwuchs in ihrem geschichtlichen
Sonderleben. Vielleicht hat die Gestalt des Siegfried (s. d.) neben einem mythischen
Kern Züge von dem Römerbesieger
Arminius. Die eigentliche Heldenzeit der
Germanen aber war die
Völkerwanderung (350-650).
Die mächtigen geschichtlichen Gestalten der kriegerischen Gotenkönige Ermanarich (um 370) und
Theodorich,
des
Hunnen
Attila, des unglücklichen Burgundenkönigs Gundicarius, der Austrasier
Theodorich und Theodebert und ihres Gegners,
des Dänen Chochilaich, des Langobarden Rothari, der Wikingerkönige der Nordsee sind die Lieblinge der Sage geworden, die
ihre Thaten freilich oft bis zur Unkenntlichkeit verändert hat; nicht mit
Absicht.
Die Heldensage
ist weiter nichts als naive geschichtliche Überlieferung, die, wenn sie die alten Motive nicht mehr
erkannte, die Ereignisse in einen neuen Zusammenhang rückte ohne Rücksicht auf Ort und Zeit. Die Heldensage
beruht
auf Stammessagen, die, durch Sänger oft vornehmen Geschlechts (man denke an
Horant) in kurzen strophischen
Liedern verbreitet, zu einer deutschen Gesamtsage zusammenwuchsen. Die ältesten Reste dieser Heldendichtung sind uns angelsächsisch
erhalten, namentlich im «Widsith», einer Art Heldenkatalog, und im
«Beowulf», der, aus Liedern entstanden, mit seinen ältesten
Bestandteilen noch ins 7. Jahrh, zurückreicht. In
Deutschland
[* 2] ist der einzige Rest des Heldengesanges in
Liedern das Hildebrandslied aus dem 8. Jahrh.
Karl d. Gr. ließ die epischen Heldenlieder sammeln, aber seine Sammlung ist
durch die Gleichgültigkeit seiner Nachfolger und die Feindschaft der Geistlichkeit verloren gegangen.
Mit dem vollen
Siege des
Christentums ließ diese Feindschaft freilich nach; einem Mönch Eckehart I. danken wir die einzige
vollständig erhaltene Bearbeitung der
Walthersage (in seinem lat.
«Waltharius»). Die auf einer unzuverlässigen
Stelle der «Klage» (s. d.)
beruhende Vermutung, daß
Bischof Pilgrim von Passau
[* 3] im 10. Jahrh, die
Nibelungensage durch
Meister Konrad lateinisch behandeln
ließ, ruht auf sehr schwachen Füßen.
Besser zeugen vom Fortleben der Heldensage
in
Deutschland die
Personen- und
Ortsnamen der
Urkunden, die oft die
Verbreitung der einzelnen Sagen nach Ort und Zeit erkennen lassen.
Aus
Niederdeutschland drang die Heldensage
wiederholt (im 8. und 13. Jahrh.) nach dem
Norden;
[* 4] die Heldenlieder der Edda aus dem 9. bis 11. Jahrh, sind wichtige
Quellen, welche die alte Form des kurzen strophischen
Liedes bewahrt haben; dazu kommen die prosaischen nord. Sagas des 13. Jahrh.,
die Völjungasaga, gewisse Partien der Snorra-Edda u. a. Die
Thidrekssaga, ebenfalls aus dem 13. Jahrh., giebt ziemlich genau
eine niederdeutsche Fassung der
Nibelungensage wieder, die in
Soest
[* 5] lokalisiert war.
In ein neues
Stadium tritt die Heldensage
in
Deutschland im 12. Jahrh. Sie hatte vom 9. Jahrh, bis dahin, uns nur
in geringen
Spuren merklich, im Munde der
Bauern und fahrenden Leute fortgelebt, in einzelne Lieder verzettelt, die nur herausgerissene
Episoden behandelten, den Zusammenhang der Sage voraussetzten und sich natürlich untereinander stark
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