Heimatsrecht
ist die Zugehörigkeit zu einer Gemeinde und daher im allgemeinen gleichbedeutend mit Gemeindebürgerrecht.
Bis zur Gründung des Norddeutschen
Bundes war das Heimatsrecht
in den meisten deutschen
Staaten die
Voraussetzung
für die Ausübung wichtiger Rechtsbefugnisse, insbesondere der
Niederlassung, des Grunderwerbes, des
Gewerbebetriebes, der
Eheschließung und der Gründung eines eigenen Hausstandes, und namentlich beruhte auf dem Heimatsrecht
der
Anspruch auf Unterstützung
im Falle der Verarmung.
Dabei waren die
Voraussetzungen für den Erwerb des Heimatsrecht
in den Landesgesetzen sehr verschiedenartig
bestimmt. Abgesehen von der regelmäßigen
Begründung des Heimatsrecht
durch
Abstammung entstand dasselbe bald durch Aufenthalt von
bestimmter
Dauer, bald durch Verleihung gegen Entrichtung eines Einzugs- oder Bürgergeldes. (S.
Anzugsgeld.) Die Gesetzgebung
des Norddeutschen
Bundes, beziehentlich des
Deutschen
Reichs hat zwar das
an sich nicht unmittelbar geregelt, ihm
aber den weitaus größten
Teil seiner praktischen Bedeutung entzogen.
Die Verfassung hat im Art. 3 zunächst den Grundsatz zur Geltung gebracht, daß der Angehörige eines jeden Bundesstaates in jedem andern Bundesstaate als Inländer zu behandeln sei, zugleich aber ausdrücklich anerkannt, daß diejenigen Bestimmungen, welche die Armenversorgung und die Aufnahme in den lokalen Gemeindeverband betreffen, durch diesen Grundsatz nicht berührt werden. Ebenso hat das Reichsgesetz vom zwar die Erwerbung und den Verlust der Bundes- und Staatsangehörigkeit, nicht aber den Erwerb und Verlust der Gemeindeangehörigkeit geregelt.
Dagegen hat bereits der Norddeutsche
Bund durch eine Anzahl
von speciellen Gesetzesbestimmungen die meisten
Vorschriften der Landesgesetze, durch welche Ortsfremde von den mit dem Heimatsrecht
verbundenen Befugnissen ausgeschlossen
waren, beseitigt. In erster Reihe steht hier das Gesetz über die Freizügigkeit (s. d.)
vom Das Gesetz vom hat den Rechtssatz sanktioniert, daß Bundesangehörige zur Eingehung einer
Ehe oder
zu der damit verbundenen Gründung eines eigenen Haushalts weder des
Besitzes noch des Erwerbes einer
Gemeindeangehörigkeit oder des Einwohnerrechts, noch der Genehmigung der Gemeinde (Gutsherrschaft) oder des Armenverbandes,
noch einer obrigkeitlichen Erlaubnis bedürfen; auch wurde es untersagt, von der ortsfremden
Braut ein Zuzugsgeld oder eine
sonstige
Abgabe zu erheben.
Sodann wurden die Bedingungen für den Gewerbebetrieb durch die Gewerbeordnung (s. d. und Gewerbegesetzgebung) und die zu derselben ergangenen Abänderungs- und Ergänzungsgesetze einheitlich geregelt und hierbei der im Freizügigkeitsgesetz bereits ausgesprochene Grundsatz festgehalten und das den Zünften und kaufmännischen Korporationen nach Landesgesetz etwa noch zustehende Recht, andere von dem Betriebe eines Gewerbes auszuschließen, aufgehoben.
Endlich hat das Gesetz vom über den
Unterstützungswohnsitz (s. d.) das
Recht auf Unterstützung im Falle der Bedürftigkeit
in der Art geregelt, daß nicht das Gemeindebürgerrecht oder Heimatsrecht
die Grundlage desselben bildet, sondern
daß dasselbe durch zweijährigen ununterbrochenen Aufenthalt in dem
Bezirk eines Armenpflegeverbandes erworben wird. Freilich
besteht noch gegenwärtig eine große Meinungsverschiedenheit darüber, ob es praktischer und zweckmäßiger sei, die Unterstützungspflicht
nach der
Heimat oder nach dem Aufenthalt des Bedürftigen zu normieren; und man hat auch davon Abstand genommen, das Reichsgesetz
vom in
Bayern
[* 2] und in Elsaß-Lothringen
[* 3] einzuführen.
Infolge aller dieser Gesetze ist das Heimatsrecht
, außer in
Bayern, nur noch von praktischer Bedeutung geblieben
hinsichtlich des
Wahlrechts und der Wählbarkeit zu den Vertretungskörpern des Einzelstaates und der Gemeinden und hinsichtlich
des Genusses der für Gemeindebürger bestimmten
Güter und
Stiftungen. Bemerkenswert ist, daß die durch Art. 4, Ziff. 1 der
Reichsverfassung begründete Kompetenz des
Reichs zur Gesetzgebung und
Beaufsichtigung der
Heimats- und
Niederlassungsverhältnisse für
Bayern ausgeschlossen ist und in diesem
Staate eine erheblich strengere Gesetzgebung gilt.
Vgl. Arnold, Freizügigkeit und Unterstützungswohnsitz (Berl. 1872);
Rocholl, System des deutschen Armenpflegerechts (ebd. 1873);
Eger, [* 4] Das Reichsgesetz über den Unterstützungswohnsitz (Bresl. 1874);
G. Meyer, Lehrbuch des deutschen Verwaltungsrechts, Bd. 1 (Lpz. 1883);
E. Löning, Lehrbuch des Verwaltungsrechts (ebd. 1884).
Über das bayrische Heimatsrecht
sind die maßgebenden Bestimmungen enthalten in dem bayr.
Gesetz vom und dem Abänderungsgesetz vom Einen Kommentar hierzu lieferte Riedel (5. Aufl.,
besorgt von
L.
A. von
Müller, Nördl. 1881); dazu
Max Seydel, Bayr.
Staatsrecht, I
(Münch. 1884).