In der rabbinischen
Theologie des nachexilischen
Zeitalters erscheint der
»HeiligeGeist« geradezu als Offenbarungsprinzip,
ganz parallel dem von der alexandrinisch-jüdischen
Philosophie ausgebildeten
Begriff der
»Weisheit« (sophia) oder des
»Wortes«
(logos). Nachdem nun die christliche
Gemeinde in
Jesus von
Nazareth den
Messias gefunden, führte sie zunächst seine prophetisch-messianische
Begabung und Wunderkraft auf eine im
Moment der
Taufe stattgehabte
Ausrüstung mit dem
GeistGottes zurück.
Bald wurde die Einwirkung desselben auf den
Messias vom
Moment der
Taufe auf den
Moment der
Geburt zurückdatiert, und es entstand
so die zuerst in unserm ersten und dritten
Evangelium ausgeführte, dann im apostolischen
Symbol dogmatisch fixierte
Vorstellung
von der Erzeugung Jesu durch den
HeiligenGeist. In andrer
Weise wieder faßte
Paulus den
HeiligenGeist teils
als personbildendes
Prinzip in
Jesus Christus, dessen Sündlosigkeit auf diesem Weg erklärt wurde, teils als das den Gläubigen
in ihrer
Verbindung mit ihm innewohnende übernatürliche
Prinzip.
Die ursprünglich mit dem
Begriff des
HeiligenGeistes verwandte
Vorstellung vom
Wort (s.
Logos) wurde endlich im vierten
Evangelium benutzt, um eine höhere
Christologie (s. d.) durchzuführen, in welcher der
HeiligeGeist die
Rolle eines unsichtbaren
Fortsetzers des Lebenswerkes Jesu, eines
Ersatzes für die seit der
Erhöhung des menschgewordenen
Wortes von der
Erde eingetretene
Entbehrung spielt und
»Paraklet«, d. h.
Beistand, heißt. Dies alles trug dazu bei, die Auffassung des
HeiligenGeistes als einer göttlichen
Person zu befestigen und ihm im Anschluß an die
Lehre
[* 4] der
Apostel das
Werk der Erzeugung,
Erhaltung und Vollendung des spezifisch christlichen
Lebens in den Gläubigen zuzuschreiben, wenn auch die ältesten kirchlichen
Schriftsteller noch hier und da ein
Bewußtsein davon verraten, daß das im Sohn
Gottes fleischwerdende
Wort und der den
Menschen- zum
Messias und Sohn
Gottes weihende
Geist ursprünglich einer und derselben
Idee zum
Ausdruck verhelfen
wollten, nämlich der des Offenbarungsgottes im
Gegensatz zu dem schlechthin übernatürlichen und unbegreiflichen Gott. So
dauerte es fast vier
Jahrhunderte, bis die beiden
Vorstellungen des
Geistes und des
WortesGottes nach mannigfachen
Experimenten der
Dogmatiker endlich untereinander ausgeglichen und durch Anwendung eines trinitarischen
Schemas auf die ganze
Gotteslehre mit dem
BegriffGottes des
Vaters gleichgestellt waren.
Geist. Das Alte Testament nennt GeistGottes oder Geist des Herrn den lebendig machenden Odem Gottes, danach im
übertragenen Sinne die aus Gott auf die Menschen übergehende geistige Kraft,
[* 8] als die Quelle der prophetischen
Erkenntnis und alles höhern geistigen und sittlichen Lebens. Im spätern Judentum wird der GeistGottes immer mehr als die
Offenbarungsseite des an sich schlechthin überweltlichen göttlichen Wesens gedacht, ja geradezu poetisch personifiziert,
wozu in der nachexilischen Zeit die Vorstellungen von der göttlichen Weisheit, dem Schöpferwort und
der Herrlichkeit Gottes hinzutreten.
Die älteste judenchristl. Anschauung sah in der Ausrüstung mit dem «Geiste ohne Maß» das specifische Merkmal des Messias. Sofern
der Messias durch diesen Geist zum Dienste
[* 9] Gottes geweiht war, erhielt der Messiasgeist vorzugsweise das Prädikat «heiliger» Geist
(grch. pneuma hagion; lat. Spiritus sanctus). Nach der ursprünglichen christl. Vorstellung kam er auf
den natürlich erzeugten MenschenJesus bei der Taufe in Gestalt einer Taube, dem Symbol der Reinheit, herab und machte ihn dadurch
zum Messias.
Nach Paulus bildet der Heiliger Geist oder der GeistGottes das substantielle Wesen des SohnesGottes überhaupt, die
irdische Menschheit nimmt dieser nur an, um die Sünde im Fleische zu ertöten, daher der Gekreuzigte in Kraft dieses Lebensgeistes
von neuem erweckt wird und nun auch den Seinen den Heiliger Geist und durch denselben die Auferstehung von den Toten mitzuteilen im
stande ist. Die judenchristl. Vorstellung dagegen läßt den in Heiliger Geist dem MenschenJesus nur als in seinem
Gefäß
[* 10] in unermeßlicher Fülle wohnen.
Letztere Ansicht steigerte sich weiter zu der Vorstellung von der übernatürlichen Erzeugung der im übrigen noch immer wesentlich
menschlich gedachten Person Jesu durch den Heiliger Geist, wogegen die paulinische Anschauung den Sohn Gottes vorweltlich dachte
und als das himmlische Urbild der vollkommenen Menschheit beschrieb. Beide Vorstellungsreihen wurden in der kirchlichen Lehre
des 2. Jahrh. ebenso verbunden, wie im Matthäus-Evangelium die Empfängnis vom Heiliger Geist und
die Herabkunft desselben auf Jesus bei der Taufe nebeneinander hergehen.
Neben der Lehre vom göttlichen Geiste als dem übermenschlichen Princip in Christi Person bildete sich
unter alexandrinischem Einflusse die verwandte Vorstellung vom ewigen göttlichen Wort (dem Logos), das die Welt geschaffen
habe und in Jesu Fleisch geworden sei. Da beide Lehrweisen nicht wesentlich unterschieden waren, so konnten viele Kirchenlehrer
des 2. Jahrh. Logos und Pneuma als gleichbedeutende Ausdrücke für das Göttliche in Jesu gebrauchen.
Ursprünglich waren weder der Logos noch das Pneuma streng persönlich gedacht, aber als ersterer Ausdruck immer allgemeiner
zur Bezeichnung der vorweltlichen Persönlichkeit Christi verwendet wurde, begann man den Heiliger Geist vorzugsweise
als das übernatürliche Princip alles höhern göttlichen Lebens in den Gläubigen
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zu betrachten. Anlaß hierzu gab vorzugsweise das vierte Evangelium, wonach Jesus als der vom Himmel
[* 12] gekommene und wieder zum
Vater zurückkehrende göttliche Logos den Seinen nach seinem Scheiden den Heiliger Geist, den Geist der Wahrheit, als den Beistand (Parakleten)
verheißt, der sie in alle Wahrheit leiten und sie darüber belehren solle, was sie jetzt noch nicht zu
verstehen vermöchten. Aber schon in der Anschauung des Urchristentums ist es der Heiliger Geist, der den Glauben erweckt, die Gläubigen
von der Sünde reinigt, sie als Gereinigte Gott zueignet und mit neuen Kräften des sittlichen Lebens erfüllt.
Derselbe wird vorgestellt als eine objektive, über dem Menschen waltende und von oben her über ihn kommende
Macht, ohne daß jedoch die gelegentlich vorkommende Personifikation des Heiliger Geist dogmatisch zu nehmen wäre.
Als das die Gläubigen aus der Welt aussondernde und Gott zueignende Princip ward der in der Heiliger Geistin der Taufformel
Matth. 28, 19. vom Vater und Sohn noch unterschieden. Die Summe des christl. Bewußtseins ist hier in dem
Glauben an Gott den Vater, an Jesum Christum, den Sohn Gottes, unsern Erlöser, und an den Heiliger Geist als die in den Gläubigen waltende
Gottesmacht zusammengefaßt. Als Person war der Heiliger Geist auch in dieser Zusammenstellung noch nicht verstanden.
Erst die Gnostiker (s. Gnosis) des 2. Jahrh. räumten dem Heiliger Geist eine
Stelle unter ihren mytholog. Gestalten ein, in die sich für sie die göttliche Wesensfülle auseinanderlegte (Äonen), und
in judenchristl. Kreisen fand sich die Auffassung vor, daß der ein Heiliger Geistein Engelwesen sei, obwohl daneben wieder
die Engelwelt nur als die Auseinanderfaltung des im H. G. zur Einheit zufammengefaßten göttlichen Wesens erscheint. Die
Montanisten (s. d.) endlich bezeichneten den Heiliger Geist oder den
Parakleten als den vom göttlichen Logos unterschiedenen Urheber der neuen Prophetie, die der Montanismus verkündigte, und als
das die Kirche über die Gottesoffenbarung in der Apostelzeit noch hinaus zur Periode der männlichen Reife
führende Princip. So wurde der Heiliger Geist seit dem Ende des 2. und Anfang des 3. Jahrh.
auch von rechtgläubigen Kirchenlehrern, wie Irenäus, Tertullianus, Origenes, immer allgemeiner als ein besonderes, vom Logos
unterschiedenes Subjekt gefaßt.
Das Verhältnis der drei Personen zueinander aber ward in der Weise strenger Unterordnung gedacht, der
Heiliger Geist insbesondere als hervorgebracht durch den Sohn und geringer als dieser. Nähere Bestimmungen blieben
bis zum Ende des 4. Jahrh. der Freiheit der einzelnen Kirchenlehrer überlassen. Erst als die volle Gottheit des Sohnes und
dessen Wesensgleichheit mit dem Vater kirchlich festgestellt war, erforderte es die Folgerichtigkeit des
kirchlichen Dogmas, Gleiches auch vom Heiliger Geist auszusagen.
Während das Konzil zu Nicäa (325) noch gar nichts Näheres über den Heiliger Geist festgestellt hatte, entspann sich 50 Jahre später
ein heftiger Streit über die Ansicht des Patriarchen Macedonius von Konstantinopel, daß der Heiliger Geist nicht
Gott, wie der Sohn, daher auch nicht «Herr» genannt oder göttlich verehrt
werden dürfe, sondern ein Geschöpf und Diener des Vaters sei. Von den angesehensten Kirchenlehrern der Zeit, einem Athanasius,
Basilius d. Gr., Gregor von Nyssa, Gregor von Nazianz als «Streiter wider den Heiliger Geist» (Pneumatomachen)
bekämpft, wurden die Anhänger des Macedonius auf der Synode zu Konstantinopel (381) auch kirchlich verdammt.
Dafür bestimmte
^[] die Synode oder das ihr zugeschriebene Glaubensbekenntnis (s. Symbolische Bücher), der Geist sei «Herr»,
lebendigmachend, vom Vater ausgegangen und ebenso wie der Vater anzubeten und zu verehren. Die Benennung «Gott» und das Prädikat
der Wesensgleichheit mit Vater und Sohn wagte selbst diese Synode dem Geiste noch nicht zu geben, doch wurde
beides schon damals als rechtgläubige Meinung betrachtet. Ihren letzten Abschluß erhielt die orthodoxe Lehre vom Heiliger Geist im
Abendlande durch den zuerst von Augustinus ausgesprochenen Satz, daß der Heiliger Geist auch vom Sohne ausgehe.
Auf der Synode zu Toledo (589) kam jene Annahme zuerst in den lat. Text des konstantinopolitanischen Glaubensbekenntnisses, das
die Worte «qui ex patre procedit» durch den Zusatz «filioque» hinter «patre»
vermehrte. Dieser Zusatz ging dann auch in das Athanasianische Glaubensbekenntnis über, wo es heißt: «Spiritus sanctus a
patre et filio procedens». Dieses Ausgehen aber dachte man sich als ein Aushauchen von seiten
des Vaters und Sohnes (spiratio activa), im Gegensatz zu der Zeugung des Sohnes durch den Vater.
In der kirchlichen Dogmatik ist die Lehre vom Heiliger Geist ziemlich vernachlässigt. Dieselbe schreibt ihm eine Reihe von Wirkungen
(Berufung, Erleuchtung, Heiligung u. s. w.) zu, die jedoch gewöhnlich in dem Kapitel von den göttlichen Gnadenwirkungen behandelt
werden. Speciell des Heiliger Geist wurde fast nur in den Lehren
[* 13] von der buchstäblichen Eingebung der Heiligen Schrift
durch den Heiliger Geist und von dem sog. testimonium Spiritus Sancti internum gedacht, worunter man früher die unmittelbar göttliche
Beglaubigung der Wahrheit des Evangeliums im Menschengemüt, später die auf wunderbare Weise vom Heiliger Geist gewirkte Überzeugung
vom göttlichen Ursprung der Bibel
[* 14] verstand.
Von der seit Mitte des 18. Jahrh. erwachten Kritik ward auch die orthodoxe
Lehre vom Heiliger Geist immer entschiedener bestritten. Während der Supranaturalismus zu den unbestimmten Ausdrücken der ältern Väter
zurückkehrte, bekämpfte der Rationalismus die Persönlichkeit des Heiliger Geist überhaupt mit philos. und exegetischen Gründen,
und sah in ihm nur die unpersönliche göttliche Kraft, die uns sittlich erneuert. Den religiösen Gehalt
in der Lehre vom Heiliger Geist hob zuerst Schleiermacher wieder hervor, indem er denselben als den christl.
Gemeingeist oder als die die Gemeinschaft der Gläubigen beseelende und in alle Wahrheit leitende göttliche Lebensmacht
beschrieb. Hegel deutete die Lehre vom Heiliger Geist dahin um, daß sie nur ein Ausdruck sein sollte für seine
Theorie von dem ewigen Göttlichen (dem Vater), das aus seiner Entäußerung in der Welt (dem Sohne) zu sich zurückkehre und
so im menschlichen Bewußtsein zu persönlichem Leben gelange. Gott als Geist ist hiernach der im Bewußtsein der endlichen
Geister gegenwärtige Gott. Neuere spekulative Theologen sind seitdem bemüht gewesen, den Heiliger Geist
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zwar nicht als eine Person, aber doch als eine besondere Existenzweise des innergöttlichen Lebens selbst zu beschreiben und
die Persönlichkeit Gottes erst im Moment des Geistes als wahrhaft vollzogen zu denken. Da jedoch das innergöttliche Leben
für die religiöse Betrachtung nur Bedeutung erhält, sofern es sich an und in uns offenbart, so sieht
die freie Theologie der Gegenwart, im Anschluß an Schleiermachers und Hegels Ideen, im H. G. Gott selbst, sofern er im religiös-sittlichen
Leben der Gemeinde sich wirksam erweist, oder das dem frommen Selbstbewußtsein innewohnende Göttliche selbst. Die Orthodoxie
der Gegenwart ist jedoch auch hier zu den dogmatischen Bestimmungen der altprot.Kirchenlehre zurückgekehrt.
–
Vgl. Kahnis, Die Lehre vom Heiliger Geist, Tl. 1 (Halle
[* 16] 1847).