Heiliger
Geist. Das
Alte Testament nennt
Geist
Gottes oder
Geist des Herrn den lebendig machenden Odem
Gottes, danach im
übertragenen
Sinne die aus Gott auf die
Menschen übergehende geistige
Kraft,
[* 2] als die
Quelle
[* 3] der prophetischen
Erkenntnis und alles höhern geistigen
und sittlichen Lebens. Im spätern
Judentum wird der
Geist
Gottes immer mehr als die
Offenbarungsseite des
an sich schlechthin überweltlichen göttlichen Wesens gedacht, ja geradezu poetisch personifiziert,
wozu in der nachexilischen Zeit die
Vorstellungen von der göttlichen Weisheit, dem Schöpferwort und
der Herrlichkeit
Gottes hinzutreten.
Die älteste judenchristl.
Anschauung sah in der
Ausrüstung mit dem
«Geiste ohne
Maß» das specifische
Merkmal des Messias. Sofern
der Messias durch diesen
Geist zum Dienste
[* 4]
Gottes geweiht war, erhielt der Messiasgeist
vorzugsweise das
Prädikat «heiliger» Geist
(grch. pneuma hagion; lat.
Spiritus
[* 5] sanctus). Nach der ursprünglichen christl.
Vorstellung kam er auf
den natürlich erzeugten
Menschen
Jesus bei der
Taufe in Gestalt einer
Taube, dem
Symbol der Reinheit, herab und machte ihn dadurch
zum Messias.
Nach
Paulus bildet der Heiliger Geist
oder der
Geist
Gottes das substantielle Wesen des
Sohnes
Gottes überhaupt, die
irdische Menschheit nimmt dieser nur an, um die
Sünde im Fleische zu ertöten, daher der Gekreuzigte in Kraft dieses
Lebensgeistes
von neuem erweckt wird und nun auch den Seinen den Heiliger Geist
und durch denselben die
Auferstehung von den
Toten mitzuteilen im
stande ist. Die judenchristl.
Vorstellung dagegen läßt den in Heiliger Geist
dem
Menschen
Jesus nur als in seinem
Gefäß
[* 6] in unermeßlicher Fülle wohnen.
Letztere
Ansicht steigerte sich weiter zu der
Vorstellung von der übernatürlichen Erzeugung der im übrigen noch immer wesentlich
menschlich gedachten
Person Jesu durch den Heiliger Geist
, wogegen die paulinische
Anschauung den Sohn
Gottes vorweltlich dachte
und als das himmlische Urbild der vollkommenen Menschheit beschrieb. Beide Vorstellungsreihen wurden in der kirchlichen
Lehre
[* 7] des 2. Jahrh. ebenso verbunden, wie im Matthäus-Evangelium die Empfängnis vom Heiliger Geist
und
die Herabkunft desselben auf
Jesus bei der
Taufe nebeneinander hergehen.
Neben der
Lehre vom göttlichen
Geiste als dem übermenschlichen Princip in Christi
Person bildete sich
unter alexandrinischem Einflusse die verwandte
Vorstellung vom ewigen göttlichen Wort (dem
Logos), das die Welt geschaffen
habe und in Jesu Fleisch geworden sei. Da beide Lehrweisen nicht wesentlich unterschieden waren, so konnten viele
Kirchenlehrer
des 2. Jahrh.
Logos und Pneuma als gleichbedeutende
Ausdrücke für das Göttliche in Jesu gebrauchen.
Ursprünglich waren weder der
Logos noch das Pneuma streng persönlich gedacht, aber als ersterer
Ausdruck immer allgemeiner
zur Bezeichnung der vorweltlichen Persönlichkeit Christi verwendet wurde, begann man den Heiliger Geist
vorzugsweise
als das übernatürliche Princip alles höhern göttlichen Lebens in den Gläubigen
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zu betrachten. Anlaß hierzu gab vorzugsweise das vierte Evangelium, wonach Jesus als der vom Himmel
[* 9] gekommene und wieder zum
Vater zurückkehrende göttliche Logos den Seinen nach seinem Scheiden den Heiliger
Geist, den Geist der Wahrheit, als den Beistand (Parakleten)
verheißt, der sie in alle Wahrheit leiten und sie darüber belehren solle, was sie jetzt noch nicht zu
verstehen vermöchten. Aber schon in der Anschauung des Urchristentums ist es der Heiliger
Geist, der den Glauben erweckt, die Gläubigen
von der Sünde reinigt, sie als Gereinigte Gott zueignet und mit neuen Kräften des sittlichen Lebens erfüllt.
Derselbe wird vorgestellt als eine objektive, über dem Menschen waltende und von oben her über ihn kommende
Macht, ohne daß jedoch die gelegentlich vorkommende Personifikation des Heiliger
Geist dogmatisch zu nehmen wäre.
Als das die Gläubigen aus der Welt aussondernde und Gott zueignende Princip ward der in der Heiliger
Geistin der Taufformel
Matth. 28, 19. vom Vater und Sohn noch unterschieden. Die Summe des christl. Bewußtseins ist hier in dem
Glauben an Gott den Vater, an Jesum Christum, den Sohn Gottes, unsern Erlöser, und an den Heiliger
Geist als die in den Gläubigen waltende
Gottesmacht zusammengefaßt. Als Person war der Heiliger
Geist auch in dieser Zusammenstellung noch nicht verstanden.
Erst die Gnostiker (s. Gnosis) des 2. Jahrh. räumten dem Heiliger
Geist eine
Stelle unter ihren mytholog. Gestalten ein, in die sich für sie die göttliche Wesensfülle auseinanderlegte (Äonen), und
in judenchristl. Kreisen fand sich die Auffassung vor, daß der ein Heiliger
Geistein Engelwesen sei, obwohl daneben wieder
die Engelwelt nur als die Auseinanderfaltung des im H. G. zur Einheit zufammengefaßten göttlichen Wesens erscheint. Die
Montanisten (s. d.) endlich bezeichneten den Heiliger
Geist oder den
Parakleten als den vom göttlichen Logos unterschiedenen Urheber der neuen Prophetie, die der Montanismus verkündigte, und als
das die Kirche über die Gottesoffenbarung in der Apostelzeit noch hinaus zur Periode der männlichen Reife
führende Princip. So wurde der Heiliger
Geist seit dem Ende des 2. und Anfang des 3. Jahrh.
auch von rechtgläubigen Kirchenlehrern, wie Irenäus, Tertullianus, Origenes, immer allgemeiner als ein besonderes, vom Logos
unterschiedenes Subjekt gefaßt.
Das Verhältnis der drei Personen zueinander aber ward in der Weise strenger Unterordnung gedacht, der
Heiliger
Geist insbesondere als hervorgebracht durch den Sohn und geringer als dieser. Nähere Bestimmungen blieben
bis zum Ende des 4. Jahrh. der Freiheit der einzelnen Kirchenlehrer überlassen. Erst als die volle Gottheit des Sohnes und
dessen Wesensgleichheit mit dem Vater kirchlich festgestellt war, erforderte es die Folgerichtigkeit des
kirchlichen Dogmas, Gleiches auch vom Heiliger Geist auszusagen.
Während das Konzil zu Nicäa (325) noch gar nichts Näheres über den Heiliger Geist festgestellt hatte, entspann sich 50 Jahre später ein heftiger Streit über die Ansicht des Patriarchen Macedonius von Konstantinopel, [* 10] daß der Heiliger Geist nicht Gott, wie der Sohn, daher auch nicht «Herr» genannt oder göttlich verehrt werden dürfe, sondern ein Geschöpf und Diener des Vaters sei. Von den angesehensten Kirchenlehrern der Zeit, einem Athanasius, Basilius d. Gr., Gregor von Nyssa, Gregor von Nazianz als «Streiter wider den Heiliger Geist» (Pneumatomachen) bekämpft, wurden die Anhänger des Macedonius auf der Synode zu Konstantinopel (381) auch kirchlich verdammt.
Dafür bestimmte ^[] die Synode oder das ihr zugeschriebene Glaubensbekenntnis (s. Symbolische Bücher), der Geist sei «Herr», lebendigmachend, vom Vater ausgegangen und ebenso wie der Vater anzubeten und zu verehren. Die Benennung «Gott» und das Prädikat der Wesensgleichheit mit Vater und Sohn wagte selbst diese Synode dem Geiste noch nicht zu geben, doch wurde beides schon damals als rechtgläubige Meinung betrachtet. Ihren letzten Abschluß erhielt die orthodoxe Lehre vom Heiliger Geist im Abendlande durch den zuerst von Augustinus ausgesprochenen Satz, daß der Heiliger Geist auch vom Sohne ausgehe.
Auf der Synode zu Toledo [* 11] (589) kam jene Annahme zuerst in den lat. Text des konstantinopolitanischen Glaubensbekenntnisses, das die Worte «qui ex patre procedit» durch den Zusatz «filioque» hinter «patre» vermehrte. Dieser Zusatz ging dann auch in das Athanasianische Glaubensbekenntnis über, wo es heißt: «Spiritus sanctus a patre et filio procedens». Dieses Ausgehen aber dachte man sich als ein Aushauchen von seiten des Vaters und Sohnes (spiratio activa), im Gegensatz zu der Zeugung des Sohnes durch den Vater.
Noch Papst Leo Ⅲ. hatte (809) Bedenken getragen, den Zusatz zum Symbol kirchlich anzuerkennen; aber in der Folgezeit ward er einer der Streitpunkte zwischen der röm. und griech. Kirche. Photius, Patriarch von Konstantinopel, erhob zuerst (867) gegen die abendländ. Kirche die Anklage der Verfälschung des Glaubens, was seit der Kirchenspaltung im 11. Jahrh. ein Hauptvorwurf der Orientalen gegen die Abendländer blieb. Dagegen ist die Vorstellung der lat. Kirche auch zu den Protestanten übergegangen.
In der kirchlichen Dogmatik ist die Lehre vom Heiliger Geist ziemlich vernachlässigt. Dieselbe schreibt ihm eine Reihe von Wirkungen (Berufung, Erleuchtung, Heiligung u. s. w.) zu, die jedoch gewöhnlich in dem Kapitel von den göttlichen Gnadenwirkungen behandelt werden. Speciell des Heiliger Geist wurde fast nur in den Lehren [* 12] von der buchstäblichen Eingebung der Heiligen Schrift durch den Heiliger Geist und von dem sog. testimonium Spiritus Sancti internum gedacht, worunter man früher die unmittelbar göttliche Beglaubigung der Wahrheit des Evangeliums im Menschengemüt, später die auf wunderbare Weise vom Heiliger Geist gewirkte Überzeugung vom göttlichen Ursprung der Bibel [* 13] verstand.
Von der seit Mitte des 18. Jahrh. erwachten Kritik ward auch die orthodoxe Lehre vom Heiliger Geist immer entschiedener bestritten. Während der Supranaturalismus zu den unbestimmten Ausdrücken der ältern Väter zurückkehrte, bekämpfte der Rationalismus die Persönlichkeit des Heiliger Geist überhaupt mit philos. und exegetischen Gründen, und sah in ihm nur die unpersönliche göttliche Kraft, die uns sittlich erneuert. Den religiösen Gehalt in der Lehre vom Heiliger Geist hob zuerst Schleiermacher wieder hervor, indem er denselben als den christl. Gemeingeist oder als die die Gemeinschaft der Gläubigen beseelende und in alle Wahrheit leitende göttliche Lebensmacht beschrieb. Hegel deutete die Lehre vom Heiliger Geist dahin um, daß sie nur ein Ausdruck sein sollte für seine Theorie von dem ewigen Göttlichen (dem Vater), das aus seiner Entäußerung in der Welt (dem Sohne) zu sich zurückkehre und so im menschlichen Bewußtsein zu persönlichem Leben gelange. Gott als Geist ist hiernach der im Bewußtsein der endlichen Geister gegenwärtige Gott. Neuere spekulative Theologen sind seitdem bemüht gewesen, den Heiliger Geist ¶
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zwar nicht als eine Person, aber doch als eine besondere Existenzweise des innergöttlichen Lebens selbst zu beschreiben und die Persönlichkeit Gottes erst im Moment des Geistes als wahrhaft vollzogen zu denken. Da jedoch das innergöttliche Leben für die religiöse Betrachtung nur Bedeutung erhält, sofern es sich an und in uns offenbart, so sieht die freie Theologie der Gegenwart, im Anschluß an Schleiermachers und Hegels Ideen, im H. G. Gott selbst, sofern er im religiös-sittlichen Leben der Gemeinde sich wirksam erweist, oder das dem frommen Selbstbewußtsein innewohnende Göttliche selbst. Die Orthodoxie der Gegenwart ist jedoch auch hier zu den dogmatischen Bestimmungen der altprot.Kirchenlehre zurückgekehrt. –
Vgl. Kahnis, Die Lehre vom Heiliger Geist, Tl. 1 (Halle [* 15] 1847).