Heilbronn
,
[* 1] Oberamtsstadt im württemberg. Neckarkreis, einst berühmte Reichsstadt, 130 m ü. M., liegt in schöner und sehr fruchtbarer Gegend am Neckar und am Fuß des Wartbergs, Knotenpunkt der Linien Bietigheim-Jagstfeld, Heilbronn-Krailsheim und Heilbronn-Eppingen der Württembergischen Staatsbahn, hat in ihrem Innern mit ihren engen Gassen, den hohen, oft seltsam verzierten Giebelhäusern und spitzen Türmen noch immer einen ganz mittelalterlichen Charakter, während außerhalb neue und elegante Stadtteile entstanden sind.
Unter den
Kirchen sind besonders bemerkenswert: die schöne, an kunstvollen Steinarbeiten reiche St.
Kilians- oder
Stadtkirche, ein großenteils spätgotischer
Bau des 15. Jahrh. mit spätern Renaissancezusätzen und einem 62 m hohen, zierlichen
Turm,
[* 2] schönem
Chor, trefflichem Schnitzaltar (1493),
Glasmalereien und der seit 1857 versiegten
Quelle,
[* 3] die, unter dem Hauptaltar
hervorsprudelnd, von der
Kirche in den Siebenrohrbrunnen (das
Wahrzeichen von Heilbronn
) strömte, nach welchem
Karl d. Gr.
die Stadt benannte; die kath. Josephskirche (ehemalige Deutschordenskirche) und die neue, in
reichem maurischen
Stil aufgeführte
Synagoge.
Ferner sind hervorzuheben: das
Rathaus am
Markt (von 1540), mit hoher Freitreppe,
einer Kunstuhr und interessanten
Urkunden, das Deutschordenshaus, in welchem
Oxenstierna 1633 den Heilbronner
Vertrag abschloß
(s. unten), der
Diebs- oder Götzenturm am
Neckar, in welchem
Götz von Berlichingen einst gefangen saß.
Die Zahl der Einwohner beträgt (1885) mit der
Garnison (ein
Bataillon
Infanterie Nr. 122) 28,038, darunter 3117 Katholiken
und 861
Juden.
Die
Industrie ist bedeutend. Heilbronn
hat eine
Fabrik silberner Tafelgeräte und
Bestecke (mit 400 Arbeitern, welche jährlich 120 metr.
Ztr.
Silber verarbeiten), eine Maschinenfabrik,
Eisen- und
Metallgießerei, 2 große Papierfabriken, von
denen die eine 400
Arbeiter zählt und jährlich
ca. 12,000 metr. Ztr. ihres
Fabrikats absetzt, eine
Leim- und Düngerfabrik,
eine Zuckerfabrik (mit eigner, aus 9 Pachtgütern mit zusammen 1377
Hektar bestehender
Landwirtschaft und 350 Arbeitern), ein
Salzwerk mit 500 Arbeitern und einer jährlichen
Produktion von 450,000 metr. Ztr.
Stein- und 250,000 metr.
Ztr. Siedesalz, eine
Zichorien- und Feigenkaffeefabrik mit 200 Arbeitern.
Außerdem findet
man in Heilbronn
Fabrikation von
Tabak,
[* 4] Messerschmiedewaren, Kölnischem
Wasser,
Fortepianos,
Seife,
Stearin,
Tapeten,
Öl und
Zement, mechanische Wollspinnereien und
-Webereien,
Bleichen,
Färbereien,
Gerbereien, Bierbrauereien etc.;
auch der
Obst- und
Garten-, besonders aber der Weinbau sind sehr bedeutend. Heilbronn
hat einen
Freihafen, eine Reichsbanknebenstelle,
hervorragenden
Kolonialwaren-,
Getreide- und Holzhandel, besuchte Vieh- und Ledermärkte und einen
Woll-,
Rinden-,
Obst- und Traubenmarkt.
Der Gesamtgüterverkehr zu
Wasser und per
Eisenbahn betrug 1884
ca. 4 Mill. metr. Ztr. Die
Kettenschleppschiffahrt
auf dem
Neckar zwischen und
Mannheim
[* 5] beförderte davon 94,000 metr. Ztr. Die Württembergische
Transportversicherungsgesellschaft zu Heilbronn
versicherte 1884 einen Gesamtwert von nahe 5 Mill. Mk.
Heilbronn
hat ein
Gymnasium, eine
Realschule, eine landwirtschaftliche Winterschule, ein
Theater,
[* 6] ein reichdotiertes
Hospital mit Kranken-
[* 1]
^[Abb.:
Wappen
[* 7] von Heilbronn.]
¶
mehr
haus, ein Zellengefängnis und ist Sitz eines Generalsuperintendenten, eines Landgerichts (für die 9 Amtsgerichte zu Backnang,
Besigheim, Brackenheim, Heilbronn
, Marbach, Maulbronn, Neckarsulm, Vaihingen und Weinsberg), einer Eisenbahnbetriebsinspektion und eines
Hauptsteueramtes. Der städtische Gemeinderat und der Bürgerausschuß bestehen je aus 18 Mitgliedern. Die Umgebung der Stadt
gleicht einem großen Garten
[* 9] von Obst- und Zierbäumen, unter denen bei dem überaus milden Klima
[* 10] des Heilbronner
Thalkessels und dem fruchtbaren Boden sogar exotische Bäume, wie Paulownia imperialis, Bignonien (bis 20 m Höhe), mehrere Arten
von Magnolien, Rhododendren, Azalien, Tulpenbäume etc. gedeihen und blühen. Den schönsten Blick auf Stadt und Umgegend gewährt
der Wartberg (worauf der Wartturm), der zur Zeit der Weinlese (»des
Herbstes«) Mittelpunkt des heitersten Treibens ist. In der Nähe sind wichtige Gipsgruben und großartige Sandsteinbrüche.
unter den Karolingern eine königliche Pfalz, wird 741 zuerst erwähnt und war 1073 bereits ein ansehnlicher Ort, welcher von
Kaiser Heinrich IV. Stadtrechte erhielt. Dann wurde Heilbronn
dem Bischof von Würzburg
[* 11] übertragen, welcher es 1225 den
Hohenstaufen überließ. Rudolf von Habsburg verlieh der Stadt ausgedehnte Freiheiten, doch wurde dieselbe erst 1360 nach Erwerbung
des Schultheißenamtes Reichsstadt. Ihr Gebiet betrug damals mehr als 55 qkm (1 QM.). Heilbronn
trat 1331 dem
Schwäbischen Städtebund und später dem Schwäbischen Bund bei, der 1519 hier Götz von Berlichingen gefangen
hielt.
Die Reformation fand 1525 allgemeinen Eingang in Heilbronn.
Im Bauernkrieg fiel die Stadt infolge innerer Zwistigkeiten in die Hände
der Bauern, die daselbst im Mai 1525 einen Konvent abhielten, auf dem eine Reform des Reichs beraten wurde. Später trat sie
zum Schmalkaldischen Bund und mußte für ihre Teilnahme am Schmalkaldischen Krieg dem Kaiser 1547 hohe Geldbuße zahlen. Im März 1594 fand
hier ein Fürstentag der Protestanten behufs einer Beratung gegenüber den katholischen Ständen, auch 1633 ein Konvent zwischen
Oxenstierna, den Ständen des schwäbischen, fränkischen, ober- und niederrheinischen Kreises und den französischen,
englischen und holländischen Botschaftern statt, infolge dessen der Heilbronner
Vertrag zur Fortsetzung des Kriegs zu stande
kam. 1802 wurde Heilbronn
von Württemberg
[* 12] besetzt und diese Erwerbung 1803 durch den Reichsdeputationshauptschluß bestätigt.
Vgl.
Jäger, Geschichte von Heilbronn
(Heilbr. 1828);
Kuttler, Heilbronn
, seine Umgebungen und Geschichte (das. 1859);