alte berühmte Universitätsstadt im gleichnamigen bad. Kreis und Amtsbezirk, 116 m ü. M., in reizender
Gegend des Neckarthals, da, wo der Fluß aus dem Gebirge in die Ebene tritt, am Fuß des 568 m hohen Königsstuhls, Knotenpunkt
der Linien Mannheim-Konstanz, Heidelberg-Neckargemünd-Würzburg und Heidelberg-Speier der Badischen Staatsbahn und der Linie
Frankfurt a. M.-Heidelberg der Main-Neckarbahn, erstreckt sich am linken Neckarufer zwischen Fluß und Gebirge vom Karlsthor, neben welchem
der Heidelberg-Würzburger Bahnhof liegt, bis zum Bahnhof der andern Linien im W. der Stadt in einer einzigen von einer Pferdebahn durchzogenen
Hauptstraße, 3 km lang, von O. nach W. Zwischen beiden Bahnhöfen besteht eine Verbindung mittels eines
Tunnels auf der Südseite der Stadt.
Über den Neckar führen zwei Brücken; die obere ist 210 m lang, 9 m breit und geschmückt mit den Statuen der Minerva und des
Kurfürsten Karl Theodor, die untere, am westlichen Ende der Stadt, 1877 vollendet, ist 243 m lang und 10 m
breit. Unter den zahlreichen Plätzen ist der Wredeplatz mit einem 1860 errichteten Denkmal des bayrischen Feldmarschalls Wrede
(von Halbig) geschmückt. Unter den Kirchen verdienen Erwähnung: die Heilige-Geistkirche, um 1400 erbaut, eins der imposantesten
Denkmäler des spätgotischen Stils, mit dem Grabdenkmal ihres Stifters, Kaiser Ruprechts, und dessen Gemahlin,
ferner die 1868-70 restaurierte gotische Peterskirche, mit merkwürdigen Grabmälern aus dem 16. und 17. Jahrh., darunter
das der gelehrten Olympia Fulvia Morata, die 1885 restaurierte Providenzkirche und die 1870 geschmackvoll restaurierte Jesuitenkirche
(kath. Pfarrkirche). Unter den Profanbauten sind bemerkenswert: das Reichspostgebäude, das 1886 restaurierte Universitätsgebäude,
das aus dem Jahr 1592 herrührende Gasthaus Zum Ritter u. a.
Die größte Sehenswürdigkeit Heidelbergs ist das alte, berühmte Schloß, das auf dem Jettenbühel, einem Vorhügel des
Geisbergs, unmittelbar über der Stadt und 101 m über dem Spiegel des Neckar sich erhebt, eine »deutsche Albambra« (vgl.
nebenstehenden Plan). Zu Ende des 13. Jahrh. begonnen, wurde der Bau besonders unter dem Kurfürsten Ruprecht,
dem deutschen König, weiter fortgeführt und später noch durch den eleganten und prachtvollen Otto-Heinrichsbau (seit 1556-59,
s. Taf. »Baukunst XII«, Fig. 5), ein Musterwerk phantasiereicher und edler Frührenaissance
mit reichem plastischen Schmuck (von A. Colins aus Mecheln), und den im reichsten Spätrenaissancestil 1601-1607
ausgeführten Friedrichsbau mit 16 Porträtstatuen erweitert.
Diese Hauptgebäude des Schlosses bilden ein Viereck mit runden Ecktürmen: nach SW. stehen der Ruprechtsbau (1400-1410 erbaut),
der sog. Alte Bau und das »Bandhaus«, der älteste Teil des Schlosses, nach der Nordwestseite der Friedrichsbau (mit den Standbildern
pfälzischer Fürsten geschmückt), auf
der Nordost- u. Südostseite der Otto-Heinrichsbau nebst dem sog.
Neuen Hof, aus Gotik und Renaissance gemischt, und der Ludwigsbau; auf der Westseite fügt sich noch als jüngster Bau der Elisabethenbau
(1618) an. Nachdem die Drangsale des Dreißigjährigen Wappen von Heidelbergs Kriegs überwunden waren, wurde das Schloß erst
durch die Franzosen 1689 und 1693 zum großen Teil zerstört (namentlich ein mächtiger, an 30 m im Durchmesser
haltender Turm gesprengt), dann 1764 durch einen Blitzstrahl noch weiter verwüstet.
Seitdem ist es Ruine, die großartigste und schönste Deutschlands, die von Epheu in üppigster Fülle umsponnen ist, im übrigen
vor weiterm Verfall sorgfältig geschützt wird. Vorzüglich sehenswert sind: das halb in Grün versteckte
Elisabethenthor, die vier schönen Granitsäulen am Schloßbrunnen, die aus Karls d. Gr. Palast zu Ingelheim hierher gebracht
sind, der Schloßgarten mit einer großen Terrasse, von der man eine entzückende Aussicht in die Rheinebene, bis Speier und
zu dem Hardtgebirge hat, der gesprengte Turm, der schöne achteckige Turm, der vormalige Schloßgarten,
die noch erhaltene Schloßkirche im Friedrichsbau, wo sich auch die für die Geschichte des Schlosses und der Stadt interessante
städtische Sammlung befindet. Endlich zeigt man in einem besondern Kellergewölbe das bekannte große, 1751 gebaute Faß, das
beinahe 7 m im Durchmesser and über 10 m in der Länge hat und 236,000 Flaschen faßt. Die Bevölkerung
beträgt (1885) mit der Garnison (1 Bat. Grenadiere Nr. 110) 24,417 Seelen, 1880: 14,144 Evangelische, 9312 Katholiken und 799 Juden.
Die Erwerbsquellen der Bewohner bilden vorzugsweise die Universität, der bedeutende Fremdenbesuch und der ziemlich lebhafte
Handel, der seine Hauptstützen in den sich hier kreuzenden wichtigen Straßen und in den Eisenbahnverbindungen
findet. In industrieller Hinsicht sind Fabriken für Tabak, Leder, Feuerspritzen, chirurgische Instrumente, Eisenbahnwagen, Zement
sowie bedeutende Bierbrauereien namhaft zu machen; außerdem wird lebhafter Buch-, Wein-, Tabaks- und Hopfenhandel betrieben.
An größern Bankgeschäften besitzt eine Reichsbanknebenstelle.
Von den Bildungsanstalten erfreut sich die Universität eines besondern Rufs. Ihre Dotation beläuft sich auf 6-700,000 Mk.,
Rektor ist der Großherzog. Die Zahl der Studierenden belief sich im Sommersemester 1886 auf 1036, die Zahl der Dozenten auf
etwa 100. Die Bibliothek wurde nach dem Verlust der alten Bibliotheca Palatina (s. unten) 1703 durch Ankauf
der Gräviusschen Sammlungen gegründet. Sie zählt ½ Mill. Bände, 2000 Handschriften, 2000 Pergamenturkunden etc. Mit der
Universität sind außerdem verbunden: ein akademisches Hospital, ein Kinderkrankenhaus (Luisen-Heilanstalt), eine Entbindungsanstalt,
ein physiologisches Institut, ein chemisches Laboratorium, ein zoologisches und ein mineralogisches Museum, ein
botanischer Garten etc. An sonstigen Bildungs- und andern Anstalten besitzt ein Gymnasium, eine Realschule, eine Gewerbeschule,
ein Theater, einen Kunstverein, einen Verein für Natur- und Heilkunde und ein von Prof. Schweninger gegründetes Sanatorium. Heidelberg ist
Sitz eines Kreisamtes, eines Amtes, eines Amtsgerichts und eines Hauptsteueramtes. Die Umgebung Heidelbergs gehört
zu den reizendsten Gegenden Deutschlands. Die ganze Landschaft mit ihren schön bewaldeten Bergen, malerischen Felsen und dem
Neckar hat einen großartigen Charakter. Zu den beliebtesten Aussichtspunkten nächst denen des Schloßgartens gehören die
sogen. Molkenkur, über dem Schloß gelegen, wo einst die Burg Konrads von Hohenstaufen stand, und weiter hinauf der 568 m
hohe Königstuhl (s. d.). Das Klima Heidelbergs, wo die Luft durch Fluß und Thal erfrischt, durch die unmittelbar jenseit des
Neckar ansteigenden Berge gegen Nordwind geschützt wird, gehört im Durchschnitt wie in den Extremen zu dem mildesten Südwestdeutschlands.
Geschichte. Wahrscheinlich hatten schon die Römer an der Stelle des heutigen ein Kastell, und die herrliche
Gegend mag frühzeitig zur Ansiedelung gelockt haben. Heidelberg kam als Lehen des Bistums Worms schon zu Ende des 12. Jahrh. an die
rheinischen Pfalzgrafen. Konrad I., der Bruder Kaiser Friedrichs I., erbaute sich ein Schloß auf dem Geisberg, das 1537 durch
den Blitz zerstört ward. Sechs Jahrhunderte lang blieb fortan Heidelberg Haupt- und Residenzstadt der Pfalz. Im J. 1384 fand
hier die Heidelberger Einung statt, durch welche der Nürnberger Landfriede von 1383 auch von den Städtebünden und diese dagegen
von König Wenzel anerkannt wurden.
Luther hielt zu Heidelberg 1518 eine Disputation. Nach Einführung der Reformation daselbst (1556) und dem Erscheinen
des Heidelberger Katechismus (1563) war ein Mittelpunkt des calvinischen Glaubensbekenntnisses. Im Dreißigjährigen Krieg ward
Heidelberg 1622 von Tilly nach langer Belagerung erobert und geplündert, 1633 von den Schweden genommen, 1634 von den Bayern belagert
und 1635 von den Kaiserlichen unter Gallas besetzt. Im Westfälischen Frieden kam es wieder an Karl Ludwig,
Friedrichs V. Sohn, welcher Schloß und Schloßgarten wieder prächtig einrichtete und auch die im Krieg aufgehobene Universität
wiederherstellte. 1689 wurde es nach längerer Belagerung von den Franzosen unter dem Dauphin genommen und verwüstet, das
Schloß zum Teil in die Luft gesprengt. Noch ärgere Verwüstungen erlitten Stadt und Schloß 1693 infolge
der abermaligen Eroberung durch die Franzosen. Nachdem schon 1720 die Residenz von Heidelberg nach Mannheim verlegt worden war, kam Heidelberg 1803 an
Baden. Hier fand 5. März 1848 die Heidelberger Versammlung statt, in welcher die Berufung eines deutschen Parlaments angebahnt wurde.
Die Universität zu Heidelberg wurde 1386 vom Kurfürsten Ruprecht I. eröffnet, nachdem Papst Urban VI. durch die
Bulle vom 23. Okt. 1385 dazu seine Zustimmung gegeben hatte. Ihr erster Rektor war Marsilius von Inghen. Sie war nach dem Vorbild
der Pariser Akademie errichtet, besaß schon damals vier Fakultäten und genoß bedeutende Rechte, Freiheiten
und Einkünfte. Unter Friedrich dem Siegreichen ward 1452 ein Lehrstuhl für weltliches Recht errichtet und entstand die erste
Buchdruckerei in Heidelberg. Große Verdienste erwarb sich um die Anstalt Philipp der Aufrichtige, indem er ausgezeichnete Gelehrte, wie
Reuchlin, Joh. Wessel, Wimpfeling u. a., berief und 1489 ein neues Juristenkollegium errichtete.
Neuen Glanz erlangte später die Anstalt unter Ludwig
V. durch die 1524 erfolgte Berufung Seb. Münsters und Simon Grynäus' als
Lehrer der hebräischen Sprache. Otto Heinrich gab ihr eine Organisation, er errichtete namentlich drei Lehrstühle für Arzneikunde
und gründete die Bibliothek. Unter Kurfürst Friedrich III. lehrten hier Friedrich Sylburg, Xylander, Melissus
und die beiden Theologen Ursinus und Olevianus, welche den Heidelberger Katechismus (s. d.) entwarfen.
Nachdem die Universität unter Friedrich V. während des Dreißigjährigen Kriegs schon harte Schläge zu erleiden gehabt, verlor
sie durch den Lüneviller Frieden noch ihre wichtigsten (nämlich die überrheinischen) Besitzungen, so daß sie 1802 ihrer
Auflösung nahe war. Nachdem Heidelberg 1803 an Baden gekommen, hob sie sich indes bald zu neuem Glanz unter dem
Kurfürsten Karl Friedrich, der sie mit großer Freigebigkeit ausstattete und ihr die jetzige Einrichtung und den Namen Ruperto-Carola
gab.
Dieselbe hat im August 1886 ihr 500jähriges Bestehen festlich begangen. Die alte berühmte Bibliothek,
die im Chor der Heilige-Geistkirche aufbewahrt wurde und über 3500 Handschriften enthielt, wurde von Tilly nach Eroberung der
Stadt 1623 nach Rom gesandt und daselbst im Vatikan als Bibliotheca Palatina aufgestellt. Von den Handschriften kamen 1815 infolge
des Pariser Friedens 38 der besten, welche die Franzosen nach Paris geschleppt hatten, nach Heidelberg zurück; außerdem
gab der Papst sämtliche altdeutsche Manuskripte (852 an der Zahl) heraus.
Vgl. Oncken, Stadt, Schloß und Hochschule Heidelberg; Bilder
aus ihrer Vergangenheit (3. Aufl., Heidelb. 1885);
Pfaff, Heidelberg (Zürich
1885);
Durm, Das Heidelberger Schloß, eine Studie (Berl. 1884);
Rosenberg, Quellen zur Geschichte des Heidelberger Schlosses (Heidelb. 1882);
Hautz, Geschichte der Universität
Heidelberg (das. 1863-64, 2 Bde.);
Thorbecke, Geschichte der Universität Heidelberg (Stuttg. 1886);
»Urkundenbuch der Universität Heidelberg« (hrsg. von Winkelmann, Heidelb.
1886, 2 Bde.);
Wilken, Geschichte der Bildung, Beraubung und Vernichtung der alten Heidelberger Büchersammlungen (das. 1817);
Bahr, Entführung der Heidelberger Bibliothek (Leipz. 1845);
G. Weber, Heidelberger Erinnerungen (Stuttg. 1885).
(Kt. Thurgau,
Bez. Bischofszell,
Gem. Hohentannen).
510 m. Herrschaftliches Schloss, über dem rechten Ufer der Thur, 1 km s. Hohentannen
und 800 m w. der Station Sitterthal der Linie Gossau-Sulgen. 5 Gebäude, 12 Ew. Wiesenbau, früher bedeutender
Weinberg.
Die Wiege der Herren von Heidelberg stand zwischen dem heutigen Schloss und dem Dorf Hohentannen in einer heute noch
zum Teil als Ruine sichtbaren Burg.
Diese Edeln von Heidelberg nannten sich zuerst (um 1200) nach dem Orte Heidoltswil (heute
Heldswil);
sie waren Dienstleute des Bischofes von Konstanz und verwalteten
als Lehen des Bistums die Gerichtshoheiten
Heldswil und Hohentannen.
Wetzel von Heidoltswilare begleitete 1215 den Bischof Konrad von Konstanz auf einer Romreise.
Seine
Nachfolger gaben dann die Stammburg auf und erbauten sich ein neues Schloss, dessen seither in den Urkunden häufig Erwähnung
getan wird.
Die Edeln von Heidelberg erloschen im 15. Jahrhundert.
Das Schloss 1403 während der Appenzellerkriege zerstört,
nachher aber wieder hergestellt.
Später kam dieser Herrschaftssitz durch Kauf an die Edeln von Beroldingen und endlich an
das Zürcher Patriziergeschlecht von Muralt, in dessen Besitz er heute noch ist.
Geburtsort des Pädagogen
Johann v. Muralt, der als Lehrer in der von Pestalozzi begründeten und geleiteten Erziehungsanstalt zu Yverdon wirkte.
1) Kreis im Landeskommissariatsbezirk Mannheim des Großherzogtums Baden, hat 968,40 qkm, (1890) 149952 E., darunter 92249 Evangelische, 52996 Katholiken, 1155 sonstige
und 3519 Israeliten; 31538 Haushaltungen in 107 Gemeinden. Der Kreis zerfällt in 4 Amtsbezirke:
Amtsbezirke
qkm
Haushaltungen
Einwohner
Einw. auf 1 qkm
Evangelische
Katholiken
Israeliten
1) Eppingen
167,93
3868
18141
108
12629
4491
765
2) Heidelberg
347,57
15890
76310
219
49546
25387
1039
3) Sinsheim
330,58
7364
34012
102
23944
8282
1233
4) Wiesloch
122,32
4416
21489
176
6130
14836
482
2) Amtsbezirk im Kreis Heidelberg, hat (1890) 76310 E. und 15890 Haushaltungen in 37 Gemeinden. - 3) Hauptstadt des Kreises
und Amtsbezirks Heidelberg, in sehr schöner Gegend, am linken Ufer des Neckars, da, wo derselbe aus den Bergen in die Rheinebene
tritt, in 116 m Höhe, an den Linien Heidelberg-Basel (256,3 km), Mannheim-Heidelberg (18,5 km), Heidelberg-Meckesheim-Jagstfeld (56,1 km), Würzburg-Heidelberg
(159,4 km) und an der Nebenlinie Heidelberg-Speyer (s. Heidelberg-Speyerer Eisenbahn) der Bad. Staatsbahnen, sowie an der Linie Frankfurt-Heidelberg
(88,1 km) der Main-Neckarbahn und an der Mannheim-Weinheimer Eisenbahn (Nebenbahn), ist Sitz des Bezirksamtes,
eines Amtsgerichts (Landgericht Mannheim), eines Hauptsteueramtes, einer Reichsbanknebenstelle, Handelskammer und hat (1890)
mit der 1. Jan. 1891 einverleibten Gemeinde Neuenheim 31739 (15048 männl., 16691 weibl.) E., darunter 18831 Evangelische, 11822 Katholiken, 250 andere
Christen und 807 Israeliten, in Garnison (560 Mann) das 2. Bataillon des Grenadierregiments Kaiser Wilhelm (Nr. 110),
Postamt erster Klasse mit zwei Zweigstellen und Telegraphenbetrieb, Postagentur und Telegraph auf dem Schloß (nur im Sommer)
und Postagentur in Heidelberg-Schlierbach.
Eine Pferdebahnlinie durchzieht die Stadt vom Bahnhof und zwei nach Westen und Süden ziehenden Straßen nach der Karlstation
im Osten. Das Klima (1871-91: + 10° C. im Durchschnitt) des durch Berge gegen den Nordwind geschützten
Thals ist eins der mildesten Süddeutschlands, an Trockenheit übertrifft es nächst dem von Mannheim alle andern bad. Städte.
Der Nahrungsstand der Einwohner hängt hauptsächlich von der Universität und dem großen Fremdenverkehr ab. Die Zahl der
ständig hier wohnenden Ausländer, hauptsächlich Engländer und Amerikaner, beträgt über 1000. An der
Spitze der Einwohnergemeinde stehen (seit 1875) ein Oderbürgermeister und ein Bürgermeister.
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Anlage, Brücken. Die Stadt erstreckt sich mehrere Kilometer lang auf dem schmalen linken Ufersaum zwischen dem Gebirge und dem
Neckar hin; sie hat sich in den letzten Jahrzehnten hauptsächlich nach Westen hin, wo die Ebene mehr
Raum gewährt, ausgedehnt. Der obere östl. Teil ist mit dem jenseitigen Ufer durch eine 1786-88 vom Kurfürsten Karl Theodor
erbaute
steinerne, 210 m lange, 9 m breite Brücke (mit den Bildsäulen Karl Theodors und einer Minerva) verbunden. 1877 wurde
am westl. Ende eine zweite Brücke eröffnet, welche nach dem am Fuße des Heiligen Berges gelegenen Stadtteil
Neuenheim (mit zahlreichen Villen) und der dort beginnenden Bergstraße (s. d.) führt.
Gebäude, Denkmäler. Heidelberg hat fünf Kirchen, darunter die simultane Stifts- oder Heiliggeistkirche auf dem Marktplatze, eine spätgot.
Hallenkirche, um 1400 von Kaiser Ruprecht gegründet (im Chor der wohl erhaltene Grabstein, auf dem der
Erbauer und seine Gemahlin Elisabeth von Hohenzollern dargestellt sind); die evang. St. Peterskirche
(1485), 1867 in reichem got. Stil restauriert, mit schön durchbrochener Turmpyramide, und die kath. Jesuitenkirche
(1750), 1870 renoviert.
Das berühmteste der weltlichen Bauten ist das Heidelberger Schloß (s. d.),
östlich über der Stadt. Das älteste Gebäude ist das Gasthaus Zum Ritter, 1592 in Renaissancestil von
dem Hugenotten Charles Belier erbaut, fast das einzige Haus, welches 1693 unversehrt blieb. Das 1704 erbaute Rathaus enthält
einen sehenswerten neuen Saal, der mit einem Bilde von Lindenschmit: Die Überreichung neuer Statuten an die Universität durch
Otto Heinrich darstellend, geschmückt ist. Am chem. Laboratorium steht das
von Ludwig I. von Bayern errichtete Bronzestandbild des bayr. Feldmarschalls Fürsten Karl von Wrede (geb. 1767 in Heidelberg) von Brugger
und in der Nähe des alten Klingenthores eine Bronzebüste von Karl Metz, dem Begründer der Freiwilligen Feuerwehren.
Die Universität, die älteste im Deutschen Reiche, wurde 1386 von Kurfürst Ruprecht I. nach dem Muster
der Pariser gegründet und 28. Okt. eröffnet. Nach einer stillen, aber glücklichen scholastischen Zeit gewann sie besonderes
Ansehen in der Regierungszeit Kurfürst Philipps des Aufrichtigen (1476-1508), dessen Kanzler Johann von Dalberg, Bischof von
Worms, Männer wie Rud. Agricola, Jak. Wimpfeling, Reuchlin, Ökolampadius u. a.
teils an den kurfürstl. Hof, teils an die Universität berief und dadurch Heidelberg zu einer Stätte des Humanismus machte. In gleichem
Geiste wurde die Universität nach Einführung der Reformation von Kurfürst Otto Heinrich (1556-59) unter Mitwirkung Melanchthons
völlig neu gestaltet und gelangte unter den Kurfürsten Friedrich III. dem Frommen, Joh. Kasimir, Friedrich
IV. und V. zu höchstem Ansehen als Mittelpunkt des Calvinismus.
Unter den hervorragenden Lehrern dieser Zeit sind zu nennen die Theologen Ursinus und Olevianus, die Verfasser des Heidelberger
Katechismus (s. d.), die Juristen Donellus, Balduinus und Gothofredus, der Historiker M. Freher u. a. Am 16. Sept. 1622 wurde Heidelberg durch
Tilly erobert und 1623 die berühmte Palatinische Bibliothek (Bibliotheca Palatina), darunter 3527 Handschriften, von Maximilian
I. von Bayern dem Papste geschenkt. 1652 richtete Kurfürst Karl Ludwig die Universität wieder auf und berief Spanheim, Freinsheim,
Pufendorf, Cocceji, Hottinger, Beger u. a. Nachdem aber 1685 die kath. Linie Pfalz-Neuburg
zur Regierung gekommen und Heidelberg 1689 und 1693 zerstört worden war, ging die Universität kurze Zeit ein
und konnte auch nach ihrer Wiedereröffnung das ganze 18. Jahrh. hindurch infolge konfessioneller
und persönlicher Streitigkeiten
forlaufend
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zu keinem kräftigen Gedeihen gelangen. Durch die Nevolutionskriege verlor sie ihre sämtlichen Ein- künfte an Gütern und
Gefallen in der linksrhein. Pfalz und hätte sich auflösen müssen, wenn sie nicht durch Kurfürst Karl Friedrich von Baden,
welchem die rechtsrhcin. Pfalz durch den Reichs- deputationshauptschluß von 1803 zuaefallen war, erheblich
unterstützt und als «Hohe Landesschule» neu gegründet worden wäre. Sie führt seitdem zur Erinnerung an ihre Stifter den
Namen Ii.up6i-w- l^i-ola..
Sie wurde in fünf Sektionen (Fakultäten) eingeteilt: die kirchliche, staatsrechtliche, ärztliche, staatswirtschaftliche
und allgemeine (philofophifche). Die staatswirtsckaftliche wurde 1822 mit der phi- losophischen vereinigt und 1890 eine naturwissen-
schaftlich-mathematische als fünfte Sektion abge- trennt. (Vgl. Hautz, Geschichte der Universität Heidelberg, 2 Bde.,
Mannh. 1862-64; Toepke, Die Matrikel der Universität Heidelberg von 1386 bis 1662, Heidelb. 1884 -89; Winkelmann, Urkundenbuch
der Universität Heidelberg, 2 Bde., ebd. 1886; Thorbecke, Die älteste Zeit der Universität Heidelberg 1386-1449, ebd. 1886, und Statuten und
Reformationen der Universität vom 16. bis 18. Jahrh., Lpz. 1891; Minerva, Jahrbuch
der ge- lehrten Welt, Straßb. 1893.) - Die Zahl der Docen- ten beträgt (1893) 117, der Studierenden 1294. Die ältesten
Gebäude der jetzigen Universität sind 1712 -15 errichtet.
Zur Universität gehören 29 Semi- nare, Kliniken, Institute, Sammlungen und Labo- ratorien, für die in
den letzten Jahrzehnten neue Ge- bäude errichtet sind, so die Anatomie (1848), das chem. Laboratorium, 1855 sürBunfen errichtet, 1891 bedeutend
vergrößert, der Friedrichsbau (1863) mit dem anatom. Museum und der bedeutenden Mine- raliensammlung, das physiol. Institut
(1875), das aus 16 getrennten Gebäuden bestehende Kranken- haus (1876), der neue botan. Garten und die
Irrenklinik (1877), die neue Entbindungsanstalt (1884), das hygieinische
Institut (1891) und das im Bau begriffene zoolog. Museum.
Von der Nid1io- tdeca I^i^tina (f. oben) erhielt die Universitäts- bibliothek 1816 durch
den Pariser Frieden 38 der wertvollsten Handschriften, die infolge des Frie- dens von Tolentino (1797)
nach Paris gewandert waren, und dann, auf Verwendung von Asterreich und Preußen, sämtliche (854) altdeutsche Hand- schriften
zurück. Die Universitätsbibliothek zählt über 400000 Bände mit über 1000 Inkunabeln, 175000 Dissertationen und Broschüren, 3350 Co-
dices, 2512 Aktenfascikel und 2495 Handschriften, darunter feit 1888 die große sog. Manessische
Hand- schrift (s. d.). (Vgl. Wi'lken, Gefchichte der Bildung, Beraubung und Vernichtung der alten Heidelberger
Büchersammlungen, Heidelb. 1817; Vähr, Ent- führung der Heidelberger Biblothek, Lpz. 1845; Bartsch, Die altdeutschen Handschriften
der Univer- sitätsbibliothek in Heidelberg, Heidelb. 1887; von Oechel- häuser, Die
Miniaturen der Universitätsbibliothek zu Heidelberg, Tl. 1, ebd. 1887.) Das archäol.
Institut hat eine Sammlung von Gipsabgüssen. Im Aug. 1886 wurde das fünfhundertjährige Jubiläum der Universität unter großen
Festlichkeiten gefeiert. Weiter hat Heidelberg ein Gymnasium, 1808 aus dem 1546 gegründeten reform.
und dem 1705 gegrün- deten kath. Jesuiten-Gymnasium hervorgegangen (Direktor vr. Uhlig, 18 Lehrer, 15 Klassen, 407 Schüler),
eine Realschule, früher höhere Bürger- schule, Gewerbeschule, höhere Mädchenschule mit Lehrerinnenseminar
(Direktor Thorbecke, 17 Lehrer, 18
Klassen, 380 Schüler) und zahlreiche private Er- ziehungsinstitute.
Unter den wissenschaftlichen Ver- einen nehmen der Historifch-Philofophifche Verein, der Naturhistorisch-Medizinische und
die neu gegrün- dete Chemische Gesellschaft den ersten Rang ein.' Der bedeutendste gesellige Verein ist das Museum
mit wohleinaerichtetem Gebäude am Ludwigsplatz und sehr reichem Lesezimmer. Hier befindet sich auch eine kleine Bildersammlung
des Kunstvereins, in der na- mentlich Rottmann, Feuerbach, Fries und andere Heidelberger Maler vertreten sind.
Ferner hat Heidelberg ein Theater, ein Waisenhaus, eine Reichsbankneben- stelle, Handelskammer für den Kreis und die Stadt Eberbach
und eine Gewerbebank, eine Feuer- bestattungsanstalt (seit 1891). An industriellen Etablissements hat Heidelberg eine groß- artige
Cementfabrit, Tabak- und Cigarrenfabriken (vor allem die der Gebrüder Landfried), die Fabrik von Feuerlöfch - und Rettungsapparaten,
gegrün- det von Karl Metz (s. S. 953d), eine große Kunst- wollfabrik, Fabriken von chirurg.
und mathem.
In- strumenten und Leder sowie Brauereien. Aus den Höhen um Heidelberg wachsen Neben, Kastanien, Mandeln und Kirschen, mit welchen
letztern ein bedeutender Handel nach Holland und England getrieben wird; in der benachbarten Ebene werden vielfach Handels-
gewächse, wie Tabak und Hopfen, gebaut. Umgebung. Oberhalb des Schlosses (301 m ü. d. M.) befindet sich
die Anhöhe, auf welcher früher die ältere Burg stand, welche Konrad von Hohen- staufen, Bruder Kaiser Friedrichs I., gegründet
haben und wo er 1195 gestorben sein soll.
Die- selbe wurde 1537 durch den Blitz und eine Pulver- explosion zerstört; jetzt befindet sich daselbst eine Wirt- schast,
die sog. Molkenkur, zu welcher seit 1888 vom Kornmarkt aus am Schlosse vorüber
eine Drahtseil- bahn sür Personenbeförderung führt. Südöstlich davon der Königsstuhl (568 m) mit Aussichtsturm (29
m), südwestlich der Gaisbergturm (376 m). Auf dein rechten Ncckarufer liegt der Heiligenberg (381
m) mit Aussichtsturm und auf halber Höhe der Phi- lofophenweg, der sich unfern vom Ufer am Berge von Neuenheim
bis zur Hirfchgasse hinzieht und einen prächtigen Blick auf Stadt, Schloß und Thal bietet.
Östlich von Heidelberg zieht sich das Dorf Schlierbach 3 kni am linken Neckarufer entlang. Gefchichte. Auf dem Boden des Bergheimcr
Stadtviertels bestand bis in das 3. Jahrh, eine Kolonie röm. Bürger, von der in neuern Zeiten zahlreiche
Überbleibsel gefunden wurden. Die Ent- stehung der jetzigen Stadt, ursprünglich ein Lehn der Bischöfe von Worms, geht wohl
nicht über das 12. Jahrh, zurück. Urkundlich kommt der Name Heidelberg 1196 zum erstenmal vor. Pfalzgraf Otto der Erlauchte (1228-53),
aus dem Hause Wittelsbach, verlegte seine Residenz von Stahleck bei Bacharach hierher. Heidelberg blieb nun Hauptstadt
der Pfalz bis 1720. Im 1.1556 wurde hier die Reformation eingeführt, 1563 erschien der in fast alle Kultursprachen über-
setzte Heidelberger Katechismus (s. d.), als Ausdruck der Calvinischen Glaubensanschauung; 1622 wurde die Stadt von Tilly erobert
und geplündert und von den Franzosen unter Mölac 1689 teilweise und 1693 völlig zerstört und in eine
menschenleere Ode verwandelt. 1718 verlegte der kath. Kurfürst Karl Philipp seine Residenz wieder nach und fing an, das Schloß
zu restaurieren, geriet aber mit seinen reformierten Unterthanen in Streit, denen er die Heiliggeistkirche
wegnehmen wollte, und zog 1720