Titel
Hegel,
1) Georg Wilhelm Friedrich, lange Zeit hindurch einflußreichster Philosoph der neuern Zeit, geb. zu Stuttgart, ward teils durch Privatlehrer, teils auf dem Gymnasium seiner Vaterstadt für die Universität vorbereitet, widmete sich auf dem theologischen Stift zu Tübingen, wo er sich mit dem um fünf Jahre jüngern Schelling befreundete, 1788-93 dem Studium der Theologie und Philosophie und lebte dann als Hauslehrer zuerst in Bern (1793-96), später in Frankfurt a. M. (1797-1800), in welchen Zeitraum die ersten Entwürfe seines philosophischen Systems fallen. Im J. 1800 begab er sich nach Jena, wo er sich mit der Abhandlung »De orbitis planetarum« (Jena 1801),
deren Behauptungen durch die gleichzeitig erfolgte Entdeckung des Planeten Ceres (durch Piazzi) widerlegt wurden, als Dozent der Philosophie habilitierte und mit Schelling das »Kritische Journal der Philosophie« (Tübing. 1802) herausgab, nachdem er schon vorher eine Schrift: »Über die Differenz des Fichteschen und Schellingschen Systems« (Jena 1801),
veröffentlicht hatte. Diese Schrift enthielt (nach Erdmann) Hegels Programm: »entscheiden« heiße sich über die Streitenden stellen. Indem er Schellings Identitätslehre als objektiven, Fichtes Wissenschaftslehre als subjektiven Idealismus bezeichnete, deutete er an, daß über beide hinausgegangen und ein subjektiv-objektiver (absoluter) Idealismus (der seinige) geschaffen werden müsse. Seit 1804 arbeitete er sein Hauptwerk, die »Phänomenologie des Geistes« (Bamb. 1807; 2. Aufl., Berl. 1841), aus, welcher, als dem ersten (einleitenden) Teil der Philosophie, die Logik als zweiter, die Natur- und Geistesphilosophie als dritter und vierter Teil folgen sollten.
Nach Schellings Abgang zum außerordentlichen Professor ernannt, verließ Hegel nach der Schlacht bei Jena, wo er Napoleon, den »Weltgeist zu Pferde«, gesehen hatte, die vereinsamte Universität und redigierte zwei Jahre hindurch die »Bamberger Zeitung«, bis er im Herbst 1808 zum Rektor des Gymnasiums und zum Professor der philosophischen Vorbereitungswissenschaften in Nürnberg ernannt wurde. Hier arbeitete er sein andres Hauptwerk, die »Wissenschaft der Logik« (Nürnb. 1812-16, 3 Bde.; 2. Aufl., Berl. 1841),
aus, wurde im Herbst 1816 auf Daubs Veranlassung als Professor der Philosophie nach Heidelberg berufen, wo er seine »Encyklopädie der philosophischen Wissenschaften« (Heidelb. 1817, 4. Aufl. 1845; neu hrsg. von v. Kirchmann, Berl. 1870) sowie auch seine »Beurteilung der württembergischen
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Ständeverfassung« schrieb, und folgte 1818 dem Ruf als Professor der Philosophie nach Berlin, wo sich bald ein weiter Zuhörerkreis, darunter Männer aus allen gebildeten Ständen, um ihn sammelte. Seine »Grundlinien der Philosophie des Rechts, oder Naturrecht und Staatswissenschaft« (Berl. 1820, 3. Aufl. 1854) trugen dazu bei, seiner Philosophie in Deutschland Anerkennung zu verschaffen, und die 1827 von ihm in Gemeinschaft mit mehreren seiner Anhänger gegründeten »Jahrbücher für wissenschaftliche Kritik« wurden ein wirksames Organ für die Verbreitung seiner auch von der damaligen Staatsgewalt begünstigten Lehre. Mit einer neuen Ausgabe seiner Werke beschäftigt, starb er an der Cholera. Von mehreren seiner Schüler wurde die Herausgabe seiner sämtlichen Werke (Berl. 1834-45, 18 Bde.) besorgt. Eine pietätvolle Biographie Hegels verfaßte K. Rosenkranz (Berl. 1844). Am wurde ihm auf dem Hegelplatz zu Berlin ein Denkmal errichtet.
Hegels Philosophie ist mit Recht eine geistige Macht genannt worden und hat die ganze Atmosphäre deutscher Bildung und (auch schönwissenschaftlicher) Litteratur seit der Julirevolution in durchgreifender Weise bestimmt. Dieselbe ist jedoch sowenig wie die ihr an weitreichendem Einfluß im 18. Jahrh. ebenbürtige und auch sonst in manchen Punkten (z. B. in ihrer bestechenden Systematik) verwandte Philosophie Wolfs als ein Werk ihrer Urheber anzusehen, vielmehr, wie diese als die Vollendung des von Leibniz, dem ersten deutschen Originalphilosophen, eingeschlagenen Wegs, so als die reifste Frucht des einen der beiden von Kant zuerst angebahnten und seinen Nachfolgern zur Wahl hinterlassenen Wege, des idealistischen, zu betrachten. Um von derselben das (keineswegs leichte) richtige Verständnis zu gewinnen, muß sie daher im genauen Zusammenhang mit ihren Vorgängerinnen bis auf Kant betrachtet und dabei das Hegel Eigentümliche von dem ihm mit seinen Vorgängern Gemeinsamen gesondert werden.
Als Kant, um zur Erkenntnis zu gelangen, den jenem seiner Vorgänger entgegengesetzten Weg einschlug und die Erkenntnis, statt sie, wie bisher, als Wirkung des Einflusses der Dinge (des Objekts) auf den Vorstellenden (das Subjekt der Erkenntnis) anzusehen, vielmehr als Ausfluß, d. h. als Folge der Organisation, des Erkenntnisvermögens betrachtete, war die Wendung, welche schließlich zur Philosophie Hegels führte, angebahnt. Das Erkenntnisvermögen verhielt sich seitdem zur wirklichen Erkenntnis wie nach Aristoteles das Mögliche zum Wirklichen, der Keim zur Pflanze, die Anlage zu ihrer Entfaltung, Involution zur Evolution.
Bei Kant trat diese Konsequenz noch nicht vollständig hervor, weil nach ihm das Erkenntnisvermögen nicht die ganze Anlage der künftigen Erkenntnis enthielt, sondern dazu der Ergänzung durch einen äußern Faktor, das Ding an sich, bedurfte. Dieselbe lag im Erkenntnisvermögen zwar der Form, keineswegs aber dem Stoff nach vorgebildet; das »Inventar der reinen Vernunft«, welches Kant aufzunehmen unternahm und welches außer den reinen Formen der sinnlichen Anschauung (Raum und Zeit) auch die reinen Verstandes- und ebensolchen Vernunftformen (Kategorien und Ideen) umfaßte, erstreckte sich nur über den subjektiven (von innen), keineswegs über den objektiven (vom Ding an sich stammenden) Faktor der Erkenntnis.
Mit dem Hinwegfall des Dinges an sich, welchen nach Schulze-Änesidemus' Vorgang zuerst der subjektive Idealismus Fichtes ins Werk setzte, fiel der Grund dieser Beschränkung hinweg. Das Erkenntnisvermögen, die »reine Vernunft«, umfaßte in sich von jetzt an die gesamte Anlage aller künftigen Erkenntnis; das »Inventar« derselben erstreckte sich, nachdem der objektive Faktor (das Ding an sich) beseitigt war, auf die gesamte Erkenntnis. Die reine Vernunft (das Erkenntnisvermögen) trug die gesamte Erkenntnis dem Keim, der Anlage, der Möglichkeit nach in sich, und es kam nur darauf an, ihren implizite enthaltenen (in ihr gleichsam eingewickelten) Inhalt zu explizieren (aus ihr gleichsam herauszuwickeln).
Daß zu diesem Übergang aus der Anlage zur Entfaltung, aus der Möglichkeit zur Wirklichkeit Bewegung erforderlich sei, hatte schon Aristoteles gelehrt. Es kam darauf an, ob zunächst diese Heraussetzung des im Keim Enthaltenen ans Tageslicht (des Bewußtseins) versucht oder das von Kant angestrebte »Inventar der reinen Vernunft«, die Inhaltsangabe des Keims, zum Abschluß gebracht werden sollte. Ersteres haben Fichte und Schelling, letzteres Hegel gethan, welcher dadurch als Vollender des von Kant betretenen Wegs in der Richtung des Idealismus erscheint.
Fichte führte in der Wissenschaftslehre den Gedanken durch, daß das gesamte Erkenntnisobjekt nur die Gesamtheit der (unbewußten) Thaten des Erkenntnissubjekts sei, welches in allen Objekten sich selbst setze und sich in denselben, als seinen eignen Setzungen, wieder erkenne, oder nach Schillers treffendem Ausdruck, »daß die Welt ein Fangball sei, den das Ich mit einer Hand wirft und mit der andern wieder fängt«. Schelling erblickte in der Natur den Inbegriff der dem Ich unbewußten Setzungen des Ichs, d. h. der in der Natur thätigen, aber schlummernden Vernunft, der träumenden »Weltseele«, welche bestimmt ist, zum Bewußtsein ihrer selbst gelangt, »Geist« und am Ende der die Stufen des bewußtlosen Vernunftprozesses in der Natur als bewußter Vernunftprozeß wiederholenden Weltgeschichte »Gott« zu »werden«.
Nach der Meinung beider sollte sich dieser Selbstverwirklichungsprozeß der nach Fichte im Ich, nach Schelling im Absoluten enthaltenen Möglichkeit in drei Stufen abwickeln, deren erste die unbewußte Setzung (Thesis), die zweite die bewußte Entgegensetzung (Antithesis) und die dritte die gleichfalls bewußte Ineinssetzung des Setzenden und des durch dasselbe Gesetzten darstellen, deren Inhalt (der im Ich, im Absoluten, vorgebildete Keim) aber auf allen der nämliche sein sollte.
Auch diese Dreigliederung des Fortschritts hat Hegel mit ihnen gemein, wenngleich er jene Stadien abweichend benannt und an die Stelle des Sichsetzens und Wiederaufhebens, welches den Schein einer spontanen Thätigkeit des »Keims« (des Ichs oder des Absoluten) erzeugt, die notwendige Fortbewegung desselben (der »reinen Vernunft«) von einem zum andern (vom An-sich durch das Für-sich zum An-und-für-sich; Idee, Natur, Geist) gesetzt hat. Den »Keim«, welchen Fichte »Ich«, Schelling »das Absolute« genannt hatte, bezeichnete Hegel wieder, wie Kant, als »reine (oder absolute) Vernunft« (Idee) und nahm nach Beseitigung des Dinges an sich ebensowenig wie seine Vorgänger Anstand, zu erklären, daß (wie Fichte vom Ich, Schelling vom Absoluten behauptete) nunmehr die Vernunft (das Denken) das einzige wahrhaft Wirkliche (Sein) und demnach nicht nur alles Wirkliche notwendig Vernunft, sondern auch die Vernunft notwendig wirklich sei. Dieser »Keim«, die Vernunft, ist die einzige »Substanz«, welche demnach keine reale, sondern eine rein ideale und das »Logische«, folglich die Substanz von allem ist (Panlogismus). Diese »Substanz zum Subjekt«, d. h. die ursprünglich bewußtlose Vernunft zur
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selbstbewußten, zum »Geist« und zwar, da sie absolute Vernunft ist, zum »absoluten Geist« zu erheben, ist die Aufgabe des Weltprozesses; die Entäußerung derselben von ihrem ursprünglichen Dasein als logische Idee (»Gott vor Erschaffung der Welt«) zu ihrem »Anderssein« als Natur und die schließliche Selbsterfassung ihrer selbst als des einzigen wahren Wirklichen, was und wie es an sich selbst ist, sind die Stadien des Weltprozesses.
Die drei sich daraus ergebenden Teile des Systems sind:
1) die Logik, welche die Vernunft oder »Idee« in ihrem »An-sich-sein«, 2) die Naturphilosophie, welche dieselbe in ihrem »Anderssein«, und 3) die Geistesphilosophie, welche sie in ihrem »An-und-für-sich-sein« umfaßt. Erstere macht das eigentlich Neue der Philosophie Hegels aus; Fichte hatte die Vernunft nur als Wesen der Geschichte, der bewußt thätigen, Schelling als jenes der Natur, der unbewußt thätigen Vernunft, dargestellt; Hegel unternahm es, den Inhalt der unthätigen (ruhenden) Vernunft vor ihrer Entäußerung zur Natur und Selbsterfassung als Geist darzustellen. Da die Vernunft ihm zugleich als einziges Seiendes gilt, so nimmt die Inhaltsangabe derselben zugleich die Form einer solchen des letztern an und fällt seine Logik mit dem, was sonst Metaphysik oder Ontologie genannt worden, zusammen.
Statt aber, wie Aristoteles, die allgemeinsten Arten des Seins oder (was hier, da Vernunft [Denken] und Sein eins sind, dasselbe bedeutet) die höchsten Gattungsbegriffe (Kategorien, s. d.) »empirisch« aufzuraffen oder, wie Kant, dieselben aus der Tafel der Urteilsformen zu deduzieren, sollen dieselben (und damit der Inhalt des Denkens wie des mit ihm identischen Seins) durch dieselbe Methode notwendiger Fortbewegung gewonnen werden, welche den Fortschritt der Idee vom An-sich-sein zum Anders- und An-und-für-sich-sein bedingt.
Diese, die dialektische Methode besteht darin, daß jedes Gesetzte in sein Gegenteil »umschlägt« und beide, Gesetztes und Entgegengesetztes, sich zu einem Dritten als »höherer Einheit« vereinigen. Diese Methode, nach welcher nicht nur die logische Idee selbst in ihr Gegenteil, die Natur, umschlägt und sich mit dieser zum Geist als »höherer Einheit« zusammenfaßt, sondern auch jeder Teil des Inhalts der Vernunft (jedes »Moment der logischen Idee«) sein Gegenteil aus sich erzeugt und sich mit diesem zu einem »Höhern« vereinigt, macht jenes von Kant angestrebte »Inventar der reinen Vernunft«, d. h. die Explizierung des in der logischen Idee implizite enthaltenen Vernunftgehalts, möglich, welcher, da die Natur nur das Anderssein der Idee ist, zugleich der Vernunftgehalt der Natur und, da der Geist die höhere Einheit beider repräsentiert, zugleich in diesem enthalten ist.
Kants grandioses Vorhaben, den Inhalt der Vernunft auszuschöpfen, ist durch die Hegelsche Logik buchstäblich auszuführen versucht worden. Da durch den Wegfall des Dinges an sich jede nicht idealistische Erkenntnisquelle beseitigt, das Denken (wovon Kant freilich ebensowenig wie vom Idealismus etwas wissen wollte) das einzige Sein ist, so bleibt, wenn dasselbe gelingt, eigentlich nichts zu thun übrig; das an sich mögliche Wissen (die Totalität des Wißbaren) ist erreicht (nicht, wie der für das menschliche Erkennen Grenzen steckende Kritizismus meinte, subjektiv, sondern objektiv). In diesem Sinn darf Hegels Logik sich allerdings rühmen, die höchste denkbare Aufgabe sich gestellt zu haben. Um sie zu lösen, stellte Hegel den denkbar unbestimmtesten Begriff, das »Sein«, welches sonst nichts und daher identisch mit »Nichts« ist, an den Anfang, um es in dieses sein Gegenteil »umschlagen« und beide als identisch sich in der »höhern Einheit« des »Werdens« aufheben zu lassen. In diesem sind Sein und Nichts »aufgehoben« in dem charakteristischen Doppelsinn, durch dasselbe beseitigt und in demselben aufbewahrt zu sein; das unbestimmteste Sein ist als Schlußresultat des abgelaufenen Prozesses ein bestimmteres geworden als »Dasein« (Hier- oder Jetzt- oder Dies-sein), welches als dieses ebensosehr die positive Bejahung eines (allerdings noch ganz unbestimmten) Inhalts wie die Verneinung eines andern (seinerseits ebenso unbestimmten), also zugleich etwas an sich (Endliches) wie begrenzt durch ein andres (Ganzes) ist, welche Antithesen zu einer neuen Synthesis und zwar, da Endliches immer wieder von Endlichem begrenzt wird, zur endlosen Endlichkeit, d. h. zur (wahren) Unendlichkeit (im Gegensatz zur sogen. »schlechten«, durch das Endliche begrenzten, also nicht unendlichen Unendlichkeit),
führen. Dieselbe, die »Wahrheit des Daseins« und des in das letztere »aufgelösten« Seins, stellt als unaufhörliches Sichverendlichen das beständige Sichverwandeln, d. h. als Resultat des zweiten abermals das des ersten Prozesses, das Werden, dar, nur mit dem Unterschied, daß es ein bestimmtes, ein Sich-in-sich-selbst-bestimmen (Qualieren) ist, dessen Resultat (wie oben aus dem ersten Werden das Dasein, so aus dem zweiten das Für-sich-sein, die unendliche Beziehung auf sich selbst ist, durch welche das Für-sich-seiende als Eins (als alles andre von sich ausschließende Einfachheit), das ursprünglich ganz unbestimmte Sein näher bestimmt als Qualität erscheint. Im weitern Verlauf des dialektischen Prozesses reihen sich an die Qualität Quantität und Maßprozeß, womit der erste logische Cyklus, die Sphäre des Seins, vollendet und dessen Resultat, das Wesen, gesetzt ist.
Die Lehre von diesem bildet den zweiten, jene vom Begriff, unter welchem von Hegel etwas ganz andres als die gewöhnlich mit diesem Wort bezeichnete abstrakte und inhaltslose Gedankenform verstanden wird, den dritten Teil der Logik. Unter Begriff versteht Hegel die Einheit der drei Momente der Allgemeinheit (des Genus), des Besondern (der Art) und des Einzelnen (des definierten Gegenstandes selbst); derselbe im engern Sinn (rein seiner Form nach betrachtet) gibt die formale (richtiger subjektive) Logik, welche zeigt, wie der Begriff sich zum Urteil dirimiert und im Schluß wieder zur Totalität seiner Momente zusammengeht.
Durch das »notwendige« Umschlagen des bloß Subjektiven in das bloß Objektive entsteht die »Lehre vom Objekt«, in welcher der Inhalt der sogen. objektiven Logik, der Sein- und Wesenlehre, unter einem »höhern« Gesichtspunkt wiederkehrt, und welche in »Mechanismus, Chemismus und Teleologie« verläuft. Synthese dieser beiden, d. h. als Identität der Subjektivität und Objektivität, ist der Begriff nunmehr als Idee, d. h. als höchste Wahrheit, in der alle andern niedern Standpunkte der Logik aufgehoben sind, die aber, wie jede andre Synthesis, da sie die Stelle der ersten derselben, des Werdens, einnimmt, nichts weniger als Ruhe, Neutralisierung der beiden Seiten (der Subjektivität und Objektivität, Unendlichkeit und Endlichkeit, des Denkens und Seins), sondern vielmehr wesentlich Unruhe, Prozeß ist. Dieselbe ist, dem allgemeinen Schema des Objektiven, Subjektiven und Subjektiv-Objektiven als Identität beider Momente entsprechend, zuerst als bloße Realität, Leben, sodann als deren Gegenteil, Idealität (Tod, d. h. Aufhebung und Umsetzung der Realität in Idealität), Erkennen (und zwar als theoretischer Prozeß,
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welcher das Wahre, und als praktischer, welcher das Gute zum Produkt hat), zuletzt als Einheit des Lebens und Erkennens absolute Idee, das sich selbst wissende Leben in seiner vernünftigen Notwendigkeit und diese als die sich selbst wissende Wahrheit oder Wirklichkeit. Was aufgehoben und verändert wird, »macht nur die Oberfläche, nicht das wahrhafte Wesen der Welt aus; dieses ist der an und für sich seiende Begriff, und die Welt ist so selbst die Idee«. Das Gute, der Endzweck der Welt, ist nur, indem es sich stets hervorbringt; das Gute und Vernünftige ist stets wirklich, und alles, was wirklich ist, ist vernünftig, indem es (nämlich die Welt selbst) ewig als Zweck sich setzt und als Thätigkeit oder Prozeß sich ewig selbst hervorbringt.
Für sich betrachtet, ist daher die absolute Idee nichts andres als dieses flüssige oder lebendige Sich-selbst-bewegen und -Bestimmen selbst, die Methode, »wie sie durch den ganzen Verlauf des Systems sich bewegt und gegliedert, mit Bestimmungen erfüllt hat, Prinzip und Resultat, das Denken in seiner Selbstbewegung, die Vernunft, das genetische, ewig ruhelose Werden in und aus und zu sich selbst« (Chalybäus). Mit diesem wieder in seinen Anfang zurücklaufenden Endresultat, der Methode, die ihre Voraussetzung war, ist der Inhalt der Logik, das von Kant angestrebte »Inventar der reinen Vernunft«, erschöpft; die ihrem Inhalt nach durchsichtig gewordene logische Idee ist aber noch nicht sich selbst durchsichtig geworden; dieselbe stellt selbst ein An-sich dar, das die Bestimmung hat, in sein Anderssein (die Natur) umzuschlagen und sich aus diesem in die Einheit (ihrer selbst und der Natur), den Geist, zurückzunehmen.
Jenes ist Gegenstand der Naturphilosophie, die in aufsteigender Ordnung als Mechanik, Physik und Organik oder Biologie, in letzterer selbst als Lehre vom geologischen, vegetabilischen und animalischen Prozeß auftritt; dieses ist Gegenstand der Geistesphilosophie, welche in die Lehre vom subjektiven (der Psychologie), vom objektiven (der Ethik entsprechend) und vom absoluten Geist zerfällt. Erstere umfaßt die Anthropologie; die Lehre vom objektiven Geiste die objektiv und real gewordene vernünftige Organisation der Rechtsidee, der Moralität und Sittlichkeit, deren Momente die Familie, die bürgerliche Gesellschaft und die Staatsverfassung sind.
Die Einheit des subjektiven (Einzel-) und objektiven (Geschichtsgeistes) ist der absolute Geist, Wissen der absoluten Substanz (der Vernunft) von sich selbst (Subjektwerden der Substanz), ein Wissen, welches selbst Prozeß ist und als solcher abermals in den drei Stufen des An-sich-, Für-sich- und An-und-für-sich-seins (Kunst, Religion, Philosophie) verläuft. In dem Begriff der Philosophie als des sich selbst wissenden Absoluten oder der sich selbst denkenden Idee, der Vernunft, welche alles in allem und in allen ist, ist »die Wissenschaft in ihren Anfang zurückgegangen und das Logische Resultat, als das Geistige, welches sich als die an und für sich seiende Wahrheit erwiesen hat«.
Dieselbe gestaltet sich von selbst zur »Encyklopädie«, in welcher Form Hegel schon 1817 sein System dargestellt hat, und die Aufeinanderfolge der drei Teile entspricht genau dem Plane, nach welchem schon 1807, als die »Phänomenologie« erschien, die Logik den zweiten, Natur- und Geistesphilosophie den dritten und vierten Teil der Darstellung seiner Philosophie ausmachen sollten. Der erste Teil aber, die Phänomenologie, stellt als Einleitung in das Ganze sich die Aufgabe, das Werden der Wissenschaft von der untersten Gestalt des Wissens an bis zu der obersten in seiner Notwendigkeit darzuthun und zu zeigen, durch welche Gestalten die Menschheit hindurchging, ehe es in ihr, und durch welche Zustände das Individuum hindurchgehen muß (Bewußtsein, Selbstbewußtsein, Vernunft, Geist, Religion), ehe es in ihm zum absoluten, d. h. begreifenden, Wissen, d. h. zu derjenigen Stufe kommen kann, welche alle frühern zu ihren Voraussetzungen hat, und auf welcher, was auf den frühern gefühlt, geglaubt etc. wird, d. h. als Substanz gewesen war, gewußt, d. h. in Thun des Subjekts verwandelt, wird. »Die Wissenschaft (nach Hegels Ausdruck) ist daher die begriffene Geschichte, die Erinnerung und Schädelstätte des absoluten Geistes, dem nur aus dem Kelch dieser Geisterwelt seine Unendlichkeit schäumt.«
Durch seine schematisierende Methode des sich selbst bewegenden Begriffs, die »Seele des Systems«, die einer universellen Anwendung fähig war, hat Hegel seinen Einfluß (wie es einst Leibniz von seinem Universalkalkül, Spinoza und Wolf von ihrer mathematischen Methode hofften) entweder persönlich oder durch seine zahlreichen Schüler auf die Darstellung fast aller besondern Wissenschaften (Religionsphilosophie, Geschichte der Philosophie, Philosophie der Geschichte, Ästhetik etc.) ausgedehnt. Zu seinen ältern Schülern gehörten Gabler, Hinrichs, v. Henning, Michelet, Hotho, Rötscher, Gans, Rosenkranz, Mußmann, Erdmann; zu seinen wärmsten Verehrern, ohne seine Schüler zu sein, Daub, Marheineke, Göschel.
Nach seinem Tod vollzog sich die Auflösung der Schule, wie Erdmann ebenso treffend wie unparteiisch nachgewiesen hat, in der Weise, daß sämtliche drei Punkte, in welchen Hegel dem »revolutionären« Einfluß der Kantschen Kritik gegenüber als »Restaurator« aufgetreten war: Wiederherstellung der Metaphysik, des Dogmas, der Staatsautorität, nacheinander innerhalb der Schule selbst wieder in Frage gestellt wurden. Gegen Hegels Behauptung, daß sein System »orthodox« sei, erhoben sich bald nach seinem Tod nicht nur Stimmen außerhalb, sondern auch innerhalb der Schule. Hegel Leo in Halle klagte 1838 die »Hegelingen« des Strebens nach Umwälzung der bestehenden Staats- und Kirchenformen, der Leugnung eines persönlichen Gottes und einer individuellen Unsterblichkeit an. Innerhalb der Schule bestritten Feuerbach und Richter, verteidigte Göschel die persönliche Fortdauer, während Weiße und Conradi eine vermittelnde Stellung einnahmen.
Durch das Erscheinen von Strauß' »Leben Jesu« trat eine neue Spaltung ein; die Schule zerfiel in eine Linke (Strauß), zu welcher später noch eine äußerste Linke (Feuerbach, die Brüder Bauer u. a.) kam, eine Rechte (Göschel, Gabler, Hinrichs, Erdmann) und ein Zentrum (Rosenkranz, Vatke, Conradi). Das Organ der ersten, der sogen. Junghegelianer, welche ihre Wirksamkeit bald auch auf das politische und soziale Gebiet ausdehnten, wurden die von Ruge und Echtermeyer gegründeten »Hallischen Jahrbücher«, die sich im Juli 1841 in »Deutsche Jahrbücher« und infolge des Zensurdrucks und endlichen Verbots (1843) seit 1844 in »Deutsch-französische Jahrbücher« verwandelten; das Organ der sogen. Althegelianer blieben die »Jahrbücher für wissenschaftliche Kritik«. Die extremen Ausläufer der erstern, der pseudonyme Max Stirner (Schmidt), Daumer (der später katholisch wurde), der Sozialdemokrat Karl Marx u. a., verloren sich in den Stürmen der Revolution und Reaktion während und nach dem Jahr 1848, durch welche die Aufmerksamkeit von der Hegelschen, leider
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aber auch von der Philosophie als Wissenschaft überhaupt abgelenkt wurde. Hegel ist von einem seiner treuesten Schüler, Erdmann, die Stellung des »Erntenden« seinen Vorgängern gegenüber, von einem andern, Rosenkranz, bei Gelegenheit seines 100jährigen, jedoch nicht mit der gleichen Begeisterung wie Fichtes begangenen Jubiläums (1870) die eines deutschen »Nationalphilosophen« angewiesen worden.
Während unter den gegenwärtig in Deutschland Philosophierenden nur wenige (z. B. Vischer, Zeller, Kuno Fischer, G. Biedermann, v. Hasner u. a.) noch als Hegelianer bezeichnet werden können und vielleicht nicht einmal wollen, hat Hegels Philosophie außerhalb Deutschlands Eingang gefunden: in Frankreich durch P. Leroux, Ott ( Hegel et la philosophie allemande«, Par. 1844),
Prévost ( Hegel, exposition de sa doctrine«, Toulouse 1845),
Willm u. a.; in England durch Stirling (»The secret of und »The Hegelian system«, Lond. 1865, 2 Bde.); in Italien durch A. Vera, den Übersetzer von Hegels Naturphilosophie, Raffaele Mariano u. a.
Vgl. über Hegels Philosophie: Michelet, Geschichte der letzten Systeme der Philosophie in Deutschland (Berl. 1837-38, 2 Bde.);
Chalybäus, Entwickelung der spekulativen Philosophie von Kant bis Hegel (5. Aufl., Leipz. 1860);
Erdmann, Geschichte der neuern Philosophie, Bd. 3 (das. 1848-53, 2 Tle.);
Derselbe, Grundriß der Geschichte der Philosophie, Bd. 2 (3. Aufl., Berl. 1877);
über Hegels dialektische Methode: Exner, Die Psychologie der Hegelschen Schule (Leipz. 1842-44, 2 Hefte);
J. Hegel Fichte, Gegensatz, Wendepunkt und Ziel heutiger Philosophie (Sulzb. 1832-36, 3 Bde.);
über Hegels Stellung zur Gegenwart: Haym, und seine Zeit (Berl. 1857), womit Rosenkranz, Apologie Hegels (das. 1858) und als deutscher Nationalphilosoph (Leipz. 1870), zu vergleichen ist.
2) Karl, Geschichtschreiber, Sohn des vorigen, geb. zu Nürnberg, machte seine Studien in Berlin und Heidelberg, ward 1841 als Professor der Geschichte nach Rostock berufen und wohnte 1850 als mecklenburgischer Abgeordneter dem Erfurter Parlament bei. Seit 1856 wirkt er als Professor an der Universität zu Erlangen. Sein Hauptwerk ist die »Geschichte der Städteverfassung von Italien« (Leipz. 1847, 2 Bde.). Als Mitglied der Historischen Kommission in München leitet er seit 1862 die Herausgabe der »Chroniken der deutschen Städte«, in welchen er selbst die Chroniken von Nürnberg, Straßburg, Köln und Mainz bearbeitete. Separatabdrücke daraus sind: »Verfassungsgeschichte von Köln im Mittelalter« (Leipz. 1877) und von Mainz (das. 1882). Andre Schriften von ihm sind: »Geschichte der mecklenburgischen Landstände bis 1555« (Rostock 1856);
»Die Ordnungen der Gerechtigkeit in der florentinischen Republik« (Erlang. 1867);
»Dino Compagni, Versuch einer Rettung« (Leipz. 1875) und »Über den historischen Wert der ältern Dante-Kommentare« (das. 1878). - Sein Bruder Immanuel, geb. zu Nürnberg, seit 1836 im preußischen Staatsdienst in Handels- und Finanzsachen thätig, wurde 1858 Kurator des Staatsschatzes, 1865 Präsident des Konsistoriums der Provinz Brandenburg; er ist einer der Hauptführer der orthodoxen Partei.