[* 1] (Bärme,Germ), die bei der Alkoholgärung auftretende schmutzig weiße bis bräunliche, breiige
Masse, welche
als
Ferment der
Gärung wirkt und dieselbe hervorruft. Bei der etwa zwischen +4 u. 10° C. langsam verlaufenden
sogen.
Untergärung der Bierwürze setzt sich die Hefe in einer dichten
Schicht auf dem
Boden des Gärungsgefäßes
ab (Unterhefe). Bei der
Obergärung des
Biers aber, welche bei 14-18° C. rasch und stürmisch verläuft, wird die Hefe von den
aufsteigenden Kohlensäureblasen großenteils mit aufgetrieben und als ein gelbbrauner Schaum an der Oberfläche abgeschieden
(Oberhefe).
Beide benutzt man immer nur wieder zum Hervorrufen derselben
Gärung. Die Hefe besteht aus einzelligen
Pflanzen,
welche wachsen und durch einen Zellteilungsprozeß sich vermehren. Es sind rundliche oder ovale
Zellen von ungefähr 0,01mm größtem
Durchmesser, mit dünner, aber derber
Haut
[* 3] und farblosem
Protoplasma, welches einige mit Zellsaft erfüllte
Vakuolen
einschließt
[* 1]
(Fig. a). Die
Zellen liegen einzeln oder paarweise oder zu mehrzelligen
Gruppen
[* 1]
(Fig. d) verbunden.
Fixiert man ein wenig unter dem
Mikroskop
[* 4] in einem
TropfenFlüssigkeit, so kann man das
Wachsen und Vermehren der Hefezellen
direkt verfolgen. Die
Zellen bekommen an einem oder mehreren
Punkten einen knopfförmigen Fortsatz, welcher nach u. nach bis
zur
Größe der Mutterzelle heranwächst, sich vom
Inhalt derselben füllt u. zuletzt durch
Bildung einer
Scheidewand von ihr sich abgrenzt
[* 1]
(Fig. b
u. c). Die neue
Zelle
[* 5] bleibt mit der alten entweder noch im
Verband,
[* 6] oder löst sich
ab; jedenfalls ist sie nun selbst gleicher
Vermehrung fähig.
Nach Brefeld tritt am
Mucor diese
Erscheinung nur dann ein, wenn er in einer
Flüssigkeit kultiviert wird und dieselbe sich
bei Zunahme der
Vegetation mit
Kohlensäure sättigt, wobei der
Pilz
[* 8] zugleich an seiner Fruchtbildung gehindert wird. Es läßt
sich daher jederzeit aus Kugelhefe wieder der typische
Mucor erziehen, wenn die normalen
Bedingungen gegeben
werden. Echte Hefe dagegen läßt sich unter keinen Verhältnissen weder aus irgend einem
Schimmelpilz ziehen, noch in einen
solchen verwandeln; die
Sprossung ist ihr unveräußerlicher
Charakter.
An der
Luft, auf nährstoffarmem
Substrat bilden die Hefezellen durch freie
Zellbildung zwei oder mehrere
rundliche
Sporen in ihrem Innern, welche nach
Auflösung der Mutterzellhaut frei werden
[* 1]
(Fig. e) und nach einer Ruheperiode
in zuckerhaltiger
Flüssigkeit wieder unter hefeartiger
Sprossung aufkeimen. Wegen dieser Art der Sporenbildung werden die
Hefepilze neuerdings in die Verwandtschaftsreihe der
Askomyceten gestellt, unter denen sie sich am nächsten anExoascus
anschließen.
Die Lebensbedingungen der Hefe sind ziemlich genau ermittelt. Bierhefe wächst und vermehrt sich, wenn ihr neben
WasserKohlenstoff
in Form von
Zucker,
[* 9]
Stickstoff als Eiweißverbindung oder
Ammoniaksalz und eine
Reihe von Aschenbestandteilen zu
Gebote stehen,
unter denen phosphorsaures
Kali und
schwefelsaure Magnesia die unentbehrlichsten sind. Fehlt dem
Pilz ein
entsprechendes
Medium, und
ist er dabei vor
Fäulnis geschützt, so kann seine
Vegetation viele
Monate lang ruhen, ohne daß sein
Tod eintritt; ebenso erträgt er einen Verlust von über zwei Dritteln seines normalen Wassergehalts, der etwa 40 Proz.
seiner Gesamtsubstanz beträgt, wenn ihm dasselbe langsam entzogen wird, während rasche und zu reichliche
Wasserentziehung ihn tötet, ein Verhalten, auf welchem die
Methode, Hefe zu konservieren, und insbesondere die Preßhefefabrikation
beruht.
Die mittlere Vegetationstemperatur der Hefe liegt etwa zwischen +8 und 35° C.; unterhalb +3° beginnt die
Vegetation zu erlöschen,
ohne daß der
Pilz getötet wird. Auch Temperaturerhöhung auf 100° C. und selbst 130° C. ist in der
Dauer einiger
Stunden trockner Hefe unschädlich; in
Wasser dagegen wird letztere schon über 75° C. getötet. Für die vegetierende
Hefe ist auch Anwesenheit von
Sauerstoff erforderlich; über die Form, in welcher derselbe aufgenommen wird, bestehen aber verschiedene
Ansichten.
NachPasteur bedarf die Hefe des freien atmosphärischen
Sauerstoffs nicht, sondern entzieht denselben dem
Zucker und bewirkt dadurch dessen
Gärung. Nach Brefeld dagegen ist ihr der freie
Sauerstoff unentbehrlich,
und sie besitzt eine
so große
Anziehung zu demselben, daß sie z. B. aus einem Kohlensäurestrom die beigemengten minimalsten
Mengen desselben noch absorbieren kann und erst zu vegetieren aufhört, wenn der Sauerstoffgehalt
auf 1/6000 des
Volumens abnimmt.
Traube hat aber gezeigt, daß Hefekeime zwar nicht ohne freien
Sauerstoff sich entwickeln können,
daß aber entwickelte Hefe ohne jede
Spur desselben sich vermehrt und
Gärung erregt; nach ihm entzieht sie aber den ihr nötigen
Sauerstoff nicht dem
Zucker, sondern den beigemengten Eiweißverbindungen. - Daß die Hefe die Alkoholgärung
erregt, wird von allen Naturforschern zugegeben; aber über das Wie dieser
Wirkungen sind die
Ansichten geteilt. Während
Liebig,
Traube und andre Chemiker die
Erscheinung durch einen in den Hefezellen enthaltenen, als
Ferment wirkenden
Stoff erklären, erblickenPasteur und die
Botaniker darin einen Lebensprozeß der Hefezelle. Nach den neuern Untersuchungen muß
man die Pilzspezies, welche ausschließlich, wie die
Hefepilze, oder nur unter besondern Verhältnissen, wie
Exoascus,
Mucor,
Ustilago,
Fumago, Dematium, sich durch
Sprossung vermehren (Sproß-
[* 1]
^[Abb.:
Zellen der Bierhefe
(Saccharomyces cerevisiae). a Einzelne Hefezelle, b Hefezelle mit Anfang der Sproßbildung, c Nebenzelle, die neben der erstentwickelten Sproßzelle eine zweite angelegt hat, d Sproßkolonie, e Hefezelle mit Sporenbildung.]
¶
mehr
pilzformen), von denen unterscheiden, welche echte Gärungserreger sind und aus ZuckerAlkohol produzieren. Letzteres findet
auch bei einigen Saccharomyceten nicht statt (z. B. bei SaccharomycesMycoderma R.). Dagegen können auch bloße Pilzhyphen
Gärung erregen, wie die von Mucor racemosus. Die Hefe der verschiedenen Gärungen zeigt gewisse morphologische Unterschiede,
nach denen man gegenwärtig mehrere Arten dieser Pilze
[* 11] angenommen hat, während man sie früher in Eine
Art, Cryptococcusfermentum Ktzg.,
vereinigte.
Die wichtigsten Arten sind folgende: SaccharomycescerevisiaeMeyen(Torula cerevisiae Turp.,
Cryptococcuscerevisiae Ktzg.,
Hormiscium cerevisiaeBail.), bildet die Bier- und Branntweinhefe, Zellen 0,008-0,009 mm, rundlich oder oval, meist isoliert
oder in kurzen Zellenreihen, kommt in zwei Kulturrassen vor: als Unterhefe, welche zum größten Teil
aus rundlichen, gewöhnlich einzelnen oder nur paarig verbundenen Zellen besteht, und als Oberhefe, deren mehr kurzovale oder
birnförmige Zellen meist mehrzählige, ästige Sproßverbände aus 6-12 Zellen bilden. S. ellipsoideusRees, der hauptsächlichste
Gärungspilz der Weine und Obstweine, Zellen 0,006 mm lang, ellipsoidisch, isoliert oder in kurzen, verzweigten
Zellreihen. Er findet sich auf der Oberfläche der den Most liefernden Früchte und erzeugt, indem er beim Pressen in den Saft
gelangt, die sogen. Selbstgärung des Mostes.
Man benutzt die Hefe, besonders die Oberhefe, der Bierbrauereien auch in der Bäckerei zum Auftreiben
des Mehlteigs, da sie, diesem zugesetzt, alsbald eine Umwandlung eines Teils des Stärkemehls in Dextrin und Zucker bewirkt
und die entstandene Zuckerlösung in weinige Gärung versetzt, wobei dann die Kohlensäure den Teig auftreibt. Gute Hefe muß
angenehm weinsäuerlich riechen und in einer kleinen Probe Teig in ¾-1 Stunde an einem warmen Ort kräftige
Gärung hervorrufen.
Die aus Bierbrauereien, welche von dem Hopfen
[* 12] einen bittern Geschmack besitzt, kann man entbittern, wenn man sie zunächst
mit Wasser anrührt, durch ein seidenes oder leinenes Tuch treibt, das Wasser nach jedesmaligem Absetzen mehrere Male erneuert
und endlich die gereinigte Hefe mit Pottasche, doppeltkohlensaurem Natron oder Ammoniak behandelt. Auf etwa 150 Lit.
dickbreiige Unterhefe nimmt man, nachdem sie ausgewaschen worden und das letzte Wasser wieder abgelassen ist, 0,5 kg Pottasche,
läßt sie ½ Stunde stehen, gießt etwa angesammeltes Wasser wieder ab, fügt noch 60 g Alaun,
[* 13] 30 g doppeltkohlensaures Natron
und 60 g kohlensaures Ammoniak hinzu und preßt ab. Oder man wäscht die aus, treibt sie durch feinste
Müllerseidengaze und behandelt sie mit einer Lösung von 7-15 g kohlensaurem Ammoniak aus je 1 Lit. Hefe. Die entbitterte Hefe wird
schließlich durch einen neuen, sehr kräftigen Gärungsprozeß regeneriert, weil sie durch das Auswaschen
bedeutend an Kraft
[* 14] verloren hat. Dies geschieht, indem man sie in einem mit Weinsäure versetzten Malzauszug von ca. 20 Proz.
Stärkezuckergehalt 36-48 Stunden gären läßt.
Hefe hält sich in luftdicht verschlossenen Flaschen und, besonders wenn man etwas frisch ausgeglühte und gepulverte Holzkohle
zusetzt, an kühlen Orten einige Zeit recht gut; viel haltbarer aber ist die Preßhefe (s. d.). S. auch
Kunsthefe.
[* 1] Die großen Fortschritte, welche die Gärungsgewerbe in neuester Zeit gemacht haben, verdanken sie hauptsächlich
der Chemie, und die Forschungen, welche im Interesse dieser Gewerbe unternommen wurden, waren denn auch wesentlich chemische.
Erst in den letzten Jahren hat der Umstand, daß die alkoholische Gärung an die Lebensthätigkeit von
Hefepilzen gebunden ist, zu einer größern Beachtung der bakteriologischen Forschungsergebnisse geführt, und man ist
zu einer Reform im Brauwesen gelangt, welche für die Untergärung in den meisten Ländern bereits eingeführt wurde, in den
Obergärungsbrauereien sowie in den andern Zweigen der Gärungsindustrie sich vorbereitet.
Daß Gärungs- und Fäulnisprozesse von mikroskopischen Organismen bewirkt werden, war schon zu LinnésZeiten und von Linné
selbst behauptet worden, aber erst 1836 wies Cagniard-Latour nach, daß Bier- und Weinhefe aus Zellen besteht, welche sich durch
Sprossung vermehren, und daß diese Zellen die Alkoholgärung hervorrufen. Kurz danach kam Schwann zu demselben
Resultat, und schon 1838 trat die Anschauung hervor, daß verschiedene Gärungen durch verschiedene Mikroorganismen eingeleitet
werden.
Die Lehre
[* 16] von der Bedeutung der Mikroorganismen für die Gärungsprozesse kam aber erst durchPasteur im Kampfe gegen Liebig,
welcher diese Prozesse auf rein chemischem Wege zu erklären suchte, zur allgemeinen Geltung. In seinen
»Études sur la bière« zeigte er klar und unwidersprechlich, welche Macht
die mikroskopischen Lebewesen besitzen, auch betonte er, daß die Bakterien einen durchgreifenden Einfluß aus den Verlauf
der Alkoholgärung und auf den Charakter des Biers ausüben können.
Dennoch konnte dies Buch die in seiner Vorrede verkündigte Reform im Brauereibetrieb nicht herbeiführen,
weil es damals (1876) noch nicht möglich war, über die Verhältnisse der verschiedenen Alkoholgärungspilze
Klarheit zu schaffen. Zwar gabPasteur in seinem Werke eine Übersicht der Mikroorganismen, welche Krankheiten im Bier verursachen,
doch sprach er hier nur von Bakterien und empfahl eine Reinigung der Hefe durch Kultivierung derselben in
einer Zuckerlösung mit Weinsäure oder in Würze mit ein wenig Karbolsäure, um die Bakterien zu beseitigen.
Einen wesentlichen Fortschritt ermöglichte die Kochsche Methode der Reinkultur der Mikroorganismen, welche durch Hansen seit 1883 etwas
modifiziert auf Hefepilze angewandt wurde. Zwar hatte schon Reeß 1870 »Botanische Untersuchungen über
die Alkoholgärungspilze« veröffentlicht, doch waren damals die Methoden viel zu wenig ausgebildet, um brauchbare Resultate
zu liefern, und erst Hansen gelang durch seine Methode, welche die Anwendung von einer einzigen Zelle abstammender Kulturen gestattete,
der Nachweis, daß einige der gefährlichsten und gewöhnlichsten Krankheiten im untergärigen Bier nicht
von Bakterien, sondern von bestimmten Hefearten herrühren, und daß mit dem NamenSaccharomyces cerevisiae nicht eine, sondern
mehrere Arten und Rassen bezeichnet werden, welche in den
BrauereienProdukte verschiedener Art geben. Auf dieser Grundlage arbeitete
Hansen sein System aus, nach welchem eine Anstellhefe, aus einer einzigen Art bestehend, benutzt wird.
Nach einigem Widerstand wurde dies System in allen bierbrauenden Ländern anerkannt und in die Praxis eingeführt.
Als Feinde der alkoholischen Gärung wurden, wie bereits hervorgehoben, zunächst Bakterien bezeichnet, welche die Entwickelung
des wirksamen Gärungserregers stören oder Substanzen erzeugen, die den Geschmack oder sonstigen Wert des Produkts beeinträchtigen.
Dabei kommen hauptsächlich diejenigen Bakterien in Betracht, welche die Essigsäure-, die Buttersäure-
u. Milchsäuregärung hervorrufen. Hier verdienen die Untersuchungen von Delbrück, Hayduck und Stenglein Erwähnung, welche
gezeigt haben, daß Hopfen ein sehr starkes Bakteriengift ist. Er unterdrückt zunächst die Buttersäuregärung und die Fäulniserscheinungen,
dann die Milchsäuregärung, während die Essiggärung durch Hopfenextrakt nicht allein nicht eingeschränkt
wird, sondern vielmehr noch stärker zu verlaufen scheint als ohne Hopfenzusatz.
Als Feinde der alkoholischen Gärung kommen ferner die Schimmelpilze (Botrytis cinerea, Penicillium glaucum, Eurotium, Aspergillus
glaucus, Mucor mucedo) in Betracht, weniger vielleicht, weil sie sehr energisch in den Gärungsprozeß eingreifen, als vielmehr,
weil sie bei unreinlicher Behandlung der Geräte auftreten, und weil in ihrer Begleitung stets Bakterien
auftreten, die durch die Konidienträger der Schimmelpilze verbreitet werden. Botrytis cinerea soll dem Wein einen unangenehmen,
rauchartigen Geschmack verleihen, während nach Müller-Thurgau dieser Pilz das wirksame Element bei der Edelfäule der Trauben
ist, durch welche die Qualität des Weins bei richtiger Behandlung erheblich verbessert werden kann.
AspergillusOryzae bildet bei der Bereitung des japanischen Reisweins (Saké) das diastatische Ferment, als welches er das Reisstärkemehl
in Zucker verwandelt; die eigentliche Gärung bewirkt ein spontan auftretender, noch nicht näher bekannter Hefepilz. Die Mucor-Arten
dagegen können unter gewissen Umständen selbst alkoholische Gärung hervorrufen; in zuckerhaltige Flüssigkeit
untergetaucht, bilden sie hefeartige Sprossungen, die wieder zu Schimmelrasen auswachsen, wenn sie durch die Kohlensäure an
die Oberfläche gehoben werden. Ein vorläufig zu Monilia candida gestellter Pilz soll nach HansenRohrzucker direkt in Gärung
versetzen, während diese Zuckerart durch Hefepilze zunächst in Invertzucker verwandelt wird.
Für die Unterscheidung der Hefearten ist die Sporenbildung von größter Wichtigkeit. Hansen hat nachgewiesen,
daß nur junge, kräftige ZellenSporen bilden und zwar bei reichlichem Zutritt von Luft. Außer der Gestalt der Sporen kommt
dann für die einzelnen Arten die Zeit in Betracht, welche bei einer gewissen niedrigen Temperatur für die Bildung
der Sporen erforderlich ist, und hierauf gründete Hansen eine praktische Analyse der Brauereihefe. Die reinkultivierte Carlsberger
Unterhefe Nr. 1 (BrauereiAlt-Carlsberg in Kopenhagen)
[* 17] bildet nämlich bei 25° ihre Sporen viel später als alle bisher untersuchten
schädlichen Arten der Saccharomyceten. Da nun nach Holm und Poulsen 1/200 an »wilder Hefe« auf
diese Weise sicher zu erkennen ist, da anderseits nachgewiesen ist, daß wilde Hefen keine Krankheit des Biers veranlassen, wenn
ihr Anteil an der Anstellhefe nicht mehr als 1/41 beträgt, so ist damit eine für die
¶
mehr
Praxis völlig ausreichende Methode zur Erkennung einer schädlichen Beimischung wilder Hefen gegeben. Die Untersuchung der
eigentlichen Kulturhefen ist noch nicht zu einem genügenden Abschluß gelangt. Hansen unterscheidet vorläufig unter- und
obergärige Rassen, da es bisher unmöglich war, eine wirkliche Umbildung von Oberhefe in Unterhefe und umgekehrt zu bewerkstelligen.
Beide Gruppen lassen sich nach praktischen Gesichtspunkten wieder in schneller und langsamer klärende
einteilen, mit welcher Eigentümlichkeit auch ein verschiedener Charakter des Biers, namentlich eine geringere oder größere
Haltbarkeit gegen Hefetrübung, in Verbindung steht.
In chemischer Hinsicht zerfallen die Saccharomyceten (Sproßpilze mit Endosporenbildung) in zwei Gruppen:
1) solche, die Invertin entwickeln und Alkoholgärung hervorrufen, und zwar a) solche, die nicht nur Rohr-
und Traubenzucker, sondern auch Maltose kräftig vergären, und b) solche, die Rohr- und Traubenzucker, aber nicht Maltose vergären;
2) solche, die nicht Invertin entwickeln und keine alkoholische Gärung hervorrufen. Von den Sproßpilzen ohne Endosporenbildung
vergärt die überwiegende Mehr- zahl nicht die Maltose. Viele von diesen rufen in Trauben- und Invertzuckerlösungen
mehr oder weniger kräftige Gärungen hervor. Einige (Torula-Formen) invertieren Rohrzucker, viele besitzen kein invertierendes
Ferment. Nur eine Art vergärt Rohr-, Traubenzucker und Maltose, besitzt aber kein invertierendes Ferment.
Nach diesen Untersuchungen können die Saccharomyceten nicht mehr ohne weiteres als Alkoholgärungspilze
charakterisiert werden, und es ergibt sich ebenso die Notwendigkeit, für die Gärungsgewerbe geeignete Arten auszuwählen.
Amthor ließ acht Proben einer und derselben Bierwürze unter gleichen Verhältnissen mit acht durch Reinkulturen gewonnenen
Saccharomyces-Arten vergären und erhielt greifbare Differenzen in der von den Hefen geleisteten chemischen Arbeit.
Der Alkoholgehalt der Biere variierte zwischen 4,34 und 6,02 Volumprozent,
die Extraktmenge lag zwischen 8,27 und 11,23, der Vergärungsgrad
zwischen 36,7 und 53,3, die Glycerinmenge zwischen 0,077
und 0,149. Auch zeigten die Mengen des Stickstoffs, der reduzierenden Substanz und zum Teil die Farbenintensität erhebliche
Unterschiede. In ähnlicher Weise fand Marx bei einer Anzahl aus Weinmost rein gezüchteter Arten Unterschiede
im Gärungsvermögen und in der Fähigkeit, flüchtige Stoffe hervorzubringen, die dem Weine ein besonderes Boukett verleihen.
Es eröffnet sich hierdurch die Aussicht, daß es gelingen könnte, aus Most, in welchem alle fremdartigen Gärungserreger
abgetötet sind, durch Zusatz ausgewählter HefenWeine von bestimmten Eigenschaften zu erzeugen, auch unabhängig
von dem Orte, wo die Trauben gewachsen sind.
Schon die Untersuchungen Pasteurs, nach welchen Bakterien neben der Hefe auftreten und Krankheiten des Biers veranlassen können,
führten zur Konstruktion von geschlossenen Kühlschiffen für die gekochte Würze und zur Herstellung solcher Lüftungsvorrichtungen
für dieselbe, die ein Eindringen von Keimen mit der Luft ausschlossen. Eine neue Epoche für die Gärungsgewerbe
begann aber erst mit den Hansenschen Arbeiten, welche ermöglichten, die Gärungsprozesse mit einer einzigen Hefeart von bestimmten
Eigenschaften durchzuführen.
Hierzu dient der von Hansen und Kühle konstruierte Hefevermehrungsapparat, welcher, mit einer absoluten Reinkultur einmal
versehen, jahrelang kontinuierlich arbeiten kann. Derselbe
besteht im wesentlichen aus drei Teilen, einer
Luftpumpe
[* 19] mit Luftreservoir zum Einführen keimfreier Luft zwecks Lüftung der Würze, dem Würzecylinder, in den die siedendheiße
Würze eingeführt wird, um darin gekühlt und gelüftet zu werden, und dem Gärungscylinder, der mit einer Vorrichtung
zum Einbringen einer Reinkultur und mit einem Ablaßhahn zur Entnahme der Flüssigkeit und der vermehrten
reinen Hefe versehen ist.
Mit diesem einfachen Apparat ist es möglich, mit kurzen Zwischenräumen absolut reine Anstellhefe für ca. 8 hlWürze zu entwickeln.
Von größter Bedeutung ist es, daß man selbst nach Verlauf von Jahren immer wieder genau dieselbe einmal ausgewählte Hefe zur
Verfügung haben kann, wenn man im Laboratorium
[* 20] die absolute Reinkultur in einer 10proz. Rohrzuckerlösung
aufbewahrt. In solcher Lösung erhalten sich die Kulturhefen jahrelang lebendig und ohne Veränderung ihrer Eigenschaften.
Hansen fand auch eine Methode, die reinen Hefen ohne Schaden selbst nach den Tropen versenden zu können, und daraufhin hat sein
Verfahren außer in Europa
[* 21] auch in Nord- und Südamerika,
[* 22] in Asien
[* 23] und Australien
[* 24] Anwendung gefunden. Die Berichte
über die erhaltenen Biere lauten im allgemeinem sehr günstig, namentlich in Bezug auf Haltbarkeit, Glanz und reinen Geschmack
derselben. Vielfach war allerdings der Geschmack des mit nur einer Heferasse erhaltenen Biers abweichend von dem bisher
gebrauten, offenbar weil man bis dahin mit einer andern oder mit einem Gemisch mehrerer Heferassen gearbeitet hatte.
Offenbar sind nach dieser Richtung noch erhebliche Fortschritte zu erwarten. Auch für obergärige Biere scheinen die Versuche
gute Erfolge zu versprechen. Die mit reiner Hefe hergestellten obergärigen Biere haben einen reinern süßern Geschmack
und größere Haltbarkeit als die gewöhnlichen, und es ergeht daher die Mahnung an die Brauereien obergäriger Biere, daß
sie, statt ihren Betrieb einzustellen oder für Untergärung einzurichten, denselben in zeitgemäßer Weise weiterentwickeln.
Vgl. Hansen, Untersuchungen aus der Praxis der Gärungsindustie ^[richtig: Gärungsindustrie] (2. Aufl., Münch. 1890);
Jörgensen,
Die Mikroorganismen der Gärungsindustrie (2. Aufl., Berl.
1890).
(Bärme, Gest, frz. levure, engl. yeast). - Man versteht
hierunter das bekannte Ferment, welches in zuckerhaltigen Flüssigkeiten die geistige
¶
mehr
Gärung hervorzubringen vermag, sich bei der Bier- und Weingärung bildet und zur Anstellung neuer Gärungsprozesse verwendet
wird. Die H. ist ein lebendiges Pflanzengebilde, ein Pilz der einfachsten Art, der sich da, wo er seine Nahrungsbedingungen
findet, mit großer Schnelligkeit aus sich selbst vermehrt. Der Hefenpilz kann nur fortvegetieren, wenn er
zugleich Zuckerlösung und eiweißartige, also stickstoffhaltige Materien, sowie kleine Mengen mineralischer Bestandteile
zur Verfügung hat.
Von reiner Zuckerlösung kann er nur ein ganz bestimmtes Quantum zersetzen, wobei er sich nicht vermehrt, sondern schließlich
abstirbt, weil in einer reinen Zuckerlösung die nötigen Nährstoffe fehlen. Der merkwürdigste, noch nicht völlig aufgeklärte
Vorgang bei dieser Pilzvegetation ist aber das, was wir die geistige Gärung nennen, die fortdauernde
Zersetzung des Zuckers in Weingeist und Kohlensäure infolge der Lebensthätigkeit der H. Bei der Anwendung von H. auf Backwerk
ist es eben die letztere, welche man zur Auflockerung des Teigs braucht. Es gibt Bierhefe und Weinhefe,
doch hat die letztere als Gärungserreger keine Bedeutung, wird aber häufig zur Darstellung von Weinbeeröl (Önantäther)
gebraucht.
Die erstere erscheint, je nachdem ober- oder untergärig gebraut wird, in zweierlei Modifikationen, als Ober- und Unterhefe,
von welchen nur die erstere in Bäckerei und Küche Anwendung findet, und zwar am meisten die von Weißbier,
weil Braunbierhefe den Hopfengeschmack an sich hat. Die Unterhefe verbleibt dem Brauer allein und ist ihm beim Brauen von
Lagerbier unentbehrlich. Die Oberhefe erscheint unter dem Mikroskope als lose zusammenhängender, perlschnurartige Zellen
von runder oder eiförmiger Gestalt und circa 1/100 mm Durchmesser.
Die Zellen der Unterhefe sind kleiner und bilden keine zusammenhängenden Reihen. Der botanische Name
der Bierhefe ist Saccharomyces cerevisiae, der der Weinhefe Saccharomyces apiculatus; doch soll es auch von dieser verschiedne
Varietäten geben. Da die H. nicht überall und zu jeder Zeit aus Brauereien zu erlangen und doch sehr wenig haltbar ist,
so hat man sich bemüht derselben mehr Dauer zu geben, indem man in leinenen Säcken die flüssigen Bestandteile
abpreßt, bis die zurückbleibende Masse einen brüchigen Teig bildet, der sich bei Aufbewahrung an einem kühlen Orte einige
Wochen wirksam erhält und unter Verpackung versendbar ist.
Dies ist die sog. Preßhefe oder Pfundhefe. Neuerdings stellt man aber diese
H. meistens direkt und unabhängig von Brauereien her, indem man dazu dienliche Stoffe nur der H. wegen in Gärung setzt.
Es wird dabei eben auch nur gewöhnliche H. erhalten, die aber ihrer Bereitung halber öfter doch Kunsthefe genannt wird.
Das Geschäft wird teils von Branntweinbrennereien, teils selbständig betrieben, indem man Getreideschrot
oder Mehl mit ein Zehntel Gerstenmalzschrot einmaischt, die Maische auf 16-20° R. abkühlt und durch starken Zusatz von H. eine
stürmische Gärung einleitet.
Die reichlich an der Oberfläche auftretende neue H. wird immerfort mit Schaumlöffeln abgenommen, durch ein Sieb
geschlagen,
damit anhängende Träber zurückbleiben, mit kaltem Wasser gewaschen und in Leinensäcken bis zur Teigkonsistenz
ausgepreßt. Die verbleibende Maische wird dann noch auf Branntwein oder zu Viehfutter benutzt. Gute Preßhefe hat einen eigentümlichen
obstartigen Geruch; wenn sie dumpfig riecht, ist sie verdorben. Die Preßhefe wird durchgängig durch Hinzufügung von Kartoffelstärke
in ihrer Masse vermehrt und dadurch trocken und haltbarer gemacht. Es kann dieser Zusatz nicht als Verfälschung
angesehen werden, wohl aber ein solcher aus Gyps oder Thon, der wenigstens nicht schwer zu entdecken wäre.
Verpackt wird die Preßhefe gewöhnlich in Säcken von 25-50 kg Gewicht; die Kleinhändler formen sie in Riegel zu viertel
oder halben Kilos, die in Papier geschlagen werden. Die Ware ist zuweilen auch ganz ausgetrocknet in Form
fester Kuchen und dann in Pulverform als Hefenpulver in den Handel gelangt. Die Sporen (Fortpflanzungsorgane) der Hefe finden
sich beständig in der Luft und fangen an, sich zu entwickeln, sowie sie einen geeigneten Boden finden. Die frische H. erscheint
als eine gelbliche, dickbreiige, durch kleine Bläschen gelockerte Masse; bei gelinder Wärme getrocknet ist sie graugelb,
hornartig aber leicht zerreiblich. - Zoll: Trockne oder teigartige Weinhefe ist zollfrei, flüssige gem.
Tarif im Anh. Nr. 25 e 1 oder 2; Bierhefe und Preßhefe Nr. 25 c;
Weinbeeröl Nr. 5 a.
[* 1] norddeutsch Bärme, eine zu den Ascomyceten gehörende Pilzart (Hefenpilz, Saccharomyces cerevisiae s. vini Meyen,
Hormiscium cerevisiaeBail., TorulacerevisiaeTurp., Cryptococcuscerevisiae Ktzg.),
die in der Bierwürze und Branntweinmaische vegetiert und die Eigenschaft besitzt, Zucker in Alkohol und Kohlensäure zu zersetzen.
(S. Fermente und Gärung.) Die Hefezellen sind von kugeliger, ovaler oder langgestreckter Form und von einer Membran umgeben;
im Innern enthalten sie einen kugel- oder scheibenförmigen Zellkern, eine oder mehrere mit Zellsaft
gefüllte Vakuolen, je nach dem Alter größere oder kleinere Fetttröpfchen und kleine Körnchen von anscheinend eiweißartiger
Natur; die Vakuolen sind am größten in alten Zellen, welche schon gesproßt haben, während sie in jüngern Zellen fehlen.
In Zuckerlösungen, welche stickstoffhaltige und mineralische Hefenstoffe enthalten, erfolgt rasch Vermehrung der Zellen durch
Sprossung.
Bei diesem Vorgange verdichtet sich ein Teil des Protoplasmas an einer bestimmten Stelle der Zellwand, der Inhalt der Vakuolen
verschwindet und es entsteht da, wo das Protoplasma sich angelegt hat, eine zuerst minimale Ausstülpung an der Membran,
welche sich zu rundlichen oder länglichen Zellen vergrößert und schließlich durch eine Querwand gegen
die Mutterzelle abschließt und von derselben als Tochterzelle trennt, die sich wieder auf gleiche Weise vermehren kann.
Die Tochterzellen können aber auch, solange sie mit der Mutterzelle zusammenhängen, sofort wieder Sprossen treiben, sodaß
Sproßverbände entstehen; diese Sproßverbände kommen jedoch über ein gewisses Maß nicht hinaus, da die einzelnen Zellen
leicht außer Verband treten, um einzeln wieder auszusprossen. Erfolgt diese Vermehrung verhältnismäßig langsam, in Flüssigkeiten,
deren Wärme
[* 26] nicht über 10° C. steigt, so bleiben die einzelnen Zellindividuen meist isoliert und lagern sich allmählich
am Boden der gärenden Flüssigkeit ab. Bei raschem Wachstum haften die einzelnen Zellen an der Stelle, wo
sie durch Sprossung entstanden sind, lose zusammen und bilden Sproßverbände, die durch ihre vergrößerte Oberfläche den
bei der Gärung entstehenden Kohlensäurebläschen reichliche Gelegenheit zum Anhaften geben und dann von diesen Bläschen
an die Oberfläche der Flüssigkeit getrieben werden. Nach diesen Erscheinungen hat man früher zwei verschiedene Hefenarten,
Unterhefe und
Oberhefe, unterschieden. Beide sind aber auf keine Weise voneinander verschieden, Unterhefe
verhält sich in wärmern Flüssigkeiten wie Oberhefe und diese in kältern wie Unterhefe.
Etwas verschieden von der Bier- und Branntweinhefe ist die sich im gärenden Moste findende Hefe; doch beschränkt sich die Verschiedenheit
der Weinhefe auf äußere Eigenschaften, Größen- und Gestaltverhältnisse. Hiernach sind vonRees in der
Weinhefe verschiedene Saccharomyces-Arten unterschieden und als Saccharomyces ellipsoideus, Saccharomyces apiculatus,
Saccharomyces Pastorianus, Saccharomyces conglomeratus benannt. Nach Untersuchungen von Hansen ist auch die gewöhnliche Bierhefe
ein Gemisch von verschiedenen, mit verschiedenen Eigenschaften ausgestatteten Heferassen.
Durch die von Hansen ausgebildeten Methoden der Isolierung aller Heferassen und Reinkultur derselben ist
es gelungen, die Reinhefe in den Brauereibetrieb einzuführen, sodaß bereits eine große Anzahl von Brauereien unter Benutzung
der eigens zu diesem Zwecke hergestellten Reinzuchtapparate im Großbetriebe mit selbstgezüchteter, bakterienfreier, in
ihren Eigenschaften sich stets gleichbleibender Hefe arbeiten können, während sie früher beim Bezuge von «Zeug» (Stellhefe,
Satzhefe) vielmehr auf Zufälligkeiten angewiesen waren und die in einer Brauerei bestehenden Krankheiten (Bakterien, wilde
Hefe) leicht in eine andere übergeführt werden konnten.
Das Wachstum und die Vermehrung aller Hefenarten in Flüssigkeiten wird begünstigt durch die Gegenwart von Sauerstoff, also
auch Luft. Doch ist der Zutritt der Luft nicht unbedingt erforderlich, da eine kräftig ernährte Hefe die
Fähigkeit besitzt, den zu ihrer Atmung erforderlichen Sauerstoff durch Zersetzung Sauerstoff enthaltender chem. Verbindungen
sich anzueignen. In Lösungen von chem. reinem Zucker ruft Hefe Gärung hervor und vermehrt
sich eine kurze Zeit lang, stirbt aber bald ab, häufig ohne die Gärung zu Ende geführt zu haben.
Die unter diesen Umständen anfänglich zu beobachtende Vermehrung der Zellen erfolgt unter Verwendung des Materials der übrigen;
sobald dieses aber verbraucht ist, hört jedes weitere Wachstum auf. Zur Ernährung und reichlichen Vermehrung der Hefe ist außer
der Anwesenheit des Zuckers noch die von löslichen und diffusionsfähigen Eiweißkörpern und von mineralischen
Salzen, Kaliumphosphat und Magnesiumsulfat erforderlich; die Eiweißkörper können durch Amide (z. B. Asparagin) ersetzt werden,
welche reichlich zur Hefenvermehrung beitragen; auch die Ammoniumsalze sind eine Stickstoffquelle für die Hefe, jedoch assimiliert
dieselbe den nötigen Stickstoff aus letztern Verbindungen nur schwierig.
Das Wachstum der Hefe beginnt bei Temperaturen von 3 - 4° C. und setzt sich bei höhern Wärmegraden, bis
etwa zur Blutwärme, mit zunehmender Energie fort, während eine weitere Steigerung um wenige Grade zuerst Störung der Vegetation
und dann sichern Tod der Pflanze verursacht. Bei Temperaturen unter 3° C. geht die Hefe in Ruhestand über, d. h. sie hört
auf sich zu vermehren und ist nicht mehr fähig, Gärung hervorzurufen, ohne aber abgestorben zu sein. Selbst gegen extrem
niedere Temperaturen ist die Hefe so höchst widerstandsfähig.
Der Ruhestand der Hefe wird außerdem durch vorsichtige Entziehung des Vegetationswassers, durch freiwilliges Austrocknen
bei gewöhnlicher
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Temperatur hervorgerufen. Die Hefe kann darin längere Zeit verharren, um dann, in normale Bedingungen versetzt, in Zuckersäfte
gebracht, zu neuem Wachstum, zu neuer Gärthätigkeit zu erwachen. Wasserfrei gemacht, widersteht sie der Einwirkung sehr
hoher Temperaturen, sie verträgt dann eine Wärme von 100° C., ja es werden noch weit höhere Temperaturen
angegeben, denen man sie ohne Schädigung aussetzen kann. Die wachsende Hefe wird durch geringe Mengen von Chlor, Brom, Jod, schwefliger
Säure, Phenol, Thymol, Salicylsäure getötet, doch ist sie gegen letztere widerstandsfähiger als andere niedere Pilze. Man
kann daher, durch mäßigen Zusatz von Salicylsäure, in gärenden Flüssigkeiten die Vegetation fremder Pilze
unterdrücken, ohne die Thätigkeit der Hefe zu hemmen, während ein größerer Zusatz dieser Säure auch die Hefe zum
Absterben bringt.
Außer der angegebenen Vermehrung durch Sprossung vermehrt sich die auch durch Sporenbildung, wie die übrigen Ascomyceten. Bringt
man kräftig vegetierende Hefe auf ein zu ihrer Ernährung geeignetes Substrat, z. B. auf eine Möhrenscheibe,
und setzt sie frei dem Zutritt der Luft aus, so hört nach einiger Zeit die Sprossung auf, die einzelnen Zellen vergrößern
sich, die im Protoplasma vorhandenen Vakuolen verschwinden, das Protoplasma ballt sich an einzelnen Stellen zusammen und bildet
in der Zelle zwei, drei oder vier deutlich voneinander gesonderte Klumpen. Letztere überziehen sich
alsbald mit einer Cellulosemembran und werden damit zu eigenen Zellen, zu Sporen, zu Schlauchsporen oder Ascosporen, die von
der ursprünglichen Zellmembran, die dadurch zum Sporenschlauch geworden ist, umhüllt sind. Kommen diese Sporen mit dem Schlauch
in gärungsfähige Flüssigkeiten, so wird die Hülle zersprengt, die Sporen vergrößern sich und beginnen
durch Sprossung sich zu vermehren.
Die Darstellung der Hefe im Großen, namentlich für Zwecke der Bäckerei, geschieht in eigenen, zum großen Teil mit Kornbrennerei
verbundenen Betrieben, den Preßhefefabriken (s. Preßhefe). Außer den Saccharomycesarten können auch andere Pilze, wie MucorMucedoL., und Mucor racemosus Fres., Gärung von Zuckerlösungen veranlassen. Doch wird die Gärung schon
durch 2 - 3 Proz. Alkohol aufgehoben, während sie bei Saccharomycesarten erst durch 15 - 20 Proz. Alkohol beeinträchtigt
wird. -
Vgl. Jörgensen, Mikroorganismen der Gärungsindustrie (Berl. 1892).