Hefe
,
[* 2] norddeutsch
Bärme, eine zu den
Ascomyceten gehörende Pilzart
(Hefenpilz, Saccharomyces cerevisiae s. vini Meyen,
Hormiscium cerevisiae
Bail.,
Torula cerevisiae
Turp.,
Cryptococcus cerevisiae Ktzg.),
die in der Bierwürze und Branntweinmaische vegetiert und die Eigenschaft besitzt, Zucker
[* 3] in
Alkohol und
Kohlensäure zu zersetzen.
(S. Fermente und Gärung.) Die Hefe
zellen sind von kugeliger, ovaler oder langgestreckter Form und von einer Membran umgeben;
im Innern enthalten sie einen kugel- oder scheibenförmigen Zellkern, eine oder mehrere mit Zellsaft
gefüllte
Vakuolen, je nach dem
Alter größere oder kleinere Fetttröpfchen und kleine Körnchen von anscheinend eiweißartiger
Natur; die
Vakuolen sind am größten in alten Zellen, welche schon gesproßt haben, während sie in jüngern Zellen fehlen.
In Zuckerlösungen, welche stickstoffhaltige und mineralische Hefe
nstoffe enthalten, erfolgt rasch
Vermehrung der Zellen durch
Sprossung.
Bei diesem Vorgange verdichtet sich ein Teil des Protoplasmas an einer bestimmten Stelle der Zellwand, der Inhalt der Vakuolen verschwindet und es entsteht da, wo das Protoplasma sich angelegt hat, eine zuerst minimale Ausstülpung an der Membran, welche sich zu rundlichen oder länglichen Zellen vergrößert und schließlich durch eine Querwand gegen die Mutterzelle abschließt und von derselben als Tochterzelle trennt, die sich wieder auf gleiche Weise vermehren kann.
Die Tochterzellen können aber auch, solange sie mit der Mutterzelle zusammenhängen, sofort wieder
Sprossen treiben, sodaß
Sproßverbände entstehen; diese Sproßverbände kommen jedoch über ein gewisses
Maß nicht hinaus, da die einzelnen Zellen
leicht außer
Verband
[* 4] treten, um einzeln wieder auszusprossen. Erfolgt diese
Vermehrung verhältnismäßig langsam, in Flüssigkeiten,
deren Wärme
[* 5] nicht über 10° C. steigt, so bleiben die einzelnen Zellindividuen meist isoliert und lagern sich allmählich
am
Boden der gärenden Flüssigkeit ab. Bei raschem Wachstum haften die einzelnen Zellen an der
Stelle, wo
sie durch
Sprossung entstanden sind, lose zusammen und bilden Sproßverbände, die durch ihre vergrößerte Oberfläche den
bei der Gärung entstehenden Kohlensäurebläschen reichliche Gelegenheit zum Anhaften geben und dann von diesen
Bläschen
an die Oberfläche der Flüssigkeit getrieben werden. Nach diesen Erscheinungen hat man früher zwei verschiedene Hefe
narten,
Unterhefe und
Oberhefe
, unterschieden. Beide sind aber auf keine
Weise voneinander verschieden,
Unterhefe
verhält sich in wärmern Flüssigkeiten wie Oberhefe
und diese in kältern wie
Unterhefe.
Etwas verschieden von der
Bier- und
Branntweinhefe ist die sich im gärenden
Moste findende Hefe;
doch beschränkt sich die Verschiedenheit
der
Weinhefe auf äußere Eigenschaften,
Größen- und Gestaltverhältnisse. Hiernach sind von
Rees in der
Weinhefe verschiedene Saccharomyces-Arten unterschieden und als Saccharomyces ellipsoideus, Saccharomyces apiculatus,
Saccharomyces Pastorianus, Saccharomyces conglomeratus benannt. Nach Untersuchungen von
Hansen ist auch die gewöhnliche Bierhefe
ein Gemisch von verschiedenen, mit verschiedenen Eigenschaften ausgestatteten Hefe
rassen.
Durch die von
Hansen ausgebildeten Methoden der Isolierung aller Hefe
rassen und Reinkultur derselben ist
es gelungen, die Reinhefe in den Brauereibetrieb einzuführen, sodaß bereits eine große Anzahl von
Brauereien unter Benutzung
der eigens zu diesem Zwecke hergestellten Reinzuchtapparate im Großbetriebe mit selbstgezüchteter, bakterienfreier, in
ihren Eigenschaften sich stets gleichbleibender Hefe arbeiten können, während sie früher beim
Bezuge von «Zeug» (Stellhefe,
Satzhefe) vielmehr auf Zufälligkeiten angewiesen waren und die in einer
Brauerei bestehenden
Krankheiten
(Bakterien, wilde
Hefe) leicht in eine andere übergeführt werden konnten.
Das Wachstum und die Vermehrung aller Hefenarten in Flüssigkeiten wird begünstigt durch die Gegenwart von Sauerstoff, also auch Luft. Doch ist der Zutritt der Luft nicht unbedingt erforderlich, da eine kräftig ernährte Hefe die Fähigkeit besitzt, den zu ihrer Atmung erforderlichen Sauerstoff durch Zersetzung Sauerstoff enthaltender chem. Verbindungen sich anzueignen. In Lösungen von chem. reinem Zucker ruft Hefe Gärung hervor und vermehrt sich eine kurze Zeit lang, stirbt aber bald ab, häufig ohne die Gärung zu Ende geführt zu haben.
Die unter diesen Umständen anfänglich zu beobachtende Vermehrung der Zellen erfolgt unter Verwendung des Materials der übrigen; sobald dieses aber verbraucht ist, hört jedes weitere Wachstum auf. Zur Ernährung und reichlichen Vermehrung der Hefe ist außer der Anwesenheit des Zuckers noch die von löslichen und diffusionsfähigen Eiweißkörpern und von mineralischen Salzen, Kaliumphosphat und Magnesiumsulfat erforderlich; die Eiweißkörper können durch Amide (z. B. Asparagin) ersetzt werden, welche reichlich zur Hefenvermehrung beitragen; auch die Ammoniumsalze sind eine Stickstoffquelle für die Hefe, jedoch assimiliert dieselbe den nötigen Stickstoff aus letztern Verbindungen nur schwierig.
Das Wachstum der Hefe beginnt bei Temperaturen von 3 - 4° C. und setzt sich bei höhern Wärmegraden, bis etwa zur Blutwärme, mit zunehmender Energie fort, während eine weitere Steigerung um wenige Grade zuerst Störung der Vegetation und dann sichern Tod der Pflanze verursacht. Bei Temperaturen unter 3° C. geht die Hefe in Ruhestand über, d. h. sie hört auf sich zu vermehren und ist nicht mehr fähig, Gärung hervorzurufen, ohne aber abgestorben zu sein. Selbst gegen extrem niedere Temperaturen ist die Hefe so höchst widerstandsfähig.
Der Ruhestand der Hefe wird außerdem durch vorsichtige Entziehung des Vegetationswassers, durch freiwilliges Austrocknen bei gewöhnlicher ¶
mehr
Temperatur hervorgerufen. Die Hefe kann darin längere Zeit verharren, um dann, in normale Bedingungen versetzt, in Zuckersäfte gebracht, zu neuem Wachstum, zu neuer Gärthätigkeit zu erwachen. Wasserfrei gemacht, widersteht sie der Einwirkung sehr hoher Temperaturen, sie verträgt dann eine Wärme von 100° C., ja es werden noch weit höhere Temperaturen angegeben, denen man sie ohne Schädigung aussetzen kann. Die wachsende Hefe wird durch geringe Mengen von Chlor, Brom, Jod, schwefliger Säure, Phenol, Thymol, Salicylsäure getötet, doch ist sie gegen letztere widerstandsfähiger als andere niedere Pilze. [* 7] Man kann daher, durch mäßigen Zusatz von Salicylsäure, in gärenden Flüssigkeiten die Vegetation fremder Pilze unterdrücken, ohne die Thätigkeit der Hefe zu hemmen, während ein größerer Zusatz dieser Säure auch die Hefe zum Absterben bringt.
Außer der angegebenen Vermehrung durch Sprossung vermehrt sich die auch durch Sporenbildung, wie die übrigen Ascomyceten. Bringt man kräftig vegetierende Hefe auf ein zu ihrer Ernährung geeignetes Substrat, z. B. auf eine Möhrenscheibe, und setzt sie frei dem Zutritt der Luft aus, so hört nach einiger Zeit die Sprossung auf, die einzelnen Zellen vergrößern sich, die im Protoplasma vorhandenen Vakuolen verschwinden, das Protoplasma ballt sich an einzelnen Stellen zusammen und bildet in der Zelle [* 8] zwei, drei oder vier deutlich voneinander gesonderte Klumpen. Letztere überziehen sich alsbald mit einer Cellulosemembran und werden damit zu eigenen Zellen, zu Sporen, zu Schlauchsporen oder Ascosporen, die von der ursprünglichen Zellmembran, die dadurch zum Sporenschlauch geworden ist, umhüllt sind. Kommen diese Sporen mit dem Schlauch in gärungsfähige Flüssigkeiten, so wird die Hülle zersprengt, die Sporen vergrößern sich und beginnen durch Sprossung sich zu vermehren.
Die Darstellung der Hefe im Großen, namentlich für Zwecke der Bäckerei, geschieht in eigenen, zum großen Teil mit Kornbrennerei verbundenen Betrieben, den Preßhefefabriken (s. Preßhefe). Außer den Saccharomycesarten können auch andere Pilze, wie Mucor Mucedo L., und Mucor racemosus Fres., Gärung von Zuckerlösungen veranlassen. Doch wird die Gärung schon durch 2 - 3 Proz. Alkohol aufgehoben, während sie bei Saccharomycesarten erst durch 15 - 20 Proz. Alkohol beeinträchtigt wird. -
Vgl. Jörgensen, Mikroorganismen der Gärungsindustrie (Berl. 1892).