Harnstoff,
eine wichtige organische Verbindung von der Zusammensetzung CH4N2O, ist als das Amid der Kohlensäure (Carbamid) mit der Formel NH2.CO.NH2 aufzufassen. Der Harnstoff ist das letzte Produkt der Spaltung und Oxydation der Eiweißstoffe und findet sich immer im Harn des Menschen und der Säugetiere. Die vom Menschen täglich erzeugte Menge beträgt etwa 30 g. Die Hauptmenge des Stickstoffs, die in Form von Eiweißstoffen mit der Nahrung in den Körper eingeführt wird, verläßt diesen bei den meisten Säugetieren in Form von und letzterer kann deshalb als Maß des Eiweißverbrauchs dienen. Beim Hungerzustande bildet er sich ans den Eiweißstoffen des Körpers selbst. In geringer Menge findet sich der auch in andern tierischen Flüssigkeiten und im Harn der Vögel und einiger Reptilien, die ihren Stickstoff hauptsächlich in Form der bei den Säugetieren nur in geringer Menge vorhandenen Harnsäure ausscheiden.
In histor. Hinsicht ist der Harnstoff von Interesse, weil er dasjenige Erzeugnis organischen Lebens ist, dessen künstliche Darstellung der Chemie zuerst gelang. Das isocyansaure Ammonium, das sich durch Umsetzung von Ammoniumsulfat und dem synthetisch zugänglichen Kaliumsalz der Isocyansäure (s. Cyansäure) bildet, wandelt sich beim Erwärmen seiner wässerigen Lösung in den isomeren Harnstoff um:
C=O N.NH4 = | C=O NH2 NH2 |
isocyansaures Ammonium | Harnstoff. |
Durch diese 1828 von Wöhler gemachte Entdeckung wurde die frühere Lehre, daß es zur Bildung organischer Substanzen der geheimnisvollen, nur in lebenden Wesen vorhandenen «Lebenskraft» bedürfe, endgültig beseitigt. Seit jener Zeit sind noch mehrere andere Synthesen des Harnstoff ausgeführt worden; zur Darstellung desselben benutzt man aber die Wöhlersche Synthese. Auch aus dem Harn selbst kann man ihn gewinnen, wenn man diesen eindampft und mit starker Salpetersäure versetzt. Es bildet sich dann das durch Umkrystallisieren leicht
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zu reinigende salpetersaure Salz des Harnstoff, das man in wässeriger Lösung mit Baryumcarbonat zersetzt. Man dampft hierauf die filtrierte Lösung, die und Baryumnitrat enthält, ein und entzieht dem trocknen Rückstand den Harnstoff mittels starken Alkohols. Er krystallisiert in langen glänzenden farblosen Prismen und besitzt einen kühlenden, salpeterähnlichen Geschmack. Er löst sich sehr leicht in Wasser, weniger leicht in Alkohol und ist unlöslich in Äther. Er schmilzt bei 132° und zersetzt sich bei noch höherer Temperatur unter Bildung von Ammoniak, Melanurensäure, Biuret und Cyanursäure.
Beim Erhitzen mit Wasser über 100°, beim Kochen mit Alkalien oder Säuren oder durch Fermente spaltet er sich wie alle Säureamide in seine Bestandteile Kohlensäure und Ammoniak; durch salpetrige Säure wird er in Kohlensäure, Stickstoff und Wasser zerlegt. Obwohl der Harnstoff vollkommen neutral reagiert, bildet er doch sowohl mit Säuren als auch mit Basen Salze. Außerdem liefert er aber auch mit Salzen, z. B. mit Chlornatrium, Silbernitrat, Quecksilberchlorid, krystallinische Verbindungen.