Harnstoff
(Karbamid) CH4N2O findet sich im
Harn aller
Säugetiere (besonders
der
Fleischfresser), der
Vögel,
[* 2]
Reptilien und andrer
Tiere, in geringer
Menge auch im
Blut, im
Chylus sowie im
Schweiß.
In den
Muskeln
[* 3] der meisten
Wirbeltiere scheint der Harnstoff
ganz zu fehlen; dagegen findet er sich in sämtlichen
Organen der
Knorpelfische, besonders
der
Plagiostomen, und in dem alkalischen Saft, welchen gereizte
Kröten aus den
Hautdrüsen absondern.
Bei Unterdrückung der Nierenfunktion steigert sich der Harnstoff
gehalt in fast allen
Flüssigkeiten, und man findet ihn dann
auch im
Speichel, in der
Galle, im erbrochenen
Magensaft, in der
Milch, im
Eiter etc. Der Harnstoff
ist isomer mit cyansaurem
Ammoniak
und entsteht, wenn man die
Lösung desselben zur
Trockne verdampft, ferner beim Erhitzen von kohlensaurem oder karbaminsaurem
Ammoniak auf 130-140°, bei der trocknen
Destillation
[* 4] der
Harnsäure, bei Einwirkung von
Alkalien auf
Kreatin und von übermangansaurem
Kali auf
Eiweißkörper etc. Zur
Darstellung von Harnstoff
verdampft man
Harn zur Sirupskonsistenz, mischt ihn bei
sehr niedriger
Temperatur mit konzentrierter
Salpetersäure, reinigt den ausgeschiedenen salpetersauren Harnstoff
, zersetzt ihn mit
kohlensaurem
Baryt und zieht aus der zur
Trockne gebrachten
Masse den Harnstoff
mit
Weingeist aus.
Auch durch
Versetzen einer
Lösung von cyansaurem
Kali mit schwefelsaurem
Ammoniak,
Verdampfen und
Ausziehen des Rückstandes mit
Alkohol kann man Harnstoff
erhalten. Er bildet farb- und geruchlose
Kristalle,
[* 5] schmeckt dem
Salpeter ähnlich kühlend,
löst sich leicht in
Wasser und
Weingeist, nicht in
Äther, ist völlig neutral, verbindet sich aber mit
Sauerstoffsäuren zu
salzartigen
Körpern, von denen besonders der salpetersaure CH4N2O.HNO3 ^[CH4N2O.HNO3] und der oxalsaure
Harnstoff
CH4N2O.C2H2O4 + 2H2O ^[CH4N2O.C2H2O4 + 2H2O] in
Wasser schwer löslich sind. Harnstoff
ist nicht flüchtig, er schmilzt bei 120° und zersetzt sich bei wenig
höherer
Temperatur.
Beim Erhitzen mit
Wasser über 100° und bei der Einwirkung von
Alkalien und Fäulnisfermenten zerfällt er in
Wasser,
Kohlensäure
und
Ammoniak. Harnstoff
ist das letzte im
Körper gebildete Zersetzungsprodukt der Eiweißsubstanzen im tierischen
Organismus, und der größte Teil des in der
Nahrung aufgenommenen
Stickstoffs wird in Form von Harnstoff
durch den
Harn wieder ausgeschieden.
Der Harnstoff
wird aber nicht erst in den
Nieren gebildet, sondern durch dieselben nur aus dem
Blut abgesondert, und wenn dies nicht
geschieht, so entstehen schwere
Störungen der
Gesundheit. Harnstoff
wurde 1773 von Rouelle entdeckt, von
Fourcroy
und Vauquelin rein dargestellt und von
Liebig und
Wöhler analysiert. 1828 stellte
Wöhler aus cyansaurem
Ammoniak dar und lieferte
damit das erste
Beispiel der
Darstellung organischer
Verbindungen außerhalb des lebenden
Organismus.