Bei Unterdrückung der Nierenfunktion steigert sich der Harnstoffgehalt in fast allen
Flüssigkeiten, und man findet ihn dann
auch im
Speichel, in der
Galle, im erbrochenen
Magensaft, in der
Milch, im
Eiter etc. Der Harnstoff ist isomer mit cyansauremAmmoniak
und entsteht, wenn man die
Lösung desselben zur
Trockne verdampft, ferner beim Erhitzen von kohlensaurem oder karbaminsaurem
Ammoniak auf 130-140°, bei der trocknen
Destillation
[* 4] der
Harnsäure, bei Einwirkung von
Alkalien auf
Kreatin und von übermangansaurem
Kali auf
Eiweißkörper etc. Zur
Darstellung von Harnstoff verdampft man
Harn zur Sirupskonsistenz, mischt ihn bei
sehr niedriger
Temperatur mit konzentrierter
Salpetersäure, reinigt den ausgeschiedenen salpetersauren Harnstoff, zersetzt ihn mit
kohlensaurem
Baryt und zieht aus der zur
Trockne gebrachten
Masse den Harnstoff mit
Weingeist aus.
Auch durch
Versetzen einer
Lösung von cyansaurem
Kali mit schwefelsaurem
Ammoniak,
Verdampfen und
Ausziehen des Rückstandes mit
Alkohol kann man Harnstoff erhalten. Er bildet farb- und geruchlose
Kristalle,
[* 5] schmeckt dem
Salpeter ähnlich kühlend,
löst sich leicht in
Wasser und
Weingeist, nicht in
Äther, ist völlig neutral, verbindet sich aber mit
Sauerstoffsäuren zu
salzartigen
Körpern, von denen besonders der salpetersaure CH4N2O.HNO3 ^[CH4N2O.HNO3] und der oxalsaure
Harnstoff CH4N2O.C2H2O4 + 2H2O ^[CH4N2O.C2H2O4 + 2H2O] in
Wasser schwer löslich sind. Harnstoff ist nicht flüchtig, er schmilzt bei 120° und zersetzt sich bei wenig
höherer
Temperatur.
Beim Erhitzen mit
Wasser über 100° und bei der Einwirkung von
Alkalien und Fäulnisfermenten zerfällt er in
Wasser,
Kohlensäure
und
Ammoniak. Harnstoff ist das letzte im
Körper gebildete Zersetzungsprodukt der Eiweißsubstanzen im tierischen
Organismus, und der größte Teil des in der
Nahrung aufgenommenen
Stickstoffs wird in Form von Harnstoff durch den
Harn wieder ausgeschieden.
Der Harnstoff wird aber nicht erst in den
Nieren gebildet, sondern durch dieselben nur aus dem
Blut abgesondert, und wenn dies nicht
geschieht, so entstehen schwere
Störungen der
Gesundheit. Harnstoff wurde 1773 von Rouelle entdeckt, von
Fourcroy
und Vauquelin rein dargestellt und von
Liebig und
Wöhler analysiert. 1828 stellte
Wöhler aus cyansaurem
Ammoniak dar und lieferte
damit das erste
Beispiel der
Darstellung organischer
Verbindungen außerhalb des lebenden
Organismus.
eine wichtige organische Verbindung von der Zusammensetzung CH4N2O, ist als das Amid der Kohlensäure
(Carbamid) mit der Formel NH2.CO.NH2 aufzufassen. Der Harnstoff ist das letzte Produkt der Spaltung und
Oxydation der Eiweißstoffe und findet sich immer im Harn des Menschen und der Säugetiere. Die vom Menschen
täglich erzeugte Menge beträgt etwa 30 g. Die Hauptmenge des Stickstoffs, die in Form von Eiweißstoffen mit der Nahrung
in den Körper eingeführt wird, verläßt diesen bei den meisten Säugetieren in Form von und letzterer kann deshalb als
Maß des Eiweißverbrauchs dienen. Beim Hungerzustande bildet er sich ans den Eiweißstoffen des Körpers
selbst. In geringer Menge findet sich der auch in andern tierischen Flüssigkeiten und im Harn derVögel und einiger Reptilien,
die ihren Stickstoff hauptsächlich in Form der bei den Säugetieren nur in geringer Menge vorhandenen Harnsäure ausscheiden.
In histor. Hinsicht ist der Harnstoff von Interesse, weil er dasjenige Erzeugnis organischen Lebens ist, dessen
künstliche Darstellung der Chemie zuerst gelang. Das isocyansaure Ammonium, das sich durch Umsetzung von Ammoniumsulfat und dem
synthetisch zugänglichen Kaliumsalz der Isocyansäure (s. Cyansäure) bildet, wandelt sich beim Erwärmen seiner wässerigen
Lösung in den isomeren Harnstoff um:
Durch diese 1828 von Wöhler gemachte Entdeckung wurde die frühere Lehre,
[* 6] daß es zur Bildung organischer Substanzen der geheimnisvollen,
nur in lebenden Wesen vorhandenen «Lebenskraft» bedürfe, endgültig beseitigt. Seit jener Zeit sind noch mehrere andere Synthesen
des Harnstoff ausgeführt worden; zur Darstellung desselben benutzt man aber die Wöhlersche Synthese. Auch aus
dem Harn selbst kann man ihn gewinnen, wenn man diesen eindampft und mit starker Salpetersäure versetzt. Es bildet sich
dann das durch Umkrystallisieren leicht
¶
mehr
zu reinigende salpetersaure Salz
[* 8] des Harnstoff, das man in wässeriger Lösung mit Baryumcarbonat zersetzt. Man dampft hierauf die
filtrierte Lösung, die und Baryumnitrat enthält, ein und entzieht dem trocknen Rückstand den Harnstoff mittels starken Alkohols.
Er krystallisiert in langen glänzenden farblosen Prismen und besitzt einen kühlenden, salpeterähnlichen Geschmack. Er
löst sich sehr leicht in Wasser, weniger leicht in Alkohol und ist unlöslich in Äther. Er schmilzt bei 132° und zersetzt
sich bei noch höherer Temperatur unter Bildung von Ammoniak, Melanurensäure, Biuret und Cyanursäure.