Harnack,
Adolf, prot. Theolog, Sohn von Theodosius Harnack (s. d.), geb. zu Dorpat, studierte daselbst 1869-72, habilitierte sich 1874 in Leipzig für Kirchengeschichte, wurde daselbst 1876 außerord., 1879 in Gießen ord. Professor, siedelte 1886 in gleicher Eigenschaft nach Marburg über und wurde 1888 trotz lebhaften Widerstrebens des altpreuß. Oberkirchenrates nach Berlin berufen. 1890 wurde er Mitglied der Akademie der Wissenschaften. H.s Standpunkt ist der historisch-kritische; theologisch stimmt er meist mit Ritschl überein, zu dessen Schule er trotz aller Selbständigkeit oft gerechnet wird. Er gehört zu den anregendsten und fruchtbarsten Kirchenhistorikern der Gegenwart.
Seine Studien gelten vorzugsweise der Erforschung der ältern Kirchengeschichte. Epochemachend ist besonders sein Hauptwerk «Lehrbuch der Dogmengeschichte» (1. u. 2. Aufl., 3 Bde., Freib. i. Br. 1886-90),
worin er die Entstehung und Entwicklung des kirchlichen Dogmas darstellt und dasselbe als «eine Conception des griech. Geistes auf dem Boden des Evangeliums» erweist, welche durch die in apologetischem Interesse vollzogene Hineinstellung der kirchlichen Überlieferung in den Rahmen griech.-philos. Weltanschauung entstanden ist. Ein Auszug aus dem Lehrbuch erschien als «Grundriß der Dogmengeschichte» (Freib. i. Br. 1889; 2. Aufl. 1893). Mit von Gebhardt giebt Harnack die «Texte und Untersuchungen zur Geschichte der altchristl. Litteratur» (Bd. 1-10, Lpz. 1882-93) heraus, eine fortlaufende Sammlung eigener Arbeiten und solcher von Gesinnungsgenossen und Schülern.
Mit von Gebhardt und Zahn veröffentlichte er: «Patrum apostoloricum opera» (3 Bde., Lpz. 1875-78; editio minor 1877),
mit von Gebhardt allein: «Evangeliorum codex graecus purpureus Rossanensis» (ebd. 1880). Die wichtigsten seiner übrigen Schriften sind: «Zur Quellenkritik der Geschichte des Gnosticismus» (Lpz. 1873),
«De Apellis gnosi monarchica» (ebd. 1874),
«Die Zeit des Ignatius und die Chronologie der antiochenischen Bischöfe» (ebd. 1878),
«Das Mönchtum, seine Ideale und Geschichte» (Gießen 1881; 3. Aufl. 1886),
«Die Überlieferung der griech. Apologeten des 2. Jahrh.» (Lpz. 1882),
«Martin Luther in seiner Bedeutung für die Geschichte der Wissenschaft und der Bildung» (Gießen 1883; 2. Aufl. 1886),
«Lehre der zwölf Apostel, nebst Untersuchungen zur ältesten Geschichte der Kirchenverfassung und des Kirchenrechts» (Lpz. 1884; neue Ausg. 1893),
«Die Quellen der sog. apostolischen Kirchenordnung, nebst einer Untersuchung über den Ursprung des Lektorats und der andern niedern Weihen» (ebd. 1886),
«Die Apostellehre und die jüd. beiden Wege» (ebd. 1886),
«Der pseudocyprianische Traktat de aleatoribus, die älteste lateinische christl. Schrift, ein Werk des röm. Bischofs Victor I.» (ebd. 1888),
«Das Neue Testament um das J. 200, Theod. Zahns Geschichte des neutestamentlichen Kanons geprüft» (Freib. i. Br. 1889),
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«Das apostolische Glaubensbekenntnis. Ein geschichtlicher Bericht nebst einem Nachworte» (Antwort auf die von orthodoxer Seite gegen ihn gerichteten Angriffe, Berl. 1892; 24. Aufl. 1893),
«Die Bruchstücke des Evangeliums und der Apokalypse des Petrus» (Lpz. 1893),
«Geschichte der altchristl. Litteratur bis Eusebius», Bd. 1 (ebd. 1893); ferner übersetzte Harnack die Werke von Hatch, «Die Gesellschaftsverfassung der christl. Kirchen im Altertum» (Gießen 1883) und «Die Grundlegung der Kirchenverfassung Westeuropas im frühen Mittelalter» (ebd. 1888) und besorgte eine deutsche Ausgabe von Robertsons «Religiösen Reden» (Lpz. 1890). Seit 1881 ist er Mitherausgeber der 1876 von Schürer begründeten «Theol. Litteraturzeitung».