Harmōnik
(griech.), die Kunst der Harmonie- oder Akkordbildung, s. Harmonielehre. Vgl. Musik (Einleitung).
Harmonik
17 Wörter, 139 Zeichen
(griech.), die Kunst der Harmonie- oder Akkordbildung, s. Harmonielehre. Vgl. Musik (Einleitung).
die Lehre [* 3] von der Harmonie oder, wie man seit M. Hauptmann gern sagt, Harmonik, hat zum Gegenstand die Erklärung der Akkordbildungen der modernen Musik (die Alten kannten Harmonie in unserm Sinne nicht), ihre Zurückführung auf wenige typische Grundformen sowie die Anleitung für die Verbindung der Akkorde, d. h. die Regeln der Stimmführung etc. Die Harmonielehre ist daher die Vorbereitung und der erste Kursus des Kompositionsunterrichts (Stufenfolge: Harmonielehre, Kontrapunkt, Kanon und Fuge, freie Komposition).
Die allgemein übliche Methode der Harmonielehre benutzt als Unterrichtsvehikel die Generalbaßschrift, weshalb auch die Bezeichnung Generalbaß (s. d.) gleichbedeutend mit Harmonielehre gebraucht wird. In neuester Zeit, seit die grundlegenden Thatsachen des musikalischen Hörens mehr und mehr erkannt werden, behandelt man die Harmonielehre in einer abweichenden, mehr rein theoretischen Weise und fragt nach der Klangbedeutung der Akkorde; wir haben daher eine Reihe von Werken, welche Anleitungen für den Tonsatz gar nicht geben, sondern sich ausschließlich mit der Erklärung der verschiedenen möglichen und üblichen Arten von Zusammenklängen und Akkordfolgen beschäftigen, deren Hauptkapitel daher sind: Konsonanz und Dissonanz, Tonart (Tonalität), Modulation.
Solche Harmoniesysteme sind die einschlägigen Arbeiten von Rameau (»Traité d'harmonie«, 1722, u. a.),
Catel (»Traité de l'harmonie«, 1796),
Fétis (»Traité de la théorie et de la pratique de l'harmonie«, 1844, u. a.),
Hauptmann (»Natur der Harmonik«, Leipz. 1853); von neuern, rein theoretischen Arbeiten sind zu nennen die von A. v. Öttingen (»Harmoniesystem in dualer Entwickelung«, Dorp. 1866),
O. Tiersch (»System und Methode der Harmonielehre«, Leipz. 1868),
Thürlings (»Die beiden Tongeschlechter und die neuere musikalische Theorie«, Berl. 1877),
O. Hostinsky (»Die Lehre von den musikalischen Klängen«, Prag [* 4] 1879),
Harmonielehre Riemann (»Skizze einer neuen Methode der Harmonielehre«, Leipz. 1880) u. a., insgesamt Vertretern des harmonischen Dualismus, welcher von M. Hauptmann zuerst weiter ausgeführt, in seinen Grundzügen aber bereits von Zarlino (»Istituzioni harmoniche«, 1558) festgestellt wurde (der Mollakkord als polarer Gegensatz des Durakkords gedacht, vgl. Akkord und Obertöne). [* 5]
Während diese theoretischen Harmonielehren die Regeln des musikalischen Satzes und die Grundgesetze der musikalischen Formgebung zu begründen suchen, begnügen sich die praktischen Harmonielehren mit der Aufstellung der durch die Praxis allmählich festgesetzten Regeln und mit Anleitungen zu ihrer Befolgung, so daß die kurzen eingestreuten theoretischen Erklärungen von Tonart, Modulation etc. von untergeordneterer Bedeutung sind und nur darum unerläßlich scheinen, weil die Generalbaßbezifferung an die Tonleiter anlehnt. Einige neuere Generalbaßschulen versuchen allerdings dem Zug der Zeit gerecht zu werden und den Erklärungen mehr Raum zu vergönnen, so die Werke von E. F. Richter (»Lehrbuch der Harmonie«, 17. Aufl., Leipz. 1886),
L. Köhler (»Leichtfaßliche Harmonie- und Generalbaßlehre«, 3. Aufl., Berl. 1880),
O. Paul ¶
(»Lehrbuch der Harmonik«, Leipz. 1880); doch sind dieselben durch die Beibehaltung der Generalbaßmethode und Generalbaßterminologie an einem glücklichen weitern Verfolg der anfänglich aufgestellten grundlegenden Sätze verhindert. Was der Harmonielehre not thut, ist aber eine neue Methode, welche gestattet, die Fortschritte in der Erkenntnis der Prinzipien der Harmonie beim Unterricht nutzbringend zu verwerten. Die Harmonielehre soll dem Schüler das musikalische Denken erleichtern, d. h. sie soll ihm nicht nur sagen, daß diese oder jene Akkordfolge möglich, üblich und korrekt ist (das zu »beweisen«, gibt jede Harmonielehre vor), sondern soll ihm das Verständnis des innern Wesens derselben erschließen, so daß er in den Stand gesetzt wird, dieselbe selbst an rechter Stelle und mit guter Wirkung zu schreiben; dazu gehört aber ein ganz andrer Aufbau des Lehrmaterials, eine andre Bezifferung, eine andre Terminologie.
Daß wir auf dem Weg zu einer derartigen neuen Methode der Harmonielehre sind, dafür fehlen die Anzeichen nicht. Bereits Gottfried Weber (»Theorie der Tonsetzkunst«, 1817-21) machte einen Anlauf [* 7] dazu; den Kern seines Systems bildet die Bezifferung der Dreiklänge und Septimenakkorde nach ihrer klanglichen Natur (G, g, g0, G7, g7, G?, 0g7 = g h d, g b d, g b des, g h d f, g b d f, g h d fis, g b des f). Daß er die Generalbaßbezifferung nicht für ein brauchbares Vehikel der Harmonielehre hielt, spricht er (S. 563, Anm.) unzweideutig genug aus; er sieht in ihr nur eine abbreviierte Notenschrift, was sie historisch auch ist.
Vervollständigt wurde Webers Bezifferungsart durch E. F. Richter, welcher auch den übermäßigen Dreiklang als selbständigen Akkord aufnahm (G' = g h dis, G'7= g h dis f, g? = g b d fis, G'? = g h dis fis, 0g70 = g b des fes). Richter macht auch bereits den Versuch, diese Bezifferungsart für die praktischen Arbeiten zu verwerten, und hebt damit die Einseitigkeit auf, daß der Harmonieschüler nur mit gegebener Baßstimme arbeiten lernt; in der letzten Auflage seiner »Harmonielehre« enthalten die Schlußkapitel eine erhebliche Anzahl von Aufgaben, in denen eine gegebene Sopran- oder Mittelstimme in der hier angedeuteten Weise beziffert ist. Damit ist der Anfang zur Beseitigung der Generalbaßmethode gemacht; es wird nur darauf ankommen, diese Bezifferung noch weiter ins Detail auszuarbeiten und sich ihrer nicht erst gegen Ende des Kursus, sondern von Anfang an und durchweg zu bedienen. Diesen Weg hat Harmonielehre Riemann in der oben genannten »Skizze einer neuen Methode der Harmonielehre« eingeschlagen.